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Was den zugehörigen Text betrifft, kann ich bestätigen, daß die darin genannten
Experten richtig lagen. Es ist tatsächlich ein "Chevrolet", wobei Chevrolet selbst
wahrscheinlich gar keine derartigen Busse baute. Es könnte sich also um eine individuelle,
wenn auch professionelle, Sonderanfertigung auf Basis eines Chevrolet Capitol
der 1927er-Modellreihe gehandelt haben. Dies würde mit den technischen Daten (2.8-Liter, 26 PS)
in etwa mit dem übereinstimmen, was die LR einst schrieb. Das mit Gas betrieben
verdamme ich genauso in das Reich der Mythen wie die 14 Stehplätze. Ich kann mir
ehrlich gesagt nicht vorstellen, daß 26 Personen im Fahrgastraum Platz fanden...
Den Namen des Fahrers, Max Buder, kann ich weder bestätigen noch widerlegen.
Der Name des nächsten Herren, der sich ebenfalls vor einem der drei Busse ablichten ließ,
ist völlig unbekannt. Mit Sicherheit war es kein Fahrer, denn die trugen Uniform, sondern
vielmehr irgendeine Privatperson, die es für angebracht hielt, sich gemeinsam mit dem Fahrzeug,
bzw. dem größten Teil desselben, fotografieren zu lassen.
Aufnahme <= 19?? Sammlung Norbert Jurk
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Marktplatz - Viktoriagarten:
10 Minuten
Neuer Stadt - Omnibusverkehr.
Senftenberg, 2. Aug.
Ab heute morgen verkehrt ein Stadtomnibus zwischen Marktplatz
und Viktoriagarten in halbstündigem Zwischenraum. Fahrpreis für die
halbe Strecke 10 Pfg. für die ganze Strecke 20 Pfg.
Um den Ansprüchen der Senftenberger Bevölkerung und den Durchreisenden
gerecht zu werden, hat die Pirnaer Firma Hans Jensen ab heute einen
Autobusverkehr zwischen Marktplatz und Viktoriagarten eröffnet. Vorläufig
verkehrt ein Omnibus in
halbstündigem Pendelverkehr
von morgens 6,15 Uhr bis abends 21,45 Uhr. In den nächsten 3 bis 4 Wochen
folgen dann die beiden Verbindungslinien Marktplatz - Senftenberg 2
(Gasthaus Eiche) und Marktplatz - Grube Marga (Gasthaus Kaiserkrone)
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Es gibt keine wackligen Pferdedroschken mehr. Wozu sollte man heute
im Zeitalter der Technik und des Motors (auf den kommt es nämlich
hier an) auch noch einen Omnibusverkehr mit Pferdegespann haben, wie
er mir noch aus der Anfangskriegszeit in Berlin in guter Erinnerung
steht. Das Pferd ist heute für den schnellen Personenverkehr "lahm
gelegt", denn Motor und Elektrizität haben das letzte Zugtier verdrängt.
Der 1. August war ein seltener Tag für Senftenberg. Einweihung der
neuen Autobuslinie durch die Offiziellen: Bürgermeister Seedorf,
Magistratsvertreter, Stadtverordnete und die Presse hatten sich um
3 Uhr zu einer Probefahrt auf dem Marktplatz versammelt. Vor kurzem schon
hat der "Senftenberger Anzeiger" von früheren Versuchen eines Omnibusverkehrs
(allerdings mit Pferdekräften - im wahrsten Sinne des Wortes - noch)
berichtet. O, welche Veränderungen der Zeiten!
Während wir für unsere beiden Omnibus-Ansichten wenige bis überhaupt
keine Anhaltspunkte bezüglich ihrer Verortung haben, sehen wir auf
der dritten Fotografie für heute ziemlich genau, wo diese entstand.
Noch dicker kann man die Hausnummer der Bahnhofstraße 18 eigentlich
nicht ins Bild holen.

Der junge Mann, dessen Namen wir nicht kennen und von dem wir auch nicht
wissen, ob er vielleicht gerade dem Senftenberger Stadtomnibus an der
Haltstelle "Postamt" entstiegen ist, ließ sich (mit Sicherheit nach 1927)
vor dem Geschäft von Georg Messenbrink ablichten.
Selbiges war Anfang Oktober 1920 an dieser Stelle eröffnet worden.
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Ein helles, freundliches Gesicht - innen und außen - wählte der neue
Omnibus. Er ist besonders stolz, der 20 Personen fassende Omnibus,
auf sein freundliches Aussehen. Gute Ventilation und gute Beleuchtung.
Auch die bekannten Lederpolster, von denen man sich kaum mehr trennen
möchte.
Um 3 Uhr also war ich hingegangen, die Strecke der neuen Linie abzufahren.
Ich stellte hierbei als erstes fest, daß unser Wagen (sagt man nicht
immer so, wenn man auch nur fünf Minuten Platz genommen hat?) beim
Senftenberger Publikum schon größtem Interesse begegnete. Warum? Weil
sein Anblick im Straßenbild neu ist? Oder weil man die Senftenberger
Obrigkeit darin erkannte? Das ist ganz gleich; jedenfalls wird sich
die neue Einrichtung bald viele Freunde erworben haben. Selten ist eine
Stadt so auseinandergezogen wie gerade Senftenberg. Wir haben jetzt die
Möglichkeit, uns den zeitraubenden Weg von der Innenstadt durch die
Bahnhof- und die Calauer Straße zu ersparen. Arbeiter, Angestellte,
Reisende und wer sonst dazu Lust verspürt, können jetzt für einen oder
zwei Groschen manche Annehmlichkeit - besonders auch bei schlechtem
Wetter, wie gerade am heutigen Eröffnungstage - haben. Und später gar
von Senftenberg zu seinen Schwestergemeinden: Senftenberg 2 und Marga,
wo der Verkehr - wie in dieser Zeitung schon dargelegt - immer größer
wird. Warum hat die Stadt nicht schon eine derartige Verkehrsverbesserung
aufnehmen können? Erst muß ein Unternehmer aus Pirna kommen. (Herr Jensen
unterhält derartige Omnibusse schon in Staaken, Bautzen und Pirna.)
Erste Haltestelle: Postamt. Gelbe Stangen
mit einem die Aufschrift "Stadtomnibus Senftenberg" tragenden Schild
weisen auf die Ein- und Aussteigeplätze. Dann geht es weiter. Überall
hält der Wagen: Am Bahnhof, Krankenhaus, Grenzstraße,
Waldhof und Viktoriagarten. Sieben Haltestellen also. Dann
ging es auf Erkundungsfahrt nach Senftenberg 2 und Marga.
Also hat Senftenberg seinen schon lange erforderlichen Stadtomnibus bekommen.
So begrüßenswert diese "Anschaffung" an sich ist, hängt letzten Endes
doch alles vom Verständnis der Bevölkerung ab. Die schönsten und bequemsten
Einrichtungen verfehlen ihren Zweck, wenn sie nicht benutzt werden.
Wir habe lange auf eine 10-Minuten-Verbindung nach der äußersten Ecke in
der Calauer Straße warten müssen. Jetzt haben wir sie aber - damit der
Senftenberger sich nicht nur wundern, sondern den Omnibus auch benutzen soll.
H. Tr.
Aufnahme <= 19?? Sammlung Kathrin-Janette Bleisch
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