22.07.2018
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Wann immer in der Vergangenheit auf diesen Seiten von der Stadtgrube im Norden Senftenbergs
die Rede war, wurde dies mit Aufnahmen wie der rechten illustriert: Der Bagger Nr.1 der Halleschen
Pfännerschaft, dem Betreiber dieses Tagebaus, bei der Arbeit. Dazu ein E-Lok-getriebener Abraumzug
in Wartestellung.
Derartige Ansichten kennen wir auch aus den Gruben der anderen Unternehmen, die rings um unsere Stadt
Braunkohle im großen Stil förderten. Vielleicht nicht mit dem selben Baggertyp, aber grundsätzlich
das gleiche Bild.
Bis zur erfolgreichen Einführung von Abraumförderbrücken oder Schaufelradbaggern war die Technologie
eines Braunkohlentagebaus für einen längeren Zeitraum quasi gesetzt und es gab zwischen den einzelnen
Bergbaubetrieben in unserer Gegend nur marginale Unterschiede den verwendeten Fuhrpark betreffend.
Aber es gab auch einige Ausnahmen. Und die betreffen sogar die oben genannte Hallesche Pfännerschaft!
Das Unternehmen setzte nach meinen Erkenntnissen als einzige ringsherum eine Zahnradlokomotive
in ihrer Grube ein.
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Aufnahme <= 19?? Archiv der Stadt Senftenberg
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So richtig aufmerksam auf diesen Umstand wurde ich durch Ausführungen in dem Buch meines Kollegen Andreas Schild "Die Geschichte der Eisenbahn im
Braunkohlenrevier der Lausitz". Dieses Werk liegt mittlerweile in der dritten überarbeiteten Ausgabe und unter dem neuen Titel "135 Jahre Zugförderung im Braunkohlenrevier der Lausitz" vor
und sei jedem, der ein wenig an der wirtschaftlich-technischen Historie unseres Reviers interessiert ist, wärmstens empfohlen.
Bezüglich der Hintergrundinformationen zu dem für die Lausitz eher exotischen Einsatz einer Zahnradbahn stützt sich der Autor im Wesentlichen auf das Klein'sche "Handbuch für den Braunkohlenbergbau",
welches wiederum (in der 1935er Ausgabe) hinsichtlich der gesamten Thematik rund um den damaligen Technikstand im deutschen Braunkohlenbergbau ganz oben in meiner Referenzliste steht.
Doch genug der Literaturempfehlungen. Widmen wir uns lieber den technischen Details...
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Das oben erwähnte "Handbuch für den Braunkohlenbergbau", das dieselbe Fotografie
wie die rechts gezeigte Ansichtskarte verwendet, untertitelt das Ganze mit...
Zweiachsige reine Zahnradlokomotive mit zwei Triebzahnräder und zwei fremdbelüfteten
Reihenschlußmotoren für 1100 V Gleichstrom (Motorenstundenleistung 250 PS; Dienstgewicht 20,5 t)
bei der Bergfahrt mit fünf 15t-Wagen auf Grube Friedrich Ernst der Halleschen Pfännerschaft bei
Senftenberg (N.-L-). Ausführung der Lokomotive A. Borsig und Siemens-Schuckertwerke.
... und reduziert damit das Fassungsvermögen der Wagen um ¼ im Gegensatz zum Text auf
der Ansichtskarte. Sei's drum!
Zwei Exemplare der hier abgebildeten Lokomotive wurden Ende 1928/Anfang 1929 von den Siemens-Schuckert-Werken geliefert
und kamen danach im "Stadtfeld" der Grube Friedrich Ernst zum Einsatz.
Baugleiches Exemplar (Rückansicht)
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Die Motivation zum Einsatz von Zahradbahnen wird durch folgende
kurze Passage aus einem Artikel im "Niederlausitzer Braunkohlenbergmann"
(1930) ganz gut umrissen:
Da die Großraumförderung im wesentlichen durch Adhäsionsbahnen
geschieht, hat man lange, allmählich steigende Bahnstrecken
anzulegen, zuweilen mit Rückstoßweichen und vielen Kurven.
Dort wo die Überwindung größerer Höhenunterschiede durch
Reibungsbahnen Schwierigkeiten bot, bedingt der Übergang
zur Großraumförderung den Einbau von Schrägaufzügen oder
den Übergang zur Zahnradbahn.
Der Vorteil bei der Verwendung einer Zahnradbahn liegt also
darin, daß größere Höhenunterschiede über kürzere Strecken
überwunden werden können, als mit einer reinen Reibungsbahn.
Das zu transportierende Material kann somit schneller und
auf kürzerem Weg aus der Grube befördert werden. Es werden
weniger lange Rampen benötigt, Kosten für die Gleisanlagen
und die für ihre Errichtung notwendigen Erdbewegungen können
minimiert werden.
Vor Einführung von Zahnradbahnen setzte man massiv auf Kettenbahnen,
mit denen ebenfalls sehr steile Steigungen realisiert werden
konnten. Gegenüber Kettenbahnen hatten Zahnradbahnen den
Vorteil, daß man die Strecken vergleichsweise schnell umbauen
konnte, da zum Beispiel keine starken Fundamente notwendig
waren. Auch bezüglich der Störanfälligkeit war die Zahnradbahn
deutlich vorteilhafter. Wenn eine Kettenbahn stand, dann stand
sie vollständig, während man für defekte Zahnradlokomotiven
(theoretisch) schnell Ersatz stellen konnte.
Bezüglich der Technologie der Zahnradbahnen gab es einen
wesentlichen Unterschied, der sich auf die Bauweise der Lokomotiven
auswirkte bzw. durch diese bedingt wurde.
Es gab zum Einen kombinierte Lokomotiven, die neben der
Motorkraft auf die Triebzahnräder zusätzlich/wahlweise Kraft
auf die normalen Reibungsräder ausübten. Zum Anderen gab es
reine Zahnradlokomotiven, die ausschliesslich über die
Zahnräder fortbewegt wurden. Obwohl die kombinierte Variante
theoretisch Vorteile versprach, da man nur auf Streckenabschnitten
mit extremer Steigung, Zahnstangen verbauen musste und auf Abschnitten
mit normaler Steigung auf den Reibungsantrieb schalten konnte,
setzte sich dieses Prinzip im Braunkohlenbergbau nicht durch. Entweder
weil man ohnehin nur sehr steile Strecken befuhr oder weil der
Wechsel von Normal- auf Zahnradbetrieb in der Praxis doch nicht
ganz so unproblematisch ablief.
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Kunstverlag Reinhard Rothe, Meissen. R3426 Echte Photographie Nr. 1683 Aufnahme <= 1935 Sammlung Andreas Schild
Hallesche Pfännerschaft, Werksdirektion Senftenberg
Elektrische Roh-Kohlenförderung aus dem Tagebau nach der
Brikettfabrik in 20t Großraumwagen
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System "Strub"
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Jedenfalls setze man auch in Senftenberg auf das Prinzip der reinen Zahnradlokomotive, die natürlich nichts ohne ihren Gegenpart, die
mittig zwischen den beiden Schienen verbaute Zahnstange, ist. Auf "Friedrich Ernst" kam das System Strub, so benannt nach seinem Erfinder
Emil Viktor Strub, zum Einsatz. Die Bauform dieser Zahnstangen ist für besonders hohe Zahndrücke ausgelegt. Wir sehen auf der Ansichtskarte
links vor der Lokomotive ein Stück der Zahnstange.
Mit ihrer Hilfe war es der Lokomotive möglich, eine maximale Geschwindigkeit von 4,5 km/h zu erreichen.
Die theoretische größtmögliche Steigung, die eine solche Zahnradbahn bewältigen konnte, wurde mit 1 : 9 angegeben. In der Praxis wurden
jedoch nur Steigungen von 1 : 20 bis 1 : 10 angewandt. Adhäsionsbahnen schafften in der Regel keine derartigen Steigungen, zumal Nässe und
Verschmutzung der Gleise, mit denen man im Tagebau immer rechnen muß, erschwerend wirken.
Auf "Friedrich Ernst" überwand man mit Hilfe dieser Zahnradbahn zwischen Förder- und Ackersohle einen Höhenunterschied von rund 40 Metern
auf einer Strecke von nur 600 Metern. Bei der Steigung von 1 : 15 und Zuglänge von 6 - 7 Förderwagen von 20 m³ Kohleninhalt war der
Verschleiß an Zahnstangen und beweglichem Material sehr gering.
Und damit verlasse ich die Grube "Friedrich Ernst" um mit einem Fernblick auf die Brikettfabrik "Friedrich Ernst" anzukündigen,
daß uns die Hallesche Pfännerschaft in zwei Wochen nochmals beschäftigen wird....
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