Der Name Wilhelm Petsch ist den meisten Senftenbergern nur im Zusammenhang
mit dem Passage-Kino ein Begriff. Daß Petsch parallel hierzu auch noch eine
Autowerkstatt mit angeschlossenem Vertrieb von Kraftfahrzeugen jeglicher Art und
unterschiedlichster Marken unterhielt, ist vielen nicht sonderlich bekannt. Das mag
daran liegen, daß beide Gewerbe so irgendwie überhaupt nichts miteinander zu tun
haben.
In früheren Jahren gab es halt mehr Kinogänger als Autofahrer. Heute ist das eher
umgekehrt. Ich kann mich lebhafter an meinen letzten Werkstattbesuch erinnern, als
an den letzten Film, den ich in irgendeinem Kino angeschaut habe.
Im September 1925 gab Wilhelm Petsch den geehrten Herren Auto- und Motorrad-Besitzern von
Senftenberg und Umgegend mittels rechts abgebildeten Inserat im Senftenberger
Anzeiger bekannt, daß nunmehr das zweite geschäftliche Standbein im wahrsten Sinne
des Wortes "Fahrt aufnimmt".
Während die Reparatur von Kraftfahrzeugen und das Vorführen der neuesten Produktionen
aus den UFA-Filmstudios in der Sache wenig bis keine Berührungspunkte haben, so kann
man im vorliegenden Fall wenigstens von einem räumlichen Zusammenhang sprechen.
Besagte Autowerkstatt wurde nämlich direkt hinter dem Passage-Kino errichtet und passenderweise
kann ich sogar eine fotografische Aufnahme präsentieren, die in der Bauphase angefertigt
wurde. Wann genau das Bild entstand ist derzeit nicht ganz sicher. Ich gehe jedoch stark
davon aus, daß die Anzeige rechts unmittelbar mit dem hier abgebildeten Bau zu tun hat,
womit gleichzeitig der mögliche Zeitraum gedeckelt wäre.
Aufnahme <= 1925 Sammlung Stefan Petsch Jensen
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Senftenberger Anzeiger (1925)
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Wie sich das Ganze nach Fertigstellung des Baus, den wir übrigens auch noch anno 2015 in fast unverändertem Außenzustand und wieder unter dem
Namen Petsch bewundern können, darstellte, hierüber verschaffen uns die beiden nachfolgenden Fotografien einen kleinen Eindruck. Sowohl von innen
wie auch von außen.
Aufnahme <= 19?? Sammlung Stefan Petsch Jensen
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Aufnahme <= 19?? Sammlung Stefan Petsch Jensen
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Während der genaue Zeitpunkt der beiden obigen Fotografien etwas vage ist, können die nachfolgenden drei Exemplare ganz gut datiert werden.
Wir können auf ihnen nämlich erkennen, wie das Areal vor Baubeginn aussah. Gleichzeitig gelingt uns hiermit eine bessere örtliche Einordnung im Bezug
auf das Gesamtensemble. Speziell die linke Abbildung zeigt, daß sich dort wo später der Hallenbau errichtet wurde, zuvor Gartenland befand. Das Gebäude im
Zentrum der Fotografie, eine einzelne Garage, wurde später in den Gesamtkomplex integriert. Die Außenaufnahme darüber zeigt an ihrem rechten Rand genau
dieses Garage. Diesmal natürlich aus der entgegengesetzten Richtung. Die mittlere Abbildung zeigt das Garagengebäude aus kürzerer Distanz, während wir
auf dem rechten Bild dasjenige Haus erkennen, welches sich wiederum hinter der Garage (in Richtung Kino) befand und immer noch befindet. Die linke Fotografie
zeigt das Wohnhaus ebenfalls, jedoch in sehr weiter Entfernung. Dafür kann man hier besser den räumlichen Bezug der beiden Gebäude erkennen.
Aufnahme <= 1925 Sammlung Stefan Petsch Jensen
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Aufnahme <= 1925 Sammlung Stefan Petsch Jensen
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Aufnahme <= 1924 Sammlung Wilhelm Petsch
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Besonders die rechte Aufnahme gibt ganz gut wieder, wie das gesamte Grundstück aufgebaut war. Man kann erkennen, daß auf das Wohnhaus eine kleine Lücke mit
einem Tor folgte. Daran schloß sich das Passage-Kino an. Wir können hier die Rückwand sehen, also dort wo sich im Inneren die Leinwand befand. Ganz am Ende
des gepflasterten Wegs sehen wir die kleine Passage, die auf die Kaiser-Friedrich-Strasse hinausführte und dem Kino seinen Namen gab.
Aufnahme <= 19?? Sammlung Stefan Petsch Jensen
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Den Vordereingang des Kinos sehen wir auf der nachfolgenden, ja wie soll man das nennen?, "Visitenkarte in groß". Diese wurde aus drei einzelnen Fotografien
zusammengebastelt, von denen zwei (die beiden linken) in meinem digitalen Besitz sind. Die Aufnahmen wurden in der Einbuchtung in Höhe der kleinen Einzelgarage
gemacht. Wir sehen im Hintergrund wiederum das Wohnhaus und den Weg bis vor zur Passage. Diesmal jedoch zu einem späteren Zeitpunkt, denn die Obstbäume im
verbliebenen Garten sind schon etwas gewachsen und auch der Dixi kam erst ca. 1927 auf den Markt... Der stramme Motorradfahrer ist übrigens Walter Petsch,
während wir am Steuer des Dixi Wilhelm Petsch sehen. Witzig ist, daß die Originalfotografie den Dixi-Schriftzug auf der Motorhaube nicht enthält.
Die Beschriftung muß also bei der Zusammenstellung dieser Werbekarte künstlich hinzugefügt worden sein. Und dies sicher auch bei der dritten Aufnahme - selbes
Fahrzeug, diesmal eine Fahrerin.
Hierbei handelt es sich um diejenige Aufnahme, die im Hintergrund den Eingang zum Kino zeigt. Da der Innenhof jetzt nicht so wahnsinnig groß war, muß der Dixi
einen ziemlich kleinen Wendekreis gehabt haben, oder man hat "Wenden in 3 Zügen" geübt.

Übrigens: den dritten im Bunde, Herbert Petsch, sehen wir auf der Außenaufnahme ganz oben am Steuer eines Opel.
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