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Die drei Bestandteile des heutigen Fotopostkarten-Reigens haben eine Gemeinsamkeit. An den Standorten der darauf abgebildeten Gebäude befindet sich heute
jeweils ein Parkplatz! Bedeutet also, daß keines der Häuser heutzutage noch existiert. Und das machte die Verortung der Abbildungen ziemlich schwierig.
Doch dazu weiter unten ausführlich und der Reihe nach...
Aufnahme <= 1940 Sammlung Kathrin-Janette Bleisch
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Aufnahme <= 1925 Sammlung Matthias Gleisner
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G. Gramsch, Dresden-N., Böhmischestr. 37 Aufnahme <= 1920 Sammlung Matthias Gleisner
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Die Bestimmung der linken Ansicht verlief noch relativ schnell. Immerhin kann ich mich noch dunkel an die Existenz dieses Wohnhauses in der Briesker Straße erinnern.
Der Abriß der Immobilie zugunsten des LIDL-Parkplatzes ist rückblickend auch noch nicht so lange her. Unverständlich bleibt mir, warum man das Haus opferte. Immerhin stellte
sich das Gebäude bis zuletzt, zumindest in meiner Erinnerung, als ziemlich solide dar. Die Zeiten von Materialknappheit waren zu diesem Punkt ja auch schon ein paar
Jährchen her, so daß man meiner Meinung nach, das Wohnhaus hätte ruhig sanieren und bewahren können.
Die Fotografie selbst hat ein kleines Problem am rechten Rand. Da ist bei der Aufnahme oder dem Entwickeln etwas schief gelaufen doch der größere Teil des Motivs ist glücklicherweise
erhalten geblieben.
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Was die zeitliche Bestimmung angeht, ist diese aufgrund fehlender Informationen auf dem Stück selbst, von mir großzügig geschätzt. Die Schätzung basiert
im Wesentlichen auf der einzigen Vergleichsaufnahme, die wir bislang besitzen. Und auf der befinden sich an der Front des Hauses bereits Koniferen. Ich vermute aber,
daß wir uns eher in der Mitte der 1920er Jahre als in den 1930ern befinden.
War die Bestimmung dieses Fotos, vor allem auch dank der Vergleichsaufnahme, eine Sache von wenigen Minuten, sieht die Angelegenheit bei den beiden anderen
Stücken schon komplett anders aus!
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Das mittlere Stück - ein Wohnhaus, fotografiert spätestens 1925, Hausnummer 6, keine erhellenden Informationen im Kartentext... Vielleicht nicht einmal Senftenberg!
Wenn doch, dann würde ich derartige Häuser eher im inneren Kreis der Stadt vermuten, als irgendwo in den Außenbereichen. So einen Mast zur Führung der Freiluftverdrahtung
hatte ich schon einmal gesehen, und zwar am "Weißen Hirsch". Nur in der Badergasse, entlang der sich diese Freileitung von Haus zu Haus schwang, befindet sich heute kein
solches Haus.
Um es kurz zu machen: Ohne die rechts abgebildete Aufnahme aus den 1970ern hätte ich
die Fotopostkarte wahrscheinlich im Leben nicht verorten können.
Das Haus war 50 Jahre später zwar etwas schlichter in der Fassadengestaltung als
1925. Wahrscheinlich wurde da mehrmals übergeputzt, wobei die Simse und Absätze
um die Fenster verschwanden, aber einige signifikante Details stimmen mit der Postkartenabbildung
überein: Der rechts schräg weglaufende Grundriß, der auf der Postkarte anhand des
Daches zumindest erahnbar ist. Die Hofeinfahrt mit der mittig darüber angebrachten
Hausnummer und rechts daneben das, was ich für einen Anker zur Sicherung der Front
halte, bringen unzweifelhaft Gewissheit. Wir sehen die Töpferstraße 6!
Dies wird durch die weiteren Informationen aus der Vergleichsfotografie deutlich, denn
wir erkennen hier die Rückansicht der Kreuzstrasse, bei der sich gerade der Anbau, der
heute durch das Cafe Kreuztor benutzt wird, im Aufbau befindet.
Was die Beszimmung der rechten Postkarte betrifft... Das Ding schiebe ich schon einige Jahre
vor mir her. Was haben wir hier? Ein ganz gewöhnliches und schmuckloses Wohnhaus, wahrscheinlich
sehen wir aufgrund der üppigen Vegetation im Vorgarten die Südseite des Gebäudes. Das Original
wartet lediglich mit dem Vermerk Oma in Senftenberg Schulstraße auf. Der Schriftzug ist nicht
zeitgenössisch, da nicht in Sütterlin. Immerhin kennen wir den zuständigen Fotografen bereits
von anderen Produktionen aus dem Senftenberger Gebiet, womit wir das österreichische und tschechische
Senftenberg relativ sicher ausschließen können.
Nun ist die Senftenberger Schulstraße extrem schlecht dokumentiert. Wir haben eine einzige
Luftaufnahme zur Verfügung, auf der man wenigstens ansatzweise die Bebauung erkennen und auswerten
kann. Doch so recht passen wollte da eigentlich nichts. Mittlerweile bin ich mir jedoch ziemlich
sicher, daß das abgebildete Wohnhaus einst die Hausnummer 1 in der Schulstraße war.
Die Luftaufnahme aus den 1930ern ist bezüglich dieses Hauses nur bedingt tauglich. Vielmehr hat
mich ein Foto aus dem Jahr 1965 überzeugt, daß ich richtig liege, wenn auch noch ein kleiner
Anteil Unsicherheit dabei ist.
Auf der Farbaufnahme rechts sehen wir das Haus, von dem ich behaupte, daß es jenes auf der historischen
Fotopostkarte ist, aus Richtung Osten. Heutzutage verdeckt das Schloßpark-Center teilweise diese
Sichtachse.
Was lernen wir daraus?
Senftenberg hat sich in den letzten 50 bis 60 Jahren extrem verändert. Im Gefolge des DDR-Wohnungsbauprogramms
verschwand innerstädtisch sehr viel historische Bebauung. Materialmangel und fehlender Anreiz führten
an anderen Stellen zu fortschreitendem Verfall von Bausubstanz. Hier waren Häuser irgendwann nicht mehr zu
retten und fielen förmlich in sich zusammen. Man kann nun darüber wehklagen, daß das alles hätte nicht
sein müssen und die sozialistische Mangelwirtschaft, sowie der Wandel von Privat- zu Volkseigentum die
maßgeblichen Triebkräfte bei der Vernichtung der urspünglichen Bebauung waren. Doch das Rad der Historie läßt
sich nicht zurückdrehen. Ironie der Geschichte: Viele der in den 1980ern in die Gegend geklotzten
Neubauten, die damals Bestehendes platt machten, sind heute selbst schon wieder in die ewigen Jagdgründe eingegangen.
Leider, und das spricht eben auch nicht unbedingt für überbordenden Innovationsgeist in den Stuben der städtischen
Stadtplaner, werden die dabei entstehenden Brachen zumeist nur in Parkplätze umgewandelt. Und da hat sich dann in
Senftenberg seit den Bausünden der DDR-Zeit eben nicht allzu viel entwickelt.
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Sammlung Familie Wendt
Sammlung Familie Wendt
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Es benötigt keine Glaskugel um vorauszusagen, daß dieser Wechsel zwischen Abreissen und Aufbauen, zwar langsamer aber dennoch stetig, so weiter geht.
Aus Sicht der Heimatforschung ist es natürlich notwendig, diese Entwicklung adäquat zu dokumentieren, damit man nicht in 50 Jahren vor den gleichen
Problemen steht, wie ich sie zum Beispiel bei den drei heutigen Fotos hatte. Immerhin kann man sich durch die tägliche Reizüberflutung vieles schon
nicht mehr merken. Geht mir ja genauso. Es gibt zum Beispiel einige Häuser in Senftenberg, die noch vor gar nicht langer Zeit (weniger als minus 10 Jahre)
abgerissen wurden, und ich kann mich tatsächlich nicht mehr an deren genaues Aussehen erinnern...
Die Senftenberger Stadtverwaltung erkannte bereits Mitte der 1930er die Notwendigkeit zum Aufbau eines Bildarchivs zur Dokumentation der ständigen
Veränderungen im Stadtbild. Hierzu sollten sowohl Fotos von Straßenzügen und Gebäuden, wie auch vom Leben und Treiben in der Stadt angefertigt, zusammengetragen
und archiviert werden. 1939 besaß die Stadt Senftenberg bereits 50 Ordner voll mit derartigen Dokumenten. Diese sind heute größtenteils verschollen.
Lediglich zwei von ihnen plus einige lose umher fliegende Fragmente sind noch erhalten. Möglicherweise setzte man zu viel Augenmerk auf das (nationalsozialistische)
"Leben und Treiben" in der Stadt, weshalb man das Material 1945 schnell los werden wollte. Denkbar wäre auch, daß die Bilddokumente zu DDR-Zeiten "weggefunden"
oder gar vernichtet wurden. Geschichten über das Verheizen von Akten werden ja immer mal wieder kolportiert.
Und so wie man wohl mit den Hinterlassenschaften verfuhr, ging es meiner Erfahrung nach zu DDR-Zeiten munter weiter: Statt Fotos der Gegebenheiten vor dem Abriß anzufertigen,
verlegte man sich lieber darauf, die neuen Errungschaften gebührend zu feiern. Wenn überhaupt! Vieles dürfte nur noch in Form von Zeitungsberichten auf
der Lokalseite der Lausitzer Rundschau existieren. In der entsprechenden Qualität! Die Originalfilme sind sicher auch schon entsorgt worden.
Ich behaupte, daß die Senftenberger Stadtverwaltung seit der politischen Wende bis in die Jetztzeit ebenfalls keine übergroße Veranlassung darin sah und sieht, den
Gedanken eines Senftenberger Bildarchivs wieder aufzunehmen und mit Leben zu erfüllen. Wahrscheinlich schreckt man vor den Widrigkeiten und Hemmnissen zurück, die
Dr. Hans Pitschel 1939 in einem Beitrag über die Errichtung des Senftenberger Bildarchivs beschrieb:
Zunächst galt es in schon vorliegendes Bildmaterial Ordnung zu bringen. Das ist aber leichter gesagt als getan, denn es muß berücksichtigt werden, daß ein
Bildarchiv, soll es Wert haben, dauernd neue Bildreihen aufnehmen muß. Es ist wohl das Schwierigste, auf dem großen Gebiet "Ordnung" eine gewisse "Elastizität"
einzuschalten. Je gewissenhafter und tüchtiger ein Mensch ist, desto weiter unterteilt er das Gebiet der Ordnung und wie leicht geschieht es ihm, daß trotz aller
Erwägungen Schwierigkeiten für eine sachgemäße Einordnung entstehen. Dies liegt in der bunten Mannigfaltigkeit und in der unendlichen Fülle der Erscheinungen
des Lebens begründet. Zu leicht schafft man sich durch seine eigene Ordnung Grenzen, die man dann nicht ohne weiteres überschreiten kann.
Heute, 80 Jahre später, verfügen wir glücklicherweise jedoch über ausgeklügelte technische Hilfsmittel, die, sinnvoll eingesetzt, einen Großteil der Arbeit abnehmen
und ein skalierbares System zur Verfügung stellen. Allein der Wille scheint bei den Institutionen, die ich in der Pflicht sehe, schlichtweg nicht vorhanden zu sein. Und
so bleibt es Privatpersonen überlassen, diese Aufgaben so gut es eben geht, wahrzunehmen. Vielleicht aus diesem Grunde konnte man unlängst lesen, daß der Senftenberger
Verein für Heimatpflege in seinem Arbeitsplan für 2018 den Anbeginn des Aufbaus einer stadtgeschichtlichen Fotothek, die vor allem die historischen
Veränderungen des Stadtbildes dokumentieren soll als Schwerpunkt verankert hat. Viel Erfolg dabei!
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