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23.12.2018
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Ich weiß ja nicht, welche Erfahrungen die Leser im einzelnen gemacht haben. Zu meiner Kinderzeit jedenfalls war die Vorweihnachtszeit durch einen Adventskalender geprägt. Manchmal hatte ich auch bei Oma einen zweiten hängen. In den ersten Jahren dominierten hier die ganz normalen papiernen Exemplare. Mit denen lockt man heute kein Kind mehr hinter dem Ofen vor. Irgendwann traten dann die mit Schokolade befüllten Versionen in mein Leben. Keine Ahnung, ob die "von drüben" waren, oder ob die DDR-Mangelwirtschaft schlussendlich auf den Zug aufgesprungen war. Während ich bei den einfachen Kalendern gut und gerne den jeweils geöffneten Türflügel abtrennen durfte, war mir dies bei den befüllten Stücken strengstens untersagt! Der Grund?
Meine Eltern wollten nämlich angesichts der Unsicherheit im nächsten Jahr wieder so ein begehrtes Teil besorgen zu können, notfalls die einzelnen Fächer selbst wiederbefüllen. Türchen zugedrückt und fertig war der Adventskalender für die neue Saison. Wenn das Stück tatsächlich made in west-germany war, machte das ja auch optisch viel mehr her, als das spartanische DDR-Pendant. Daß im Innern dann mehrheitlich Produkte vom VEB Süßwaren Delitzsch verbaut waren, fiel dann nicht mehr ins Gewicht. Das Auge isst eben mit.

Aber unabhängig ob Ost- oder Westdeutschland, damals oder heute, Adventskalender müssen einfach gemalt sein. Etwas anderes kommt überhaupt nicht in die Tüte! Nichts vermittelt eine solche heimelige Vorweihnachtsstimmung wie in den schönsten Farben gemalte Wintermotive, Weihnachtsbäume, Sterne, Rentiere, der Alte mit dem Sack, Puppe und Schaukelpferd, Plätzchen und Pfefferkuchen, Kinder mit glänzenden Augen in Erwartung der Bescherung. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Selbst wenn hier und da ein echtes Foto die Grundlage bildet, so wird dieses in der Regel digital oder analog in eine Zeichnung verwandelt. Realismus ist nicht unbedingt angesagt, wenn es um Weihnachten geht.

Auch die eine oder andere historische Senftenberger Ansichtskarte spiegelt einen solchen Transformationsprozess wider. Dabei wurden bekannte fotografische Aufnahmen einer künstlerischen Neuinterpretation unterzogen. Bei den beiden nachfolgenden Stücken verlegte man sich auf die Technik der Radierung. Der Künstler ist nicht bekannt, wohl aber die zugrundeliegenden Ansichten. Bis auf ein paar Details orientieren sich die Radierungen sehr dicht am Original.

Senftenberg
Original-Radierung Handabzug
Aufnahme <= 1914
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberg Senftenberg
Senftenberg
Original-Radierung Handabzug
Aufnahme <= 1926
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberg

Wann genau die Produktionen dem zahlenden Publikum angedient wurden ist derzeit nicht ganz klar. Sicher ist jedoch, daß es mindestens ein weiteres Motiv gab: eine Ansicht vom Senftenberger Markt in Richtung Deutsche Kirche. Ein Original davon suche ich noch.

Um auf den Ausgangspunkt zurückzukehren... ich erinnere mich, daß das Türchen für den 24. Dezember an den papiernen Adventskalendern meist (oder immer) größer war als die restlichen 23. Manchmal sogar zweiflüglig! Klappte man die Flügel zurück, dann kam in meiner Erinnerung meist ein schön geschmückter Weihnachtsbaum zum Vorschein. Das war dann das Highlight und machte auch dem letzten Kind klar, daß es nun wohl langsam ernst wird und man lieber noch einmal ein paar Weihnachtsgedichte und -lieder rekapitulieren sollte. Ansonsten könnte der Besuch des Weihnachtsmannes nämlich eskalieren.

Apropos Weihnachtsmann. Ich schlüpfe heute mal in dessen Rolle und hole aus meinem Sack eine Überraschung für die Senftenberger hervor. Etwas, das bis auf eine Handvoll Leute bislang noch niemand hier gesehen haben dürfte und das zudem auch mal so richtig alt ist. 231 Jahre alt, um genau zu sein. Es handelt sich um eine farbige Zeichnung aus dem Jahr 1787. Ausgeführt von einem Künstler, den ich vor einigen Monaten schon einmal ins Spiel brachte: Johann Gottfried Schultz.


Ich attestierte Schultz damals schon Defizite hinsichtlich von Proportionen und ich denke jeder sieht, was ich meine... Das Pulvertürmchen auf dem Schloßwall ist definitiv zu groß geraten. Sei's drum! Wir haben hier so ziemlich die einzige Darstellung Senftenbergs aus dem 18. Jahrhundert. Schultz fertigte im selben Jahr auch noch Außenansichten der Deutschen Kirche an, sowie Detailzeichnungen aus deren Inneren. Aber das war es dann auch. Mir sind keine weiteren bildlichen Überlieferungen aus diesem Jahrhundert für Senftenberg bekannt.
Man möge es mir nachsehen, daß ich die Zeichnung durch einen Schriftzug mehr oder weniger geschützt habe. Und das, obwohl die mir zur Verfügung stehende Vorlage qualitativ weit unter meinen sonstigen Arbeitsgrundlagen rangiert.
Ich habe meine Gründe dafür.
Tatsache ist, daß ich derzeitig nur über ein Digitalfoto von einer Seite aus einem der Schultz'schen Tagebücher verfüge aus der ich die für mich wichtige Grafik extrahiert und digital etwas optimiert habe.
Einen Eindruck von meiner Vorlage erhält man rechts.
Wir erkennen, daß die Senftenberger Ansicht nicht die einzige auf dieser Seite ist, sondern daß auch Motive aus Spremberg (oben) und Hoyerswerda (mittig) enthalten sind.
Aufgrund der Bildunterschriften lässt sich schlußfolgern, daß Schultz wohl Hoyerswerda und Senftenberg an einem Tag "abgearbeitet" hatte, nämlich am 22. August 1787. Dieses Datum findet auch Erwähnung bezüglich der Ansichten von der Deutschen Kirche, die ich weiter oben erwähnte.
Ich gehe übrigens davon aus, daß die farbige Zeichnung erst "daheim", also nach dem 22. August und nicht "vor Ort" ausgeführt wurde. Wahrscheinlich wurde in Senftenberg eine mehr oder weniger ausgearbeitete Skizze angefertigt, die im Nachhinein "ausgemalt" wurde.

Leider werde ich wohl auf absehbare Zeit keine bessere Kopie des Originals erhalten. Es ist technisch auch etwas anspruchsvoll und wäre, wenn man es richtig machen wollte, mit einem Auseinandernehmen des kompletten Buches verbunden. Und das ist wohl ein bisschen viel verlangt.
Alternativ könnte noch ein Overhead-Scanner zum Einsatz kommen aber ich befürchte, ich habe die Mitarbeiter des Kulturhistorischen Museums Görlitz schon über Gebühr beansprucht und ich bin mir auch nicht sicher, ob dort ein solches Gerät zur Verfügung stünde.

Insofern sollten wir vorerst dankbar sein, überhaupt Kenntnis von dieser Zeichnung zu haben und sogar eine halbwegs vernünftige Version zu besitzen.

Mir bleibt an dieser Stelle jetzt nur noch die Aufgabe, allen Freunden und Helfern von www.gruss-aus-senftenberg.de ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest zu wünschen. Schön wäre es, wenn sich einige Leute mal aufraffen könnten, mir ihre Unterstützung angedeihen zu lassen, denn es gibt noch viel zu tun (und auch Potential) in Sachen Aufarbeitung der Senftenberger Bildhistorie. Das wäre mein Weihnachtswunsch, doch den schleppe ich auch schon ein paar Jahre mit mir rum...

Wir sehen uns nach den Feiertagen wieder!