Es ist zwar etwas verspätet, aber da das Jahr 2019 noch nicht ganz zu Ende ist, geht das gerade noch einmal.
Ich muß gestehen, daß ich das Datum nicht auf dem Schirm hatte. Glücklicherweise trug der Senftenberger Heimatverein in der Vorwoche dem
Jubiläum 60 Jahre Sporthalle "Aktivist" in Form eines Geschichtsstammtisches Rechnung.
Und die Veranstaltung war gar nicht einmal so uninteressant. Die gut 30 Anwesenden bekamen Ausschnitte aus einem Film präsentiert, der vor 10 Jahren
zum 50-jährigen Jubiläum durch den heutigen Stadtsprecher Andreas Groebe in Kooperation mit unserem Regional-TV-Sender WMZ recherchiert und produziert
wurde. Finanziert wurde das Ganze von der Sparkasse Niederlausitz und der Stadt Senftenberg.
Große öffentliche Bekanntheit erreichte der Streifen jedoch nicht. Mir zumindest war er bis vor kurzem völlig unbekannt. Ich bog aber auch erst vor
9 Jahren in die Kurve der Heimatforschung ein, weshalb das jetzt kein ausschlaggebendes Kriterium sein muß.
Sicher, der Film, von dem ich mir eine Kopie anfertigen durfte, hat einige Längen. Kein Wunder bei gut 2 Stunden Laufzeit. Für mich ist er trotzdem sehenswert.
Einerseits wegen der Anekdoten, die die Befragten und größtenteils langjährigen Weggefährten der Halle, zum Besten geben und andererseits wegen einer
Anzahl historischer Filmsequenzen, die im Deutschen Rundfunkarchiv (DRA) bzw. bei Privatpersonen ausgegraben und im Film verwendet wurden.
Bevor ich jedoch weiter auf besagten Film eingehe, präsentiere ich noch schnell drei Ansichten, zwei kommerzielle Ansichtskarten und ein Foto, die natürlich
dem Jubiläum entsprechend, die Aktivist-Sporthalle zu unterschiedlichen Zeiten, jedoch aus ähnlicher Perspektive, zeigen...
GRAPHOKOPIE H.SANDER K.G. Berlin N 113 Echte Photographie B 8/64 Best.-Nr. T 328 Aufnahme = 1963 Sammlung Norbert Jurk
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Aufnahme <= 1973 Archiv der Stadt Senftenberg
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VEB BILD UND HEIMAT REICHENBACH i.V. III/18/98 A 1/B 306/73 01 06 11 104 Foto: Bild und Heimat (Darr) Aufnahme <= 1973 Sammlung Matthias Gleisner
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Die drei Motive decken einen Zeitraum von ziemlich genau 10 Jahren ab. Das mittlere Foto liegt irgendwo zwischen dem 1963 der linken und dem 1973 der rechten
Produktion. Wo genau ist nicht ganz klar. Möglicherweise 1966/67. Der Strauch unter den 5 Fenstern erscheint mir im Vergleich zu der 1973er-Version jetzt aber auch
nicht so sehr viel kleiner.
Was ich an dem mittleren Stück interessant finde, sind die 6 Aufbauten auf dem Dach. Daß man diese auf den beiden kommerziellen Produkten nicht erkennt, ist einem anderen
Blickwinkel geschuldet. Kopfzerbrechen bereitet mir in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß diese Aufbauten auf einer Ansicht der Ingenieurschule, die in der
Entfernung auch die fast fertige Sporthalle zeigt, nicht zu sehen sind. Gemeint ist diese Produktion aus dem Jahr 1958:
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Gut möglich, daß man zum Zeitpunkt dieser Aufnahme nicht nur mit dem südlichen Giebel kämpfte sondern auch die Dacharbeiten noch vor ihrer Vollendung
standen. Immerhin lag zwischen der Aufnahme aus 1958 und der feierlichen Einweihung der Halle am 31. Oktober 1959 mehr als ganzes Jahr!
Die Bauarbeiten an der Halle begannen 1957 und aus dieser Zeit zeugen einige Bewegtbilder, die von einem privaten 8mm-Film stammen, die den Filmemachern
vor mehr als 10 Jahren zur Verfügung gestellt wurden und die ich mit freundlicher Erlaubnis von Andreas Groebe hier ebenfalls zeigen kann. Leider ist die "Bewegung"
hierbei fast ausschließlich der Schwenk der Kamera.
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8mm-Aufnahmen aus der Bauphase ca. 1957 (© WMZ)
Ein Blick in die Sporthalle mit ihrem Naturboden.
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Aufnahme von einer Geher-Konkurrenz in der Aktivist-Sporthalle
Genaue Angaben bisher unbekannt. Der Optik nach höchstwahrscheinlich
Anfang der 1960er Jahre. (© Deutsches Rundfunkarchiv)
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Als textliche Untermalung liefere ich nachfolgend den Text der Eröffnungssequenz des Filmes, der aus meiner Sicht eine gute Zusammenfassung der ersten
50 Jahre der Aktivist-Sporthalle liefert. Im Original eingesprochen von Andreas Groebe und nun von mir transkribiert und dabei etwas eingekürzt...
Seit 1957 wurde ein alter Kohleschuppen zu einer Sporthalle umgebaut. Eine alte, freitragende Holzbogendachkonstruktion aus einer ehemaligen Brikettfabrik sorgte dafür,
daß der Bau verhältnismäßig billig blieb. Im Vergleich zu anderen Bauwerken dieser Art. ...
Die DDR investierte trotz alledem 2,4 Millionen DM in die damals größte freitragende Leichtathletikhalle Europas. Übrigens, sie ist noch heute einer der größten Sporthallen
im Land Brandenburg. Unter dem Namen "Sporthalle Aktivist" wurde die Halle am 31. Oktober 1959 mit einem großen Hallensportfest eingeweiht. Die Innenfläche der Halle ist so
groß, daß dort mehr Sporttreibende Platz finden als die Tribüne Zuschauer aufnehmen konnte. Anfänglich besaß die Halle eine Bahn aus Naturboden, der durch eine Torfeinlage
für die Austragung sportlicher Wettkämpfe verbessert wurde. Anfangs gab es selbst eine 110m-Hürdenbahn, übrigens die einzige in der damaligen DDR. Der größte Wettkampf der
jemals in der Halle ausgetragen wurde, fand gleich 1960 statt - mit den "Meisterschaften der befreundeten Armeen". Hunderte Sportler und damals sagenhafte 3000 Zuschauer
waren bei diesem Spektakel dabei. ... Die erste Dachrekonstruktion gab es 1965 und 4 Jahre später bekamen Sporthalle und Ingenieurschule den begehrten Fernwärmeanschluß.
Bis 1971 wurde auf diesem Naturboden gelaufen, bevor dann 71/72 eine 250 Meter, in den Kurven überhöhte, Kunststoffbahn entstand. Es wurde ein sogenannter grüner SPRINTAN-Belag
aufgeklebt. Insgesamt sagenhafte 3400 Quadratmeter Fläche. Weitere Baumaßnahmen gab es 1976/77. Da stand die Erneuerung der Dachkonstruktion an. Die wunderschöne, aber nicht mehr
zeitgemäße, Holzbogenkonstruktion wurde durch ein Konstrukt aus Stahl ersetzt. Außerdem wurde der, auch heute noch in der Halle befindliche rote Tartan-Belag eingebaut. Damit
nicht genug, denn die zwei Jahre wurde auch dazu genutzt, um eine neue Beleuchtungsanlage zu installieren. Übrigens mittlerweile die dritte. Und auch eine neue Regieanlage mit
der dazu gehörenden Tontechnik wurde eingebaut. Die Palette der durchgeführten Sportveranstaltungen war groß. Sie reichte von den Deutschen Meisterschaften im Hallentennis,
über Volleyball-Länderspiele, Deutsche Meisterschaften im Luftgewehrschiessen, Boxveranstaltungen bis hin zu hochkarätigen Leichtathletik-Events. So bekannte Akteure wie Ruth
Fuchs, Karin Balzer, Renate Stecher, Peter Frenkel, Udo Beyer, Rolf Beilschmidt, Thomas Munkelt, Marita Koch oder Gunhild Hoffmeister waren Stammgäste bei DDR-Meisterschaften
oder Länderkämpfen wie beispielsweise gegen Großbritannien. Marita Koch schaffte beispielsweise 1985 über die 60m eine nach wie vor unerreichte Zeit von 7,04 Sekunden. ...
Natürlich diente die Halle auch dem Schul-, Breiten- und Vereinssport, vereinzelt wurde sogar der Versuch unternommen, trotz der schlechten Akustik Rockkonzerte durchzuführen.
Träger der Halle war das BKK Senftenberg, nach der politischen Wende erfolgte die Übernahme durch die Stadt und die Umbenennung in "Niederlausitzhalle". Aufgrund der fehlenden
Nachfrage und um eine effektive Betreibung zu gewährleisten wurden neben dem Sport fortan Messen und auch Kulturveranstaltungen durchgeführt. Das alles reichte jedoch nicht,
um finanziell die Halle auf gesunde Füße zu stellen. Deshalb mehrten sich bereits in den 90er Jahren Stimmen für eine Schließung der Halle. Nach einem langen Hin und Her entschloß
sich schließlich der TSV Senftenberg e.V. zum 1. Januar 2005 die Trägerschaft zu übernehmen. Der Verein sicherte damit, auch mit finanzieller Unterstützung der Stadt, den
Erhalt der Niederlausitzhalle. ... Dank vieler Sponsoren, Förderer und fleißiger Helfer im Verein wurde nach und nach die Halle verschönert und weiter rekonstruiert. 2008 für
rund 300.000 Euro das Dach, in den Jahren 2009 und 2010 wurden die Heizungsanlage, sowie die Beleuchtung für rund 360.000 Euro erneuert.
Die für mich wichtigste Erkenntnis aus dem Film und der Diskussion, die während der Veranstaltung des
Heimatvereins geführt wurde:
2006 postulierte Werner Forkert in seinen Senftenberger Rückblicken Aus einem ehemaligen Kohleschuppen
entstand die "Sporthalle Aktivist". Dieser Satz wurde fortan immer wieder zitiert. Vielleicht hatte ihn Forkert
auch nur irgendwo abgeschrieben. Der Film öffnet mit einem sehr ähnlichen Wortlaut, um die Aussage im darauffolgenden
Satz quasi zu relativieren und in die richtigen Bahnen zu lenken...
Ich hatte seit langem Zweifel an der ursprünglichen Aussage bzw. das, was man hinein interpretieren kann.
Schon einfach deshalb, weil an der Stelle der Sporthalle zuvor nie ein Kohleschuppen stand. Eigentlich befand sich dort
überhaupt nichts!
Mittlerweile herrscht darüber wohl Konsens, daß allein die Dachkonstruktion, oben erwähntes Holzbogengebilde,
von einem ehemaligen Stapelschuppen stammt. Das Material könnte aus Richtung Finkenheerd gekommen sein. Manche
sprechen von "Meurostolln"... Sicher ist man sich nicht.
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Zum Abschluß möchte ich natürlich auf den
Tag zurückkommen, der als der offizielle
Geburtstag der Sporthalle "Aktivist"
gilt. Jener 31. Oktober 1959.
Die Lausitzer Rundschau schrieb damals:
Das Innere der Halle 1973, kurz nachdem der grüne
SPRINTAN-Belag eingebaut worden war.
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Größte Sporthalle wird eingeweiht
Die Kreisstadt erlebt am 31. Oktober einen großen Tag. Mit einem Hallensportfest
wird die größte Sporthalle ihrer Art in der Deutschen Demokratischen Republik,
die künftig den Namen "Sporthalle Aktivist" tragen wird, eingeweiht.
Mit einer Nutzfläche in der Länge von 122,5 Metern und einer Breite von 35,0
Metern gibt es vergleichsmäßig keine derartig große Halle in unserer Republik.
Da der Boden naturhaft ist und lediglich durch eine Torfeinlage für sportliche
Wettkämpfe verbessert wurde, eignet sich die Halle für leichtathletische Wettbewerbe
in hervorragender Weise. Sie schafft Voraussetzungen dafür, daß im Winter wie im
Sommer die Leichtathleten und viele andere Sportler ein volles Training absolvieren
können. Neben allen Sprungdisziplinen kann, zum Beispiel Schülerfußball, Hallenhandball,
Basketball und vieles andere mehr darin stattfinden.
Selbst eine 110-Meter-Hürdenstrecke auf gerader Bahn, die einzige in der DDR,
ist in ihr enthalten. Noch ist die Rundbahn für Langläufe nicht genau vermessen,
aber sie steht zur Verfügung und beträgt etwa 240 Meter. 14 Meter umfaßt die lichte
Höhe, wodurch auch Wurfwettkämpfe möglich sind.
Es wurde weniger Wert auf übermäßig große Zuschauertraversen gelegt, die zum Beispiel
in der Werner-Seelenbinder-Halle in Berlin bestehen. Dort ist die Nutzfläche für
sportliche Übungen kleiner, da viel Raum für die Zuschauerränge gebraucht wurde. Dennoch
haben bei uns zur Zeit etwa 1600 Zuschauer auf den Rängen Platz. Das sind alles
Sitzplätze, wobei die Gesamtzahl der Plätze in Zukunft auf etwa 2000 erhöht werden kann.
Die Regierung unserer Deutschen Demokratischen Republik stellte für die Halle 2,4 Millionen
DM bereit. Durch die Verwendung des freitragenden Daches aus einer Brikettfabrik ist
die Halle wesentlich billiger als andere Bauten dieser Art. Allein in diesem Jahr
leisteten die Werktätigen unseres Kreises 3800 Aufbaustunden.
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