Älteres
♦ 643 ♦ 642 641 640 639 638 637 636 635 634 633 632 631 630 629 628 627 626 625 624 623 622 621 
643  600  550  500  450  400  350  300  250  200  150  100  50  1  
04.05.2025
0 Kommentare

Druckversion


In der vorigen Woche erwähnte ich bereits die Infopunkte 10 und 11, die relativ weitab gelegen sind. Da der Punkt 11 aber sinnigerweise an einem technischen Denkmal - einer Elektrolok plus Kohlewaggon - und zudem am westlichen Einfallstor Brieskes platziert wurde, besteht eine gute Chance, daß dieser Punkt sogar als erster von vorbeiradelnden Touristen wahr- und in Augenschein genommen wird.
Die zugehörige Tafel befasst sich inhaltlich größtenteils mit den im Braunkohlenbergbau eingesetzten Elektroloks. Der Film spannt den Bogen etwas weiter und wartet zur Abwechslung mit diversen bewegten Sequenzen auf, von denen die historischste wiederum aus dem Film "Land unter Pflug und Bagger" (1937) extrahiert wurde. Die anderen stammen wahrscheinlich aus dem DDR-"Augenzeugen" oder der "Aktuellen Kamera".
Ich habe ein paar Probleme mit Tafeltext und/oder Sprechertext im Film. Während auf der Tafel steht, daß 1912 die erste AEG-Elektrolok in der Grube Marga eingesetzt wurde, fällt im Film das Jahr 1908. Letzteres ohne direkten Bezug zu Marga sondern eher "so allgemein". Deshalb ist das kein zwingender Widerspruch.
Hinsichtlich dieser ganzen E-Lok-Historie habe ich mich ein wenig kundig gemacht und dazu bereits vor einiger Zeit einen Fachartikel ausgegraben, der sich mit den Abraumlokomotiven der Grube Marga auseinandersetzt. Dieser erschien im August 1909 in der Publikation "BRAUNKOHLE - Zeitschrift für Gewinnung und Verwertung der Braunkohle" und enthält u.a. drei Fotografien, die jenes Modell zeigen, von dem laut Text Exemplare "... vollständig in der Lokomotivwerkstatt der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin gebaut und im Juli d.Js. auf der Grube Marga in Betrieb genommen" wurden.
Zur Veranschaulichung habe ich aus besagten drei Aufnahmen mal eine kleine Collage gebastelt. Siehe unten!

Was lehrt uns der Beitrag?

  • Das auf der Tafel verwendete Foto (siehe auch Start des Films) ist tatsächlich eine Modell "Marga" (Bitte nicht wörtlich nehmen! Ich möchte keinesfalls damit aussagen, daß es selbst inoffiziell eine derartige Modellbezeichnung gab). Das von mir gelieferte Foto war bis dato ortstechnisch eher diffus. Das ist es zwar immer noch, aber zumindest besteht nun eine höhere Wahrscheinlichkeit, daß abgebildete Menschen und Maschine dereinst im Tagebau der Grube Marga ihren Dienst taten.
  • Die Information, daß der Einsatz von AEG-Loks auf Grube Marga im Jahr 1912 begann, ist nicht korrekt.

Die wichtigste Erkenntnis für mich ist aber, daß es damit todsicher ist, daß weitere Szenen aus dem 1915er Stummfilm "Der Tunnel" auf Grube Marga gedreht wurden. Nämlich all jene, in denen genau dieser Lok-Typ auftaucht. Davon gibt es in dem Film so einige. Mal mit mehr, mal mit weniger Schauspielern/Statisten, die um die Lokomotive(n) herumwuseln.

Standbild aus dem Film "Der Tunnel" (1915).
Das Modell "Marga" ist klar erkennbar.
Gut, für diese Erkenntnis hätte es nicht unbedingt den Rundgang Gartenstadt Marga gebraucht. Doch zuweilen "triggern" mich Aktivitäten Dritter, das eine oder andere Thema vielleicht doch noch einmal aufzunehmen und auszubauen.

Aber ich schweife schon wieder ab.
Zurück zum Filmchen...

  • 2:31 ... "1992 endet die Epoche des Braunkohlebergbaus in der Lausitz."

    Steile These! Was macht die LEAG eigentlich gerade so? Totgesagte leben länger oder gehören die Tagebaue Jänschwalde, Cottbus-Nord, Welzow-Süd, Nochten und Reichwalde nicht zur Lausitz? Okay, Cottbus-Nord und Jänschwalde sind bereits ausgelaufen und bis zum verordneten Ende der Braunkohleförderung im Jahre 2038 werden auch die restlichen Gruben geschlossen. Aber ein 1992 wird kein Lausitzer unterschreiben, egal ob er pro oder kontra Kohle ist.

Apropos "Tagebau"... eine historische Ansichtskarte mit einer Ansicht eines solchen möchte ich an dieser Stelle einschieben. Denn das ist ja eigentlich meine Hauptaufgabe und nicht das Auseinandernehmen der Konkurrenz. Wobei ich zugeben muß, daß ich letzteres zuweilen ganz gerne tue.
Das merkt man, oder?
Die Ansichtskarte ist nicht sonderlich eindrucksvoll und das Motiv ist wieder einmal nicht zu verorten. Die Bildunterschrift suggeriert zwar, daß die Aufnahme in direkter Nachbarschaft Senftenbergs entstand, aber wer will dafür seine Hand ins Feuer legen? Bemerkenswert ist das Format, daß für die Entstehungszeit aus dem Rahmen fällt, denn die seinerzeit allgemeingültigen Maße von 9 x 13 cm wurden hier überschritten. Auffällig auch der Text "Tagbergbau". Eine Bezeichnung, die mir in dieser Form zuvor noch nicht über den Weg lief.

Ja, die ersten E-Loks auf Grube Marga dienten dem Transport von Abraum. Ausschließlich und das für eine ganze Reihe von Jahren. Durch den technischen Fortschritt, der mit einer Änderung der Rohkohlebelieferung der beiden Brikettfabriken einher ging, wurden die Loks später auch beim Transport von Kohle eingesetzt.
Irgendwann hatte nämlich die alte Kettenbahn, die bis dahin für die Beschickung mit dem Rohstoff genutzt wurde, ausgedient bzw. war technologisch ineffezient geworden. Spätestens ab Ende 1924, als die Hochbunker an den Fabriken in Dienst gestellt wurden, erfolgte die Kohlenzufuhr mittels E-Lok-bespannten Zügen.

Senftenberg
Aufnahme <= 1934
Sammlung Detlef Krumm
Das sah dann so aus wie auf dem rechts abgebildeten Foto. Sicher nach 1924 aufgenommen ist aber nicht klar, wie viele Jahre danach. Wir erkennen wieder eine E-Lok des bereits mehrfach gezeigten Modells. Konkret schiebt die AEG-Lok 9 vollbeladene Kohlenwaggons in Richtung Bunker der Fabrik 2 um dort die Fracht zu löschen.
Die beiden Bunker wurden für die Fabrik Marga I mit rund 1000t und für die Fabrik Marga II mit rund 1200t Fassungsvermögen errichtet. Die Bauten wurden im Herbst 1923 begonnen und trotz beengter Bauverhältnisse, sowie trotz Unterbrechungen durch Streiks und Frostperioden im Herbst 1924 fertiggestellt. Die auf Grube Marga I und II aufgestellten Anlagen wiesen keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der Systemanordnung auf. Nur die Gesamtlänge der Bunker wurde verschieden gewählt, um den abweichenden Ansprüchen der zwei Brikettierungsanlagen bezüglich des Fassungsvermögens gerecht zu werden.

Von besagten Bunkern sehen wir auf dem Foto jedoch nur einen winzigen Hauch.

Senftenberg
Aufnahme <= 19??
Sammlung Matthias Gleisner
Der Film zum Infopunkt 10 - Brikettfabriken genannt, der seinerseits zwischen den letzten Relikten (Verwaltungsgebäude, Turbinenhaus) eben jener Fabriken platziert wurde, erwähnt die Bunker auch. Verlegt deren "Anlegung" jedoch in das Jahr 1925. Kann man noch gelten lassen.
Visuelle Eindrücke von besagten Bunkern erhält der Betrachter durch die verwendeten Ansichtskarten und Fotos. Ohne das dies jedoch explizit herausgestellt wird. Der Film "Land unter Pflug und Bagger", der auch für diesen Film herhalten durfte, enthält bewegte Bilder aus einem solchen Bunker (wenn auch sehr wahrscheinlich nicht Marga), die an dieser Stelle gut gepasst hätten. Eine Teilsequenz davon wurde im Film 11 benutzt.

Historische Standbilder von und aus den Brikettfabriken erhalten wir über den Film verteilt so einige. Unter anderem dieses Motiv:

Senftenberg
Verlag von Br. Pulczynski,
Senftenberg (Lausitz)
1806 R 126
Aufnahme <= 1914
Sammlung Matthias Gleisner
Jedoch nicht in dieser Variante. Stattdessen bildete die Ansichtskarte hier unten links die Basis.
Senftenberg Senftenberg

Mit Eintritt in die Nachkriegszeit verwendet der Film ein paar bewegte Farbaufnahmen, die meiner Meinung nach zum Teil nichts mit Marga zu tun haben. Zuweilen sieht mir das eher nach einem Stahlwerk aus.
Die Qualität der Aufnahmen ist jedoch so grottig bzw. wurden sie mittels Videofilter verfremdet, daß eine Bestimmung nahezu unmöglich ist. Am Ende des Films kommt man auf die zwei letzten Reste der Fabriken - die schon erwähnten Gebäude der Verwaltung und der Kraftzentrale - zu sprechen, und informiert den Betrachter über die geplante Rekonstruktion und Nachverwendung. Verschwiegen wird, daß eine Realisierung lediglich für das Verwaltungsgebäude halbwegs in trockenen Tüchern ist. Beide Gebäude - und das macht Sinn, denn der Tourist kann sie vom Infopunkt 10 aus sehen - spielen auch auf der zugehörigen Informationstafel eine wichtige Rolle. Die Tafel selbst ist beidseitig bedruckt, wobei eine Seite zu drei Vierteln durch den Übersichtsplan ausgefüllt wird. Das verbliebene Viertel wird durch eine historische Ansicht (die im Film verwendete Variante der weiter oben vorgestellten Ansichtskarte) und einen Einführungstext ausgenutzt. Dabei (und das gilt auch für die andere Seite) jongliert man mal wieder mit Jahreszahlen herum. Der Satz Die Ilse Bergbau AG errichtet ab 1906 die Brikettfabrik Marga I und ab 1912 die Brikettfabriken Marga II in unmittelbarer Nachbarschaft der Braunkohlegruben. ist nicht nur grammatikalisch sondern auch faktisch inkorrekt. Zudem weichen die Jahreszahlen von dem ab, was im Film erzählt wird. Dort ist von 1908 und 1911 die Rede. Aber auch das entspricht nicht ganz der zeitlichen Abfolge. Tatsächlich gingen bereits 1908 die ersten 5 Pressen von Marga I in Betrieb (was einen Baubeginn 1906 plausibel erscheinen lässt). 1909 konnte die Produktion durch die Indienststellung 8 weiterer Pressen ausgebaut werden. Die letzten 5 Pressen vollendeten 1910 die Errichtung von Marga I. Zu diesem Zeitpunkt (1910) war man schon mit dem Aufbau von Marga II beschäftigt. Zwischen 1911 und 1912 installierte man dort weitere 19 Brikettpressen womit das "Marga-Werk" insgesamt finalisiert wurde.

Bevor ich mit der Analyse von Film und Infotafel fortfahre, möchte ich an dieser Stelle eine ziemlich rare Fotopostkarte präsentieren, die die Fabrik Marga I zu einem sehr frühen Zeitpunkt zeigt. Zwar wurde die Karte 1913 postalisch versandt aber dieses Datum können wir schon allein vor dem Hintergrund der oben ausgeführten Zeitschiene vergessen. Ich habe für die Aufnahme ein <= 1910 angesetzt, da von Marga II noch nichts zu erkennen ist. Es könnte aber auch schon 1908 gewesen sein als dieses etwas unscharfe Foto entstand.
Wäre der Bildausschnitt nach rechts noch ein wenig erweitert, würden wir dort das Verwaltungsgebäude erkennen. Oder eben auch nicht! Und diese Information würde helfen, das Foto sicher auf maximal 1909 zu fixieren, denn das Gebäude wurde spätestens in jenem Jahr errichtet. Zur Veranschaulichung zeige ich nachfolgend eine sehr schöne Aufnahme der Fabrik I inklusive der Kettenbahn hinter deren Ständerwerk (ungefähr 3 cm vom rechten Bildrand) man das Verwaltungsgebäude schemenhaft ausmachen kann.
Senftenberg
Aufnahme <= 1910
Sammlung Matthias Gleisner
Brikettfabrik Marga I (max. 1909)

Übrigens... falls jemand von der Senftenberger Stadtverwaltung mitliest... das da links im Bild ist ein Kohlenschuppen! Ein solcher machte nur in unmittelbarer Schlagdistanz zu einer Brikettfabrik Sinn. Dort wo heute die Niederlausitzhalle steht, gab es nie eine Brikettfabrik. Nur mal so um der Kohlenschuppen-Sporthallen-Legende (siehe Neues 613) weiteres Wasser abzugraben.

Okay, zurück zur Infotafel 10! Was fiel mir noch auf?

  • Den Schreibfehler im 2. Satz darf ich laut Ortsvorsteher von Brieske behalten.
  • Und auch das Jahreszahlen-Bingo geht munter weiter. Während auf der einen Seite steht, daß die Brikettfabriken 1993 abgerissen wurden, behauptet man auf der anderen Seite "ab 1994". Im Film entscheidet man sich für 1993. Also 2:1 für 1993. Grundsätzlich egal (vielleicht war es auch 1993/94?) aber wenigstens konsistent sollte es sein.
  • Ein Schreibfehler, den die Vertreter dieser Zunft (manche halten sie für die wichtigste Funktion des Bergbaus) gar nicht gerne lesen werden: es heißt Markscheidewesen und nicht Marktscheidewesen!
  • Die Innenansicht der Waschkaue wurde von mir und nicht vom Archiv der Stadt Senftenberg geliefert.

Schluß folgt.