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Aufnahme 28.06.1925 Museen OSL
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Der Deutsche Tag in Senftenberg
Sonnabend und Sonntag standen hier im Zeichen des vaterländischen Gedankens
sowie der vaterländischen Bewegung und zwar dadurch, daß die nationalen
Verbände des Kreises Calau hier einen Deutschen Tag veranstalteten,
zu dem sich von auswärts ca. 600 Teilnehmer eingefunden hatten...
Sonntag vormittags trugen mehrere Straßen der Stadt ein ganz besonders
festliches Gewand, vor allem die Kreuzstraße mit ihren neun Girlanden, die
Bahnhofstraße, der Markt und die Schloßstraße mit ihren vielen schwarz-weiß-roten
und schwarz-weissen Fahnen. Es wurde bereits in der Frühe auf den Straßen
lebendig, nachdem das Wecken um 6 Uhr auf den Deutschen Tag hingewiesen hatte.
Im Laufe des Vormittags trafen dann die auswärtigen vaterländischen Verbände
wie Stahlhelm, Jugendorden, Wehrwolf usw. ein, die dem Aeußeren der Stadt
ein charakteristisches Gepräge verliehen.
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Aufnahme 28.06.1925 Sammlung Matthias Gleisner
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Um 9 ½ Uhr wurde zum gemeinsamen Kirchgang auf dem Markplatz vor Gulbens
Restaurant gesammelt. Daran beteiligten sich gegen 80 Vertreter mit 10 Fahnen.
In der Festpredigt gedachte Pfarrer Sieg des Deutschen Tages dadurch, daß er auf
die nationale Wiedergeburt des deutschen Volkes hinwies. Von der Kirche marschierte
die Abordnung geschlossen nach dem Kriegerdenkmal zur
Kranzniederlegung. Die 10 Fahnen senkten sich hier, während der Führer
des Zuges, Hauptmann Hebestreit folgendes ausführte: Wie immer wo sich Frontsoldaten
und ihr Nachwuchs treffen, halten wir es auch heute für unsere Pflicht, unserer
auf dem Felde der Ehre gefallenen Kameraden zu gedenken...
Von 11 ½ bis 12 Uhr war Platzkonzert auf dem Marktplatz durch
die Jetschick-Hartmannsche Kapelle, wozu sich zahlreiches Publikum eingefunden
hatte. Von 12 Uhr mittags ab wurde es auf den Straßen außerordentlich lebhaft.
Die einzelnen Vereine bzw. Verbände marschierten mit klingendem Spiel nach dem
Neumarkt, wo sich der Festzug zum Fahnenweiheakt sammelte.
Der ca. 1200 Teilnehmer, zwanzig Reiter, zwanzig Festjungfrauen und vierundvierzig
Fahnen aller Arten und Farben zählende Zug marschierte nun durch die Salzmarkt-
und Kreuzstraße nach dem Platz vor dem Schloßhof, wo sich bereits viele
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hunderte Besucher eingefunden hatten. Einen derartigen Massenfestzug
in einer solchen Buntfarbigkeit hat es in Senftenberg in den letzten
Jahren noch nicht gegeben. Darin stimmten alle überein. Auf dem Podium
vor dem Schloßhof hatten die Ehrenjungfrauen Aufstellung genommen.
Nach dem Choral "Lobe den Herren" hielt Pastor Thiemes die
Festansprache. Im Anschluß an seine zündenden Ausführungen weihte Pastor
Thiemes unter Würdigung der Persönlichkeit Scharnhorsts die Fahne des
Jugendbundes Scharnhorst mit dem Wunsche, daß die Träger der Fahne stets
in Treue und Glauben für Gott und Vaterland handeln möchten.
Nach einem durch durch eine Ehrenjungfrau gesprochenen Prolog beendete Musik und
Gesang des Deutschlandliedes den würdevollen Festakt. Daraufhin formierte sich der
Festzug und zog in mustergültiger Ordnung mit drei Kapellen und den 44 Fahnen durch
die Schloßstraße nach dem Marktplatze, wo er vor den Ehrengästen im Parademarsch
vorüberzog. Der schneidige Vorbeimarsch dauerte eine Viertelstunde und gewährte ein
glänzendes, herzerfrischendes Schauspiel. Nun ging es nach dem Schützenhausplatz, wo
sich der Festzug auflöste.
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Aufnahme 28.06.1925 Sammlung Fred Förster
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Der schöne Schützenhausgarten bot am Nachmittag ein buntbewegtes Bild.
Fast alle Gattungen der vaterländischen Verbände waren hier vertreten.
Die Jetschick-Hartmannsche Kapelle konzertierte in der üblichen, vortrefflichen
Weise, bis es zeit zum Einmarsch in die Stadt wurde. Dieser ging pünktlich
um 8 Uhr vonstatten denn es stand ja noch der große Festabend
im Gesellschaftshause bevor. Der Zug bewegte sich durch die Stadt
nach dem im prächtigsten Fahnen- und Girlandenschmuck prangenden Saal, der
bereits von einer großen Festgemeinde angefüllt war.
Und so weiter, und so weiter... Ich habe mir erlaubt, den Bericht des Senftenberger Anzeiger vom Juni
1925 stark einzukürzen und nur die mehr oder weniger relevanten Informationen herauszupicken. Insgeheim habe
ich die Hoffnung, daß irgendwann einmal mehr als diese drei Fotopostkarten bei mir auftauchen, die einen bildlichen
Eindruck von jenem Deutschen Tag 1925 in Senftenberg vermitteln. Und für diesen Fall hätte ich dann auch noch gerne
ein wenig textliches "Futter".
Bis es jedoch so weit ist, kann ich heute nur diese 3 Motive anbieten. Die beiden oberen stellen aus meiner Sicht den Marsch der
Verbände durch die Salzmarkt- und Kreuzstraße nach dem Platz vor dem Schloßhof dar. Auch wenn im Zeitungstext
von der Schloßstraße, die wir auf den Aufnahmen sehen, nicht explizit die Rede ist, können wir wohl sicher sein,
daß sich das Ganze auf dieser Route in Richtung Schloß bewegte. Vor letzterem angekommen - diese Szenerie sehen wir
auf der dritten Aufnahme. Wir können Pastor Thiemes, einige Ehrenjungfrauen und natürlich die Verbandsmitglieder sowie
Publikum vor dem Eingang zum Schloßhof erkennen.
Wie angedeutet, könnte ich mir vorstellen, daß damals eine große Anzahl von fotografischen Aufnahmen gemacht wurden -
ein übliches Prozedere bei solchen Massenumzügen. Leider sind mir jedoch bislang keine weiteren bildlichen Hinterlassenschaften
von diesem Großereignis zwischen die Finger geraten. Aber was nicht ist, das kann noch werden!
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