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Ich war ja anfangs - also vor 15 Jahren nicht so der Freund von Ansichtskarten, die mit Motiven versehen sind, die ihrerseits aus der sogenannten "Vogelschau" aufgenommen wurden.
Also aus einem Ballon, Luftschiff oder einem Flugzeug heraus. Deshalb ist es auch nicht groß verwunderlich, daß sich über viele Jahre nur sehr wenige physische Stücke in meine Sammlung verirrten. Um so erfreulicher, daß es mir vor einiger Zeit gelungen ist, einige (nicht alle!) Luftbilder von Senftenberg, die Ende der 1920er/Anfang der 1930er angefertigt wurden, in Form von Scans von - ja ich weiss es eigentlich gar nicht so genau - Glasplatten?, Negativen?, Fotoabzügen? zu erhalten. Bezüglich der Provenienz teilte mir die abgebende Stelle - das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen - folgendes mit:
Der Bestand RW 0229 umfasst die 1979 von der Firma Hansa Luftbild AG in Münster übernommenen Schrägluftaufnahmen aus der Zeit zwischen den Weltkriegen (1921-1939). Die Bilder zeigen Städte, Ortschaften
und Landschaften, Baudenkmäler wie Burgen, Schlösser und Kirchen, Fabriken und Gewerbebetriebe, Häfen, Flughäfen und Bahnhöfe, aber auch wichtige Ereignisse wie die Vereidigung Hindenburgs als Reichspräsident
im Mai 1925, einen Besuch des Reichspräsidenten in Dessau im Juni 1927, das Deutsche Turnfest oder die Presseausstellung Pressa in Köln 1928, eine Überschwemmung der Saale im Juni 1933, eine Kundgebung der NSDAP
am Niederwalddenkmal in Rüdesheim zur Saarfrage 1933 oder die Ausstellung Schaffendes Volk in Düsseldorf 1937. Rd. 13.000 Bilder liegen als Glasplattennegative im Format 13x18 cm vor, die den Zweiten Weltkrieg in der Münsteraner Niederlassung der Hansa Luftbild GmbH weitgehend unbeschadet überstanden haben. Daneben gibt es Zelluloid-Repronegative, sowie einige Glas-Dias. Von rund 9.500 Aufnahmen liegen zusätzlich Papierabzüge vor. Man muss davon ausgehen, dass der größte Teil der Schrägluftaufnahmen aus der Zeit vor 1945 im Filmbunker der Hansa Luftbild im Berliner Flughafen Tempelhof lagerte und dort gegen Kriegsende vernichtet wurde. Der Großteil der erhaltenen Aufnahmen ist von guter Qualität, allerdings weisen eine nicht geringe Menge der Bilder zeitgenössische Schwärzungen auf, die von einer Prüfstelle im Reichsluftfahrtministerium nach 1934 zur Auflage für die weitere Verwendung gemacht wurden. In der Regel sind diese Schwärzungen irreversibel. In einigen Fällen liegen noch Abzüge vor, die vor den Schwärzungen von den Negativen angefertigt wurden.
Geordnet sind die Aufnahmen in diesem Findbuch nach den zeitgenössischen regionalen Landeseinteilungen, z. B. den preußischen Provinzen. Die Bildnummern entsprechen in der Regel den Nummerierungen der Glasplatten,
weshalb es in der Signaturenfolge zu größeren Sprüngen kommen kann.
Leider trifft das mit den, im obigen Text erwähnten, "Schwärzungen" für mindestens eine der mir zugespielten Luftaufnahmen zu. Dazu aber bei passender Gelegenheit mehr. Und auch die "ungeschwärzten" Aufnahmen sind zum Teil
unvollständig und geringfügig beschädigt bzw. in den Randbereichen "suboptimal". Manches lässt sich digital kaschieren, anderes muß man einfach so hin nehmen. Doch wichtig ist: die Aufnahmen sind um einiges schärfer und zeigen mehr Bildinformationen als die Ansichtskarten-Pendants. Wie man beispielsweise an den drei nachfolgenden Exemplaren sehen kann: |
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Im Vergleich mit den Ansichtskarten-Versionen, die jeweils darunter abrufbar sind, kommt klar zum Vorschein, daß die heute vorgestellten Varianten signifikant mehr Bildinformationen und dazu noch in besserer Qualität besitzen. Nicht nur durch die fortlaufenden Seriennummern (25914 bis 25916) wird klar, daß alle 3 Aufnahmen bei und derselben Gelegenheit gemacht wurden. Genau in dieser Reihenfolge? Dafür würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Die mitgelieferten Informationen des Landesarchivs weisen ein "Juli 1929" für diese drei Fotos aus. Grundsätzlich bin ich vorsichtig bei solchen Zuschreibungen, weshalb ich in der Regel versuche, die Angabe zu validieren. In vorliegendem Fall kann ich bescheinigen: stimmt! Wenn vielleicht nicht ganz genau Juli doch Sommer 1929 ist in jedem Fall korrekt.
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Möglicherweise erst aufgrund der gesteigerten Schärfe und des größeren Bildausschnitts werden nämlich einige Details besser sichtbar. Da wäre zum Beispiel die aufgerissene Gerichtsstraße
(heute Steindamm). Etwas das ohne jeden Zweifel mit den flächendeckenden Arbeiten an der Senftenberger Kanalisation zu tun hatte, die 1928 in Angriff genommen wurden dann aber wegen
der langen und harten Frostperiode erst Ende April 1929 fortgesetzt werden konnten. Bei diesen Arbeiten waren mehrere Bautrupps parallel und in den unterschiedlichsten Straßen der Stadt zugange. Die Maßnahme selbst stellte auch eine willkommene Entlastung für den hiesigen Arbeitsmarkt dar. Etwa 170 Senftenberger Erwerbslose fanden für eine gewisse Zeit bei den Francke-Werken, die für die Ausführung verantwortlich zeichneten, Lohn und Brot. Die Arbeiten gingen offenbar rüstig voran denn schon Anfang Juni tauchte rechts abgebildete Bekanntmachung im Senftenberger Anzeiger auf. Diese Notiz bedeutet nicht zwangsläufig, daß jede der aufgerissenen Straßen bereits wieder in einem befahrbaren Zustand war. Insofern sind die auf den Fotos noch sichtbaren Baurückstände kein Ausschlußkriteritum.
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Und nur 8 Tage später diese Zeitungsmeldung (links), die wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge passt, sprich: durch Bestandteile der drei Luftaufnahmen visuell untermauert wird. Das Jahr 1929 war demnach ein sehr bauintensives. Neben den bereits erwähnten Kanalisationsarbeiten, die in jenem Jahr ihren Abschluss fanden, erfolgte auch überall in der Stadt die Errichtung von Wohnhäusern. Im Zentrum selbst (Markt / Bäcker Häusler) aber auch im Weichbild Senftenbergs. Einige dieser Baustellen (siehe auch links) kann man auf den drei Fotos ausmachen... Briesker Straße oder vielmehr (heute) Blankenbergstraße, Großenhainer Straße, Kriegerheimstättenstraße (heute Radojewskistraße). Von dem avisierten 8-Familienhaus in der Lessingstraße hingegen ist bis auf die Baufeldfreimachung noch nichts zu sehen. Damit sollte eigentlich der Nachweis erbracht worden sein, daß die drei Schrägluftbilder tatsächlich im Sommer - wahrscheinlich sogar im kolportierten Juli - 1929 bei einem Überflug durch den Junkers-Luftbild-Dienst entstanden. Mit welcher Art von Flugzeug das passiert sein könnte, zeigt der nachfolgende Filmstreifen, der 1928 auf einem Flugplatz (unklar ob Leipzig, Chemnitz oder ganz woanders) gedreht wurde: Quelle: youtube / www.filmarchiv-chemnitz.de |
