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30.07.2023
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Es ist ja gerade einmal zwei Wochen her, da thematisierte ich so ein wenig den Tischlermeister Richard Graßhoff. Ich gehe jede Wette ein, daß der von mir sehr verehrte Berliner Fotograf Paul Klinke, als er anno 1910 Senftenberg unsicher machte, auch ihm seine Dienste anbot. Die allermeisten der bisher aufgetauchten Senftenberg-Ansichten von Klinke zeigen einen Handwerks- bzw. Gewerbebetrieb. Insofern würde Graßhoff mit seinem Wohn- und Geschäftshaus am Kirchplatz gut in das Schema passen. Und sehr wahrscheinlich nahm der Tischlermeister das Angebot des fahrenden Fotografen an. Leider kann ich den Beweis nicht erbringen, da sich bis heute keine derartige Produktion materialisiert hat. Nicht bei mir. Nicht unter meinen Sammlerkollegen. Und auch nicht bei Familie Graßhoff selbst.
Wofür es möglicherweise Gründe gibt. Und die liegen im Jahr 1945. Nach dem Einmarsch der Roten Armee in Senftenberg fungierte das Graßhoffsche Haus nämlich als erste russische Kommandantur in unserer Stadt. Bei der Beschlagnahme des Gebäudes durch das Militär wurden viele persönliche Dinge der Familie zerstört, verunreinigt, zweckentfremdet, unbrauchbar gemacht. Dabei sicherlich auch jede Menge "Papierkram", Dokumente und Fotos. Unwiederbringlich verloren.

Ein Schicksal, das der nebenstehenden Fotografie glücklicherweise erspart blieb. Wir befinden uns hier auf der dem Graßhoffschen Anwesen gegenüberliegenden Seite des Kirchplatzes. Das Haus stellt sich heute fast genauso dar. Minus dem kleinen Vorgärtchen. Neben der Eingangstür der Hausnummer 3 befindet sich immer noch ein Schaukasten mit der Aufschrift "Getränke & Speisen" und erinnert an die Zeiten, in denen sich im Parterre wechselnde Gastronomiebetriebe befanden. Das ist aber auch schon ein paar Jahre her. Neuerdings befindet sich in den Räumlichkeiten ein Wahlkreisbüro. Hier kann man sich bei der Landtagsabgeordneten der BVB/Freie Wähler, Ilona Nicklisch, den Frust von der Seele reden. Vielleicht auch darüber, daß es immer weniger Gastronomie in der Stadt gibt.

Senftenberg
Paul Klinke, Berlin N.65,
Müllerstr. 30
Aufnahme <= 1910
Sammlung Matthias Gleisner
Doch zurück zu der historischen Ansicht und damit 113 Jahre in die Vergangenheit geschaut. Wir lernen, daß sich dereinst an dieser Adresse zwei Handwerksbetriebe befanden. Zum einen der Schuhmachermeister Wilhelm Petrick. Und zum anderen, und er stand wohl eindeutig im Fokus des Fotografen, der Maler Hermann Kunau. Letzterem gehörte das Haus auch und es ist sehr wahrscheinlich, daß es sich dabei um die männliche Person im Fenster des Erdgeschosses handelt.

Ansonsten hat die Aufnahme natürlich wieder alles, was eine Paul-Klinke-Produktion ausmacht. Ein sehr schönes Zeitcolorit insbesondere durch die in Szene gesetzten Personen vor und in dem Haus. Etwas, das zum Standardrepertoire Klinkes gehörte.

Nicht von Klinke, sondern von einem namenlosen Fotografen, stammt die zweite historische Ansicht für heute. Selbige schiebe ich sage und schreibe schon 6 Jahre vor mir her. Immer in der Hoffnung, daß vielleicht doch noch eine weitere Ansicht des Reichshotels an meine Tür klopft. Es gab wohl tatsächlich einst eine kommerzielle Ansichtskarte von dem Gebäude. Vor vielen Jahren sah ich eine Reproduktion hiervon in den Räumlichkeiten von "Hänig's Restaurant". Manch einem noch unter "Tunnelschänke" geläufig. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn wie man auf dem rechts abgebildeten Stück erkennen kann, gehörte sowohl das Reichshotel wie auch die sich anschließende Bierhandlung der Familie Hänig.

Leider tauchte bislang kein Exemplar der noch abgängigen Ansichtskarte bei mir auf. Und Familie Hänig konnte (oder wollte) mir auch nicht beim Auffinden eines solchen weiterhelfen. Überhaupt besitzt die Familie, nach dem was mir erzählt wurde, so gut wie nichts mehr von ihren Vorfahren. Möglicherweise aus ähnlichen Gründen wie den oben skizzierten, denn immerhin brannte das Schützenhaus zum Ende des Krieges völlig aus.

Die Fotopostkarte entführt uns spätestens im Jahre 1912 in die Senftenberger Schloßstraße. Zu diesem Zeitpunkt existierte das Hotel schon einige Jahre: Johannes "Hans" Hänig gab im Januar 1904 die Einweihung des neu erbauten Hotels bekannt...

Senftenberg
Aufnahme <= 1912
Sammlung Erika Fischer

Zum Abschluß noch eine Mitteilung in eigener Sache: Das angekündigte Ende von www.gruss-aus-senftenberg.de (zumindest in diesem Arbeitsmodus) muß noch warten. Aufgeschoben. Nicht aufgehoben. Ein Schuß vor den Bug meiner Gesundheit, der sehr wahrscheinlich auch auf das "Schneller! Weiter! Besser! Mehr!" das sich in meine fortwährende und pausenlose Arbeit an diesem Projekt eingenistet hat, zurückzuführen ist, veranlasst mich, die Arbeiten bis auf weiteres einzustellen. Wann es mit den verbliebenen 25 Neues-Seiten weitergeht, hängt maßgeblich davon ab, wie schnell ich wieder einen gesundheitlichen Normalzustand erreiche. Bis dahin verabschiede ich mich in einen aktuell unbefristeten Erholungsurlaub (oder nennen wir es "Sommerpause"), um hoffentlich danach mit ganzer Kraft das restliche Pensum abzuarbeiten.
Bis dann!