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Was zum Teufel ist das für eine Kombination? Die Aufstellung zum Traditionsturnier unserer lokalen Kicker im nächsten Jahr? Naja der 1. April ist auch nicht mehr weit.

Aus fußballerischer Sicht grenzt heute die Verbindung dreier Weltclubs mit unserem Vertreter in der 7. Liga des Deutschen Fußball-Bundes an Utopie. Das war auch in den erfolgreicheren Zeiten der Briesker Fußballer, also in den 1950ern/60ern, nicht viel anders. Und dennoch wurde Mitte der Sechziger diese Verbindung aufgebaut. Nicht auf dem grünen Rasen, sondern inmitten eines Sammelalbums der Firma Niemeyer aus Groningen, Holland!


Senftenberg
Niemeyer
Serie von 260 voetbalclub-emblemen
216
Aufnahme <= 1964
Sammlung Matthias Gleisner

In der Serien-Erweiterung des Jahres 1964 tauchte das für uns interessante Emblem von Aktivist Senftenberg (siehe oben rechts) auf.
Betrachtet man das Gesamtpaket, kann man keine klare Linie der Serie erkennen. Aufgrund der Vielzahl holländischer Vereine muß man das "wereldberoemde Voetbalclubs" schon einmal relativieren. Deutschland ist mit insgesamt 27 Vereinen vertreten, von denen aber auch nur eine Handvoll zum damals aktuellen Kader der 1. Bundesliga gehörten. 6 DDR-Vereine verirrten sich ebenfalls in das Sammelsurium. Darunter Aktivist Brieske/Senftenberg, wobei man das "Brieske" einfach unter den Tisch fallen ließ.
Nicht die einzige Ungenauigkeit... Senftenberg wurde gleich einmal unter "Duitsland" eingeordnet während die anderen DDR-Vereine unter "D.D.R" bzw. "Oost-Duitsland" laufen.
Außerdem: Betrachtet man den Rückseitentext des Aktivist-Sammelbilds, so ist dort von 260 Bildern die Rede. Auch dies wäre falsch, da lediglich von 78, 200 bzw. 300 gesprochen wird.
Die inhaltlichen Defizite werden durch die vergleichsweise gute Produktion der Vorderseiten ausgeglichen. Die Bildchen haben eine etwas ungewöhnliche Form und messen ca. 2,5 mal 3 cm. Das Papier verfügt über eine glänzende Schicht und die Abbildungen selbst haben schöne Farben und scheinen exakt ausgeführt zu sein.

An dieser Stelle möchte ich mich bei Björn Kecker von keckenbauer.de bedanken, der mir schnell und unkompliziert Fotos seines vollständigen Albums übermittelte, worauf ich meine Recherchen aufbauen konnte. Eine Hilfsbereitschaft, die durchaus nicht selbstverständlich ist, wenn ich da so an manche "Experten" hier vor Ort denke...

Aus meiner Senftenberger heimatforscherischen Sicht ist das Ganze eine ziemlich kuriose Produktion, die hierzulande wohl noch keiner entdeckt hatte. Ein schöner Zufallsfund, der auch einen guten Anknüpfungspunkt für weitere Informationen bzgl. der Briesker Fußballer bietet. Denn zum Zeitpunkt der Produktion 1964 war der Verein schon Geschichte!
In der Chronik-Broschüre anläßlich 60 Jahre Fußball Brieske/Senftenberg aus dem Jahr 1979 kann man diesbezüglich folgendes lesen:

Nach den großen Erfolgen von 1956 und 1958, als der zweite bzw. dritte Platz in der DDR-Meisterschaft errungen wurde, haben sich die materiellen Bedingungen in Brieske/Senftenberg weiter verbessert. Was nicht Schritt hält, das sind die Leistungen der Oberligamannschaft. Ganz im Gegenteil, es geht rapide bergab!

Die Geschichte des Familienunternehmens Theodorus Niemeyer BV ist mehr als 150 Jahre lang. Der Erfolg der Firma, die vor 20 Jahren in der British American Tobacco aufging, beruhte im wesentlichen auf dem Handel mit Tabak und der Fertigung von Zigarren, Pfeiffentabak sowie dem sogenannten "Shag", also losem Tabak zum Selberdrehen von Zigaretten. Einige der Marken sind selbst einem bekennenden Nichtraucher wie mir (Reklame in Musikzeitschriften bis hinein in die 90er haben ihre Wirkung nicht verfehlt), gut bekannt: SAMSON, Javaanse Jongens, Dunhill, Schwarzer Krauser um nur einige zu nennen.
Wie das bei Tabakfirmen üblich war, spendierte man aus Gründen der Verkaufsförderung seinen Produkten zuweilen irgendwelche Sammelbildchen. Niemeyer legte 1959 unter den Namen "Onze Voetbalclubs" ("Unsere Fußballmannschaften") ihren Shag-Packungen (Samson, American Star, Sterling Shag, Hercules, Matador) jeweils eines von 78 Bildern bei. Auf diesen war jeweils ein Emblem eines holländischen Fußballclubs (1. - 3. Division) zu sehen. Das passende Sammelalbum gab es natürlich auch.
Das Ganze war offensichtlich so erfolgreich, daß man 1961 die Serie auf 200 Fußballembleme erweiterte. 1964 dann nochmals auf insgesamt 300 verschiedene Sammelbilder. Jeweils im Zusammenspiel mit einem neuen Sammelalbum zur Aufnahme der zusätzlichen Stücke.

Umsonst fordert die Öffentlichkeit, die großen Traditionen des Arbeitersports auch in dieser Briesker Fußballgeneration weiter zu bewahren und fortzuführen. Umsonst fordert Willi Schlick, der einstige Klasseverteidiger und langjährige Leistungsklassenschiedsrichter, der sich auch als Funktionär große Verdienste im Briesker Fußballsport erworben hat, in der Zeitung die Verantwortlichen auf, offensichtliche Gleichgültigkeit abzulegen und endlich die notwendigen Schlußfolgerungen aus der schwachen Saison 1961/62 zu ziehen. "Die Bürger, alle, denen der Briesker Fußballsport am Herzen liegt, sind mit dieser Entwicklung nicht einverstanden!" mahnt er eindringlich.

Doch das Tief wird immer deutlicher, krasser, die Tabellensituation auswegloser. Nicht zu übersehen ist die durcheinandergewirbelte Moral der Mannschaft, deren Besetzung zudem ständig wechselt...

Mitten in der Saison ist es plötzlich perfekt, was lange als Gerücht im Raum stand: der Sportclub Aktivist Brieske/Senftenberg - und mit ihm auch die Fußballer - wird in die Bezirksstadt Cottbus verlegt! Ende?

Jawohl, es ist ein Aus, ein Ende, aber nur das Ende einer Ära, nicht das Ende mehr als 40jähriger Traditionen!

Unabhängig von den damals schlechten Leistungen der Briesker Mannschaft wurde die Maßnahme auf Grundlage eines Parteibeschlusses, nach dem DDR-Oberligamannschaften in den Bezirkstädten der Republik zu konzentrieren seien, durchgeführt. Der Widerstand gegen die Zerstörung der jahrelangen sportlichen Aufbauarbeit vor Ort und den damit verbundenen Erfolgen war nur Makulatur. Briesker Spieler wie Heinz Lemanczyk oder Lothar Gentsch spielten ab sofort für den neugegründeten SC Cottbus, der später der BSG Energie Cottbus angegliedert wurde.
Der SC Aktivist Brieske/Senftenberg wurde aufgelöst. Die zweite Briesker Mannschaft spielte ab 1963 als BSG Aktivist Brieske/Senftenberg in der Bezirksliga. Die Änderung des Mannschafts-Logos ging höchstwahrscheinlich zeitgleich von statten. Erstklassigkeit wurde in Brieske nie wieder erreicht.

Mit dem sportlichen Niedergang ging der Verfall des einst so stolzen Aktivist-Stadions einher. Die Ansichtskarte rechts führt uns noch einmal bildlich in bessere Zeiten der Anlage. Zu diesem Zeitpunkt wurden dort schon Speedway- Rennen ausgetragen, wie man an den hölzernen Banden im Kurvenbereich erkennen kann. Immerhin wird auch das Grün im Inneren des Ovals noch gewässert.
Die Ansichtskarten-Produktion aus dem Jahr 1959 ist ziemlich selten. Der private Leipziger Verlag war damals mehr rundherum um Senftenberg präsent. Neben dieser Briesker Ansicht kennen wir bereits eine aus Sedlitz, bzw. Motive aus Ortschaften, die nicht zu meinem unmittelbaren Untersuchungsgebiet gehören, z.B. Annahütte.

Senftenberg
Winkler & Voigt, Leipzig
Nr. 30/L/59
III/18/2-11934 T 176/59 Nr. 22456
Aufnahme <= 1959
Sammlung Erika Fischer
Und damit beende ich meinen Ausflug in die doch schon ziemlich verzweigten Seitenarme der Senftenberger Heimatforschung und kündige für das nächste Wochenende eine kleine Auszeit an. Zur Überbrückung wird man aber auf den mittlerweile 367 Neues-Seiten sicher etwas zum rekapitulieren finden.