|
Ein Gebäude, welches für meine Thematik von einiger Bedeutung ist - Senftenberg, Promenade 2.
Hier "residierten" in Folge drei Fotografen, die für einen signifikanten Anteil derjenigen Abbildungen
verantwortlich sind, die ich hier so Woche für Woche vorstelle...
Daß auf zweien der heute präsentierten Ansichtskarten die Bezeichnung "Wiesenstraße" auftaucht, soll uns
nicht weiter stören. Mir geht es explizit um das Haus, welches derzeit eine Arztpraxis und das Büro eines
Pflegedienstes beherbergt. Zu DDR-Zeiten war in einem Teil des Gebäudes ein Schuster ansässig. Aber auch
das soll uns hier und heute nicht interessieren... wie gehabt geht es um die Zeit bis 1945.
Auf allen vier Exemplaren kann man, zumeist nur angeschnitten, besagtes Haus erkennen. Wie bereits angedeutet,
war die Promenade Nr.2, zeitweilig auch Ost- oder gar Adolf-Hitler-Promenade Nr.2, über viele Jahre Sitz von
Fotografen, die sich auch auf dem Feld der Ansichtskarten versuchten. Mit mehr oder weniger großem Erfolg.
Bekanntester Name ist natürlich Hermann Meyer. Dessen Firma bestand seit 1881, worauf man auch permanent
hinwies. Neben seiner Tätigkeit aus "Haus-und-Hoffotograf" der Senftenberger, wurden unter seinem Namen
auch eine ganze Reihe von Ansichtskarten verlegt.
Senftenberger Anzeiger (1882)
|
Verlag G.R. Ziethe, Senftenberg 9631 Aufnahme <= 1917 Sammlung Fred Förster
|
Nach 30 Jahren zog Hermann Meyer Mitte 1910 aus Senftenberg fort. Sein Nachfolger wurde Rudolf Käding, der
nicht nur fotografisch in die Fußstapfen Meyers trat, sondern auch gleich das Haus übernahm. Fortan prangte
über dem kleinen Portal der Schriftzug Herm Meyer Nachf. Inh. Rudolf Käding. So zu sehen auf der ersten
Ansichtskarte für heute.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang finde ich, daß sich jeweils der Nachfolger auf seinen Vorgänger, bzw.
dessen "guten Ruf" bezog und jeweils dessen Namen in der eigenen Reklame führte. So geschehen für viele Jahre
bei Meyer ⇒ Käding, bevor letzterer dazu überging, den Verweis auf Meyer zu tilgen, was man auf der
zweiten Ansichtskarte vom Beginn der 1930er erkennen kann.
|
Postkartenverlag Kurt Bellach, Guben N.-L. Nr. 30034 Aufnahme <= 1931 Sammlung Matthias Gleisner
|
In jenen 30ern, als man sich im Zuge der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten
verstärkt der Traditionspflege und Glorifizierung der arbeitenden Bevölkerung (wer glaubt,
daß der Ausdruck "Ernteschlacht" eine Erfindung der Kommunisten ist, der irrt) zuwandte,
wurden natürlich auch sämtliche Handwerksberufe in das Licht der Öffentlichkeit gezerrt.
Dabei vergaß man auch die Fotografen nicht. Der Senftenberger Anzeiger im Jahre 1933:
Schwarzarbeit durch Photographieren
Das Photographenhandwerk ist seit Jahren einer der notleidendsten Berufe, obgleich kein Gebiet der
Wirtschaft, der Kultur und der Politik die Photographie entbehren kann. Der Grund dieses Berufselends
liegt in der Gedankenlosigkeit der großen Masse, aber auch ganz besonders in der Gedankenlosigkeit so
vieler Photoamateure.
Schön ist der Photosport, aber er muß Sport bleiben, den man aus Liebhaberei und Freude ausübt. Wenn
aber Amateure ihre ganzen Verwandten und Freunde photographieren und ihnen eine Anzahl Bilder liefern,
einerlei, ob gegen Entgelt, unentgeltlich oder gegen Erstattung der Auslagen, so verrichten sie damit
Schwarzarbeit, sind also Schädlinge der Wirtschaft, denn sie nehmen den Angehörigen des Photographenberufs
das Brot weg. Durch diese gedankenlose Schwarzarbeit ist nicht nur der überwiegende Teil der selbständigen
Berufsphotographen völlig verarmt, sondern sind auch mehr als 20000 Photographengehilfen brotlos
geworden. Vielfach wird auch bewußt aus der Amateurtätigkeit ein ständiger Nebenerwerb. Gegen alle die
Wirtschaft schädigenden Amateure vorzugehen, gibt jetzt die Verordnung über die Bekämpfung der
Schwarzarbeit die Möglichkeit, und werden entsprechende Anzeigen der Berufsorganisationen erstattet.
Wirkliche Amateure, die eine Schädigung der Wirtschaft nicht beabsichtigen, werden es deshalb für ihre
Pflicht halten, das Entwickeln ihrer Filme und Platten sowie das Kopieren derselben einem tüchtigen
Fachphotographen zu überlassen, um diesem gelernten Fachmann Verdienst zukommen zu lassen.
Ein weiterer Grund des wirtschaftlichen Niederganges des Photographenberufs ist die Vornahme photographischer
Abklatsche durch Automaten. Es ist bedauerlich, daß die Bevölkerung sich mit derartigen maschinellen
Massenschunderzeugnissen begnügt, anstatt gerade für das Bild, das doch die eigene Person repräsentieren
soll, auf möglichst beste Qualitätsarbeit zu sehen. Man möge dessen eingedenk sein: Wer eine
minderwertige Photographie von seiner Person herstellen läßt und diese auch noch verschenkt, setzt selbst
das Ansehen seiner Person herab. Wenn die Erkenntnis von der Richtigkeit unserer Ausführungen in die
entsprechenden Kreise gedrungen ist, wird auch das Photographenhandwerk wieder Brot haben. Darum helfe jeder
auch hier am Aufbau der Wirtschaft in unserem geliebten Deutschland.
|
Senftenberger Anzeiger (1933)
|
Rudolf Käding starb 58-jährig im Februar 1935 an einem Herzschlag. Ob er sich den Niedergang seines Gewerbes,
so wie oben angeprangert, derart zu Herzen genommen hatte? Wir wissen es nicht.
Seine Witwe versuchte noch ein gutes Jahr den Betrieb im Sinne ihres verstorbenen Gatten weiterzuführen. Am
1. April erfolgte jedoch die Geschäftsübergabe an den Dritten im Bunde: Wilhelm Theinert, was uns in die
Zeit des rechts abgebildeten Fotos bringt. Auch Theinert führte in guter alter Tradition seinen Namen nur an
zweiter Stelle auf dem Eingangsschild. So wie es jahrelang Käding gehalten hatte.
Senftenberger Anzeiger (1936)
|
Aufnahme <= 19?? Museen OSL
|
Und damit kommen wir zu Motiv Nummer 4. Auf dem Schild steht nunmehr Theinert an erster Stelle, Käding wurde
jedoch nicht völlig vergessen. Zu dieser Ansichtskarte muss ich noch folgendes loswerden:
Normalerweise hätte ich das Stück überhaupt nicht vorstellen dürfen, denn es handelt sich nicht nur um eine
Nachkriegsproduktion, nein auch die Aufnahme selbst kann frühestens Anfang 1949 gemacht worden sein.
Da das Bild aber thematisch gut passt und ich mir vorstellen kann, daß irgendwann der Tag kommen wird, an dem
ich meine Beschränkung auf "bis 1945" etwas ausdehnen werde, halte ich das Ganze eigentlich für keinen Beinbruch.
Die Ansichtskarte wurde von der Buchhandlung Karich herausgegeben und ist Bestandteil einer Serie von mindestens
sechs Motiven. Ich habe ganz zu Anfang von www.gruss-aus-senftenberg.de bereits ein Teil daraus vorgestellt. Damals
war mir jedoch nicht bewußt, daß es eine Nachkriegsaufnahme ist. Hier kann man besagtes
Motiv sehen.
Woran sieht man nun, daß die Aufnahme nach 1945 angefertigt wurde? Das Straßenschild! Ich gebe zu, man erkennt es
erst, wenn man weiß wonach man suchen muß. Ansonsten ist der Schriftzug "Joachim-Gottschalk-Straße" mehr zu erahnen,
als tatsächlich zu entziffern. Wie man dem Senftenberger Anzeiger im Dezember 1948 entnehmen kann, wurde
die frühere Wiesenstraße aus Anlaß des "Tages der VVN" (2. Sonntag im September) gemeinsam mit weiteren Senftenberger
Straßen "nach Namen von Widerstandskämpfern" umbenannt. Konkret wurden folgende Umbenennungen durchgeführt:
- Gartenstraße in Rudolf-Breitscheid-Straße
- Weststraße in Felix-Spiro-Straße
- Annastraße in Reyersbachstraße
- Kriegerheimstraße in Radojewskistraße
- Schreberstraße in Kernekestraße
- Cäzilienstraße in Marianne-Seidel-Straße
- Schlesische Straße in Geschwister-Scholl-Straße
- Wiesenstraße in Joachim-Gottschalk-Strasse
Die verfänglicheren Straßennamen wie "Adolf-Hitler-Promenade", "Bismarck-Straße" und "Kaiser-Friedrich-Straße" waren
schon viel eher in "Ostpromenade", "August-Bebel-Straße" und "Ernst-Thälmann-Straße" umbenannt worden. Was mir noch
Kopfzerbrechen bereitet, ist die Tatsache, daß Theinert in einem Branchen-Adressbuch aus dem Jahr 1947 nicht auftaucht.
Unter "Foto-Ateliers" werden lediglich Exner, Kachel, Weißgärber und Wenzel gelistet.
|
M.Karich, Buchhandlung, Senftenberg 9005 (M 306) 10212 Z 8437 Nr. 11274 Aufnahme <= 19?? Sammlung Wilfried Schmidt
|
|