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05.05.2019
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Früher war mehr 1. Mai!


Nicht daß ich mich in die alten Zeiten zurücksehne. Aber die meisten DDR-Bürger meines Alters (und die noch älteren sowieso) erinnern sich ohne Zweifel an den alljährlich wiederkehrenden Programmpunkt "Kampftag der internationalen Arbeiterklasse". Mit Fahne raushängen und früh morgens zu Fuß zum festgelegten Stellplatz. Letzteres war für mich der Marsch von Senftenberg nach Brieske. Dort entweder vorgefertigte Transparente oder Fahne in die Hand, eingereiht in den Zug und ab ging es mit Musik in Richtung Senftenberg. Als Schüler der Unterstufe hatten wir schon im Vorfeld des 1. Mai im Zeichenunterricht kleine Transparente angefertigt. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Friedenstaube aus Pappe die mittels Reißzwecke an einem Stock befestigt und mit ein paar farbigen Kreppbändern umrankt wurde. Oder eine gemalte "1", womit wir Schüler unsere Bereitschaft nur die besten Zensuren für unsere sozialistische Heimat zu erreichen, unterstrichen. Blöd nur, wenn es am 1. Mai regnete und die Farbe der schöne Bastelarbeit verlief oder das ganze Ding komplett aufweichte.
Wir hatten es halt auch nicht leicht!
Das mit den Umzügen war jedoch keine Idee der Kommunisten. Das hatten die einfach von den Nazis übernommen. Auf Befehl des Führers wurde erstmals 1933 der 1. Mai zum "Tag der nationalen Arbeit" erkoren. Die Durchführung der Feierlichkeiten war durchgeplant und strotze nur so vor Richtlinien...

Männer und Frauen! Wir rufen euch auf in Stadt und Land! Deutsche Jugend! An dich vor allem geht unser Appell! Der 1. Mai soll das deutsche Volk einig und geschlossen sehen und ein Zeichen sein für die ganze Welt, daß Deutschland erwacht ist und den Weg zu Freiheit und Brot sucht und findet. Laßt an diesem Tage die Arbeit ruhen!
Bekränzt eure Häuser und die Straßen der Städte und Dörfer mit frischem Grün und mit den Fahnen des Reiches! An allen Last- und Personenautos sollen die Wimpel der nationalen Erhebung flattern!
Kein Zug und keine Straßenbahn fährt durch Deutschland, die nicht mit Blumen und Grün geschmückt ist! Auf den Fabriktürmen und Bürohäusern werden feierlich die Fahnen des Reiches gehißt!
Kein Kind ohne schwarz-weiß-roten oder Hakenkreuzwimpel!
Die öffentlichen Gebäude, Bahnhöfe, Post- und Telegraphenämter werden in frischem Grün erstehen!
Die Verkehrsmittel tragen Fahnenschmuck!
Als Kleidung ist Berufsbekleidung zu bestimmen. Mitglieder von Sportvereinen nach Möglichkeit in Sportkleidung - unter Mitnahme von Sportgeräten.


Die deutsche Bevölkerung wurde aufgefordert am 1.Mai geschlossen das offizielle Festabzeichen an der Kleidung zu tragen. Dieses sollten die Menschen für 20 oder 25 Pfennige das Stück erwerben. Der Erlös war zur Finanzierung der zentralen Veranstaltung in der Reichshauptstadt gedacht.
Die jährlich variierenden Abzeichen waren in der Regel kreisrund, nur in den Jahren 1933 und 1935 hatten sie eine abweichende Form. Eine kreisrunde Variante erkennen wir auf dem Foto oben rechts. So ziemlich alle Belegschafts- (oder wie man damals sagte: Gefolgschafts-) Mitglieder tragen ein solches Abzeichen. Glücklicherweise kann ich einige davon scharf genug erkennen, um festzulegen, daß die Aufnahme am 1. Mai des Jahres 1934 erfolgte.
Das Belegschaftsfoto bringt uns auch wieder ein paar vertraute Gesichter zur Ansicht... in der ersten Reihe sitzend zum Beispiel die Chefs des "Senftenberger Anzeiger" Edmund (4. von links) und Georg (6. von links) Grubann. Neben letzterem dessen Frau Marie. Günter, den Sohn der beiden, erkenne ich in der obersten Reihe und auch einige der Mitarbeiter sahen wir schon auf dem Erinnerungsfoto zum 50-jährigen Bestehen des Unternehmens (1925).
Die Personen auf dem Foto vermitteln den Eindruck, daß die Menschen in den ersten Jahren die Maifeierlichkeiten überwiegend freudig begingen. Erinnerungen ehemaliger Anzeiger-Mitarbeiter an diese Tage waren durchweg positiv. Nach dem Ummarsch, bei dem die Abteilung des "Senftenberger Anzeiger" immer ziemlich weit vorn mitmarschierte, klang der Tag in den Betriebsräumen der Druckerei in der Laugkstraße bei reichhaltigem Essen, guter Laune und Tanz, zu dem die hauseigene Kapelle aufspielte, aus. Dazu wurde der Maschinenraum frei geräumt, geschmückt und eine lange Tafel aufgestellt. Die Vorbereitung der Speisen und Getränke war schon Tage zuvor in Angriff genommen worden.

Ich kann mich täuschen, aber 1938 als man sich an derselben Stelle zum selben Zweck einfand, scheint die Luft schon etwas raus gewesen zu sein. Der 1. Mai 1938 stand für die drei Mitarbeiter (1. Reihe Mitte) noch mit einer Ehrung bezüglich ihrer Betriebszugehörigkeit im Zusammenhang. Beispielsweise der Mann in der Mitte, Metteur Friedrich Müller - er wurde an jenem Tag dafür geehrt, daß er "... vor 50 Jahren bei der Firma in Ruhland zum erstenmal an den Setzkasten trat. In seinem jahrzehntelangen Schaffen hat er die Freuden und Leiden miterlebt, aber auch die ständige Aufwärtsentwicklung des Betriebes. Der Jubilar nahm herzliche Gratulationen entgegen und wurde durch Ueberreichung von Geschenken erfreut.
Wie gesagt: die richtige Freude scheint bei den Beteiligten 1938 nicht aufgekommen zu sein. Die martialisch wirkenden schwarzen Uniformen tun ihr Übriges. Ich vermute, daß die Träger Mitglieder des NSKK (NationalSozialistisches KraftfahrKorps) waren, welches sich größtenteils (aber nicht nur) aus Personen zusammensetzte, die im beruflichen Leben etwas mit Kraftfahrzeugen zu tun hatten. Und von denen gab es zum täglichen Ausliefern der Zeitung halt eine ganze Reihe beim "Senftenberger Anzeiger".

Senftenberg
Aufnahme 01.05.1934
Archiv der Stadt Senftenberg
Festabzeichen zum 1.Mai 1934
Senftenberg
Aufnahme = 01.05.1938
Sammlung Familie Grubann
Ich bin mir ziemlich sicher, daß auch das dritte Motiv an einem 1. Mai fotografiert wurde. Die Aufmachung der ganzen Szenerie, das Schild mit dem Namen des Betriebes, dazu die Baumblüte (u.a. Blütenblätter im Rinnstein), relativ wenig Schaulustige (denn der übergroße Teil der Bevölkerung musste/durfte ja selbst marschieren) lässt für mich kaum einen Zweifel daran, daß wir eine Aufnahme von einem 1.Mai - Ummarsch vor uns haben. Es gibt jedoch zwei Probleme. Erstens weiss ich nicht wann das war.
Geht man davon aus, daß das Abzeichen, das der Herr direkt hinter dem Lieferwagen am Revers trägt, eins dieser oben erwähnten offiziellen Festabzeichen ist, scheiden 1933 und 1935 aus. Ich glaube nicht, daß es nach 1939 war, denn da gab es meines Wissens derartige Umzüge nicht mehr. Hätten wir also 5 Jahre zur Auswahl. Nichts genaues weiß man nicht.

Viel mehr wurmt mich jedoch, daß ich aktuell nicht sagen kann, wo die Aufnahme entstand. Zwischenzeitlich war ich mir fast sicher, aber bei noch genauerer Betrachtung mußte ich diesen Verdacht wieder begraben.
Falls also jemand eine zündende Idee hat... immer her damit!
Senftenberg
Aufnahme <= 1939
Sammlung Fred Förster
Für Aufnahme Nummer 4 können wir wenigstens den exakten Ort bestimmen. Wir sehen die Kreuzstraße 4 und 6 mit den Läden von Walter Lehmann (Uhren) und Willi Schötz (Elektro). Dazwischen der Eingang zur Kneipe "Zum gemütlichen Ernst", Inhaber Ernst Brauer. Wann der Schnappschuß konkret gemacht wurde ist unklar. Irgendwann Mitte der 1930er mit Sicherheit. Ich vermute aufgrund der vor den Häusern drapierten Birken und des Flaggenschmucks, daß wir uns in der Drehe eines 1. Mai befinden. Sicher ist dies jedoch nicht.

Immerhin konnte ich durch das ganze Herumgesuche und -geforsche ein paar Motive, die es auf www.gruss-aus-senftenberg.de schon länger gibt, etwas besser datieren. Siehe nachfolgende Updates.

Senftenberg
Aufnahme <= 1944
Sammlung Hannelore Wohlgemuth
Senftenberg
AK_SFB 955_1
von = 01.05.1934 auf = 01.05.1933
Senftenberg
AK_SFB 956_1
von = 01.05.1934 auf = 01.05.1933
Senftenberg
AK_SFB 957_1
von = 01.05.1934 auf = 01.05.1933
Senftenberg
AK_SFB 239_1
von <= 1937 auf <= 1932