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19.04.2020
10 Kommentare

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Gruß vom Senftenberger Bahnhof. Und falls sich jemand wundert: Von der Version 1.0.

Die Titelgrafik ist interessanter als man auf den ersten Blick glauben mag. Ich habe keine Ahnung woher die Abbildung stammt. Mir wurde von Norbert Jurk ein Scan zur Verfügung gestellt, der auch in seinem empfehlenswerten Buch "Senftenberger Eisenbahngeschichte(n)" aus dem Jahr 2016 zu sehen ist. Woher Norbert das Foto bekam, entzieht sich gerade meiner Kenntnis. Es könnte aus dem Dunstkreis von Werner Forkert stammen und da stehen wir bezüglich Quellenangaben in der Regel ziemlich im Regen. Sicher scheint mir zu sein, daß es sich um eine (möglicherweise mehrfach) abfotografierte Darstellung des Bahnhofsgebäudes handelt. Aber was war das Original? Eine der herkömmlichen Ansichtskarten kann es nicht gewesen sein. Die Lithografien jener Zeit stellten Gebäude und Menschen niemals so detailliert dar. Der Mauerfries zwischen Parterre und 1. Geschoß ist definitiv zu exakt, als daß hier keine Fotografie mitgespielt haben könnte. Andere Details wiederum sind eher gemalt oder wenigstens nachgemalt. Alles sehr mysteriös!
Warum zerbreche ich mir darüber so den Kopf? So wie es scheint, sehen wir oben die bislang früheste bekannte Darstellung des alten Senftenberger Bahnhofsgebäudes überhaupt! Und zwar muß diese den Bau vor 1890 zeigen, denn auf der Zeichnung von Zschille, die Ende 1890 im Rahmen eines großformatigen Schmuckblattes veröffentlicht wurde, befindet sich an Stelle des mittleren oberen Fensters bereits eine Bahnhofsuhr. Ich würde schon ganz gerne genauer wissen, in welches Jahr man die Ansicht einordnen kann. Immerhin stehen 20 Jahre zwischen 1870, der Errichtung des Gebäudes, und 1890, der Zschille-Zeichnung, zur Auswahl.

Bevor ich es vergesse... ich habe die Vorlage nicht nur etwas optimiert (Schärfe, Entfernen von Reflexionen), nein ich habe mich erstmals selbst an die nachträgliche Colorierung einer schwarz-weiß-Aufnahme gewagt! Und ich finde, daß mir das für den allerersten Versuch gar nicht mal so schlecht gelungen ist.

Okay, es ist vielleicht nicht so gut gelungen, wie es die "alten Meister" in der Blütezeit der Ansichtskarten bewerkstelligten, aber auch bei denen war nicht alles perfekt, wie man vielleicht am rechts dargestellten Stück sehen kann...
Wir haben es hier mit der Originalversion des Magdeburger Verlags Reinicke & Rubin zu tun. Eine Reihe von deren (Senftenberg-)Produktionen wurden durch die Graphische Verlagsanstalt in Breslau nachverlegt. Eine solche Produktion sehen wir darunter abgebildet. Man erkennt deutlich den Qualitätsunterschied. Sowohl in der Colorierung als auch in der Detail-Schärfe des Grundmotivs. Aus diesen Gründen ist den Reinicke & Rubin - Produktionen immer der Vorzug zu geben. Leider findet man heutzutage Originale der Magdeburger vergleichsweise selten. Dem Gesetz der Serie folgend, existierten von diesem Motiv auch noch zweifarbige Versionen. Das gilt gleichermaßen für den Breslauer "Abklatsch" wie für das Magdeburger Original. Letzteres wäre demnach die Version, die dem Originalfoto am nächsten käme. Leider habe ich bisher noch nicht einmal ansatzweise eine der beiden schwarz-weiß-Versionen zu Gesicht bekommen.

Bevor ich es vergesse: auf der Ansichtskarte sehen wir (im Gegensatz zur obigen Einstiegsgrafik) schon die Bahnhofsuhr und auch die beiden Fenster links und rechts im 1. Stock sind vermauert (hier hat übrigens die Colorierung der Ansichtskarte ein Defizit).
Überhaupt das Zumauern von Fenstern! Das ist auch noch nicht so richtig erforscht... es gibt eine Aufnahme, die vor dieser Ansichtskarte einzuordnen ist, da wir darauf noch nicht die Bahnsteigüberdachung sehen. Auf dieser ist das Fenster links unten ebenfalls vermauert. Hier nicht! Man war sich offenbar über die Jahre nicht so recht einig... auf - zu - auf - zu ...

Senftenberg
Originaldruck Reinicke & Rubin, Magdeburg 1908.
28071
Aufnahme <= 1909
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberg
Eine colorierte Fassung von der folgenden, sehr seltenen, Ansichtskarte ist mir nicht bekannt. Der Meissner Verlag Brück & Sohn gibt als Veröffentlichungsjahr 1918 an. Das wird wohl stimmen. Ich habe jedoch Zweifel daran, daß die Aufnahme erst in jenem Jahr gemacht wurde. Vielmehr glaube ich, daß sie im Zuge der anderen, sehr gut bekannten Ansichtskartenmotive aus Senftenberg, 1915 entstand.

Senftenberg
Brück & Sohn, Meissen
20826
Aufnahme <= 1918
Sammlung Matthias Gleisner
Das Highlight diesbezüglich ist jedoch, daß ich auch einen Scan der Original-Fotoplatte präsentieren kann, der naturgemäß sehr viel schärfer daher kommt. Spätestens hier erkennt man deutlich die zugemauerte Fensteröffnung im Obergeschoss, in der nunmehr die Bahnhofsuhr Platz gefunden hat. Wie üblich wurde auf der Originalplatte der Himmel komplett wegretuschiert und auch eine ganze Reihe von Freileitungen (Strom, Telefon) fielen dabei gleich mit zum Opfer. Ich habe gar nicht erst versucht, diese digital wieder einzubauen, da sie ohnehin im Bild nur stören würden. Das war wohl auch vor 100 Jahren der Grund, selbige kurzerhand zu eliminieren.
Senftenberg
Aufnahme <= 1918
SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Brück & Sohn