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10.08.2025
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Sommerzeit - Ferienzeit - Wanderzeit.

Ist so. War so! Das, was man auf den beiden Fotopostkarten rechts sehen kann, würde ich jetzt aber nicht unbedingt "wandern" nennen. So in Dreier-Reihen hat das fast schon militärischen Charakter.
Um wen handelt es sich konkret? Um Mitglieder des Jung-Siegfried-Bundes - Abteilung Senftenberg. Ich stellte hier vor mehr als vier Jahren schon einmal ein Foto dieser Truppe vor. Leider haben sich seitdem keine wesentlichen Fortschritte in Sachen Erkenntnisgewinn über die Aktivitäten dieses Vereins in Senftenberg ergeben. Wir können lediglich festhalten, daß der Jung-Siegfried-Bund hier mindestens von 1928 bis 1930 existierte. Dies kann aus einem umseitigen Aufkleber auf der unteren der beiden Karten geschlussfolgert werden. Darin ist vom 2. Jahresfest am 29. Juni 1930 die Rede.
Auf dem unteren Foto sehen wir auch im Großen und Ganzen dasselbe Personal wie auf dem Foto darüber. Nur ein Jahr später. Denn das obere Exemplar stammt aus dem Jahr 1929 und passt damit hervorragend zu dem vor vier Jahren vorgestellten Stück. Auf diesen zwei Fotopostkarten stimmen die darauf abgebildeten Personen "vom Scheitel bis zur Sohle" 1:1 überein. Wenn auch 2 Jungs auf dem heutigen "In-Bewegungs-Bild" fehlen. Doch Wimpel, Schützenscheibe und Schießgewehr sind in beiden Fällen mit von der Partie. Deshalb besteht nicht der geringste Zweifel an der Zusammengehörigkeit der beiden Stücke.

In 1930 erscheint die Truppe personell etwas ausgedünnt und auch ein Wimpel ist abgängig. Dafür hatte man sich scheinbar inzwischen weiblichen Mitgliedern (hinten links) geöffnet.

Heutzutage ist nicht mehr ermittelbar, wo sich die Gruppe jeweils konkret befand und schon gar nicht welches Ziel sie hatte. Das Fehlen jeglicher Berichterstattung über alle Dinge des Senftenberger Jung-Siegfried-Bundes in dem sonst so mitteilungsbedürftigen Senftenberger Anzeiger macht eine Bestimmung unmöglich. Vielleicht waren sie ja in Richtung Rauno unterwegs? Nur hätten sie da anno 1929/30 nicht mehr viel bzw. überhaupt nichts mehr von dem ehemaligen Dorf vorgefunden.

Senftenberg
Aufnahme = 06.1929
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberg

Senftenberg

Aufnahme = 06.1930
Sammlung Matthias Gleisner
Anblicke wie die beiden auf der nebenstehenden Zweibildkarte waren zu diesem Zeitpunkt bereits unmöglich, denn das Dorf Rauno fiel 1926 dem Bergbau zum Opfer.

Senftenberg
M.Minder, Colonialwaren
Aufnahme <= 1925
Sammlung Matthias Gleisner

Der Umstand daß Rauno die erste größere Ansiedlung (ca. 1000 umzusiedelnde Einwohner) in unserem engeren Gebiet war, die der Kohlengewinnung geopfert wurde, rief ein vergleichsweise großes mediales Echo hervor. Und das nicht nur hier vor Ort sondern sogar deutschlandweit.
Ich präsentierte in der Vergangenheit schon die eine oder andere Berichterstattung aus Zeitungen, Zeitschriften oder Büchern der damaligen Zeit.
Vor einigen Tagen fiel mir zufälligerweise der links abgebildete Text aus einem der Kreiskalender - Calau, Cottbus, Spremberg vor die Füße, den ich natürlich niemandem vorenthalten möchte.
Autor war der Raunoer Lehrer Hermann Glienke, der manchem durch sein Büchlein "Heimatserinnerungen" bekannt sein dürfte. Dieses behandelt ausführlich die Geschichte des Dorfes. Den Text links kann man gut und gerne als Extrakt des Buches bezeichnen. Zwei Fotos aus dem Buch wurden hier wiederverwendet.

Nachfolgend ein weiteres Beispiel für überregionale Anteilnahme an dem "dem Untergang geweihten" Dorf Rauno. Diesmal aus der "Illustrirten Zeitung" Nr. 4269 vom 6. Januar 1927:

Rauno

Wer übrigens glaubt, daß sich nach 100 Jahren keiner mehr für Rauno interessiert, den kann ich jetzt vielleicht überraschen... Vor ein paar Wochen kontaktierte mich ein Fotograf (Kanadier, mittlerweile in Berlin lebend), der ein Projekt unter dem Titel "Folgelandschaften" lanciert hat, das sich mit der Dokumentation von Flächen in Deutschland beschäftigt, die heute anders genutzt werden als in der Vergangenheit. Der zentrale Fokus des Projekts liegt auf dem Thema Heimatverlust, das besonders häufig im Zusammenhang mit der Braunkohlegewinnung vorkam. (O-Ton)
Und Rauno wäre in dieser Beziehung ein gutes Beispiel. Mit Zeitzeugen konnte ich verständlicherweise nicht dienen.

Desweiteren wird es Anfang September im Senftenberger Rathaus eine Sonderausstellung zu Ehren Hermann Wolschkes, dem aus Rauno stammenden Deutschen, der die Wurst nach Japan brachte, geben.
Für mich klar ein Kandidat für den Senftenberger "Walk of fame" (siehe vorige Woche!)

Gut, das dazu. Schauen wir mal, ob wir unsere "Wandervögel" in der nächsten Woche zu einem anderen Ziel schicken und welches das sein könnte.
Wie man meiner kleinen Welt in der Grafik ganz oben entnehmen kann, gibt es durchaus einige lohnenswerte Orte, die ich glücklicherweise auch in den meisten Fällen mit noch nicht gezeigtem historischen Bildmaterial illustrieren kann.