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Daß wir das noch zu Lebzeiten miterleben dürfen! Nach gefühlten hundert Jahren gibt das Haus
Markt 15 endlich den Titel als größter Schandfleck Senftenbergs ab. In den letzten 25 Jahren
wechselte das Haus mehrfach den Besitzer. Irgendwie war aber immer die Stadt Senftenberg daran
beteiligt, die jedoch wenig Ambitionen hatte, den Verfall der Immobilie wenigstens aufzuhalten.
Stattdessen versuchte die Stadt als Eigentümerin zwanghaft das anerkanntermaßen älteste
Wohnhaus Senftenbergs mit Gewinn zu veräußern. Es gab mehrere Anläufe hoffnungsvoller Akteure,
die dann aber spätestens an den Auflagen des Denkmalschutzes scheiterten. Die Jahre gingen ins
Land und waren dem Zustand des Gebäudes alles andere als zuträglich.
Letztlich erwarb die Familie Bartsch, Inhaber eines Ingenieurbüros in Guteborn, das Haus und
machte binnen eines Jahres das Unmögliche möglich, an dem vor ihnen so viele gescheitert waren...
Wie man auf dem Foto links sehen kann, das vor einer Woche aufgenommen wurde, ist das Haus
nach der Sanierung fast nicht mehr wieder zu erkennen.
Ich selbst hatte mehrfach angeregt, daß das Gebäude aufgrund seines Alters und damit historischen
Bedeutung, sowie seiner zentralen und ebenerdigen Lage doch eine hervorragende Heimat für das
Stadtarchiv Senftenbergs abgeben würde. Das (damals noch vorhandene) Schaufenster im Erdgeschoß
hätte man sehr gut als Projektionsfläche für die Vermittlung geschichtlicher Informationen
(Flachbildschirm mit darauf rollierenden PowerPoint-Präsentationen) nutzen können. Aber das war,
neben den enormen Sanierungskosten, wohl doch etwas zu progressiv für die in diesen Fragen eher
träge Senftenberger Stadtverwaltung.
Nun dürfen wir also gespannt sein, welches Gewerbe demnächst das Erdgeschoß beherbergen wird.
Der Rest des Hauses ist ja bereits als Gästeunterkunft konzipiert.
Um nochmals auf den Denkmalschutz zurück zu kommen: Mich wundert es schon ein wenig, daß man bei der
Sanierung der Vorderansicht nicht stärker auf die Wiederherstellung der Originalansicht (so weit diese
dokumentiert ist) gedrungen hat. Wahrscheinlich war man aber glücklich darüber, daß sich überhaupt
jemand an das Unterfangen gewagt hatte, bevor der ganze Kasten in sich zusammengefallen wäre, daß
man den Bauherren gewisse Zugeständnisse machte. So zum Beispiel das Ersetzen des Schaufenster durch
zwei kleinere, statt eines normalen Fensters, sowie der Verbleib der Gauben auf dem nun viel
steileren Dach. Wobei das mit dem einen oder zwei Fenstern im Erdgeschoß fraglich ist. Die früheste
Fotografie zeigt ein Fenster, Zeichnungen, die den Zustand davor dokumentieren sollen, weisen stattdessen
zwei Fenster auf. Sicher ist, daß das Schaufenster definitiv nicht zum Ursprungszustand gehörte.
Wie das Haus vor neunzig bis einhundert Jahren aussah, das verraten uns die beiden heutigen Fotografien...
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Aufnahme = 1929 Sammlung Familie Wendt
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Aufnahme <= 1930 Sammlung Matthias Gleisner
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Beide Fotos sind im Original ziemlich kleinformatig und dazu etwas unscharf. Was die Datierung der Aufnahmen angeht war anfangs alles klar... mit dem linken
Foto war ein 1934 unterwegs, während für das rechte Foto ein 1929 kolportiert wurde. So weit, so gut. Befänden sich da nicht auf dem linken Motiv einige Details, die
mich störten. Da wäre zum Einen der Schriftzug "Brattke" am Schaufenster des Hauses Markt 16. Die Glaserei Brattke war nie an dieser Adresse beheimatet, also
kann die Aufschrift meines Erachtens nur etwas mit dem Einbau/Wechsel der Fensterscheibe zu tun haben. Okay, kann ja sein. Da wurde 1934 wohl repariert... Daß
bei dieser Gelegenheit aber auch die beiden Schriftzüge von Franz Richter und Paul Häusler entfernt und danach wieder angebracht worden sein sollen,
halte ich dann doch für etwas sehr weit hergeholt!
Nun ist diese Ecke Senftenbergs ja vergleichsweise gut dokumentiert. In meinem Fundus konnte ich aber nur eine einzige Aufnahme (siehe Update unten) finden, auf der
ebenfalls die beiden Firmenschriftzüge fehlen. Und dieses Motiv ist seit Urzeiten als <= 1930 eingetaktet. Das alles läßt für mich nur den Schluß zu, daß wir
uns links nicht im Jahre 1934 aufhalten, sondern 5 Jahre zuvor zu Entstehungszeiten des Hauses Markt 16. Verstärkt wird diese Annahme, durch ein drittes Detail.
Hat sich mal jemand den Kirchturm angeschaut? Da fehlt ein Ziffernblatt! Und wie der Teufel es will, wurden im Jahre 1929 Reparaturarbeiten an den Kirchturmuhren
durchgeführt... Wenn das keine erdrückenden Beweise sind!
Was die Datierung des rechten Motivs betrifft, erhöhe ich sicherheitshalber die mitgelieferte Jahresangabe auf <= 1930. Das Zifferblatt an der deutschen Kirche
ist zwar genauso vorhanden wie die links fehlenden Firmenbeschriftungen. Deshalb muß das 1929 aber nicht zwingend falsch sein. Der Einzug der beiden Firmen in das Haus
Markt 16 war im Spätsommer 1929 abgeschlossen. In dessen Gefolge wurden dann sicher zeitnah die Firmenschilder platziert. Auch die Reparaturen am Turm der Deutschen
Kirche wurden in jenem Sommer beendet. Aufgrund des entlaubten Baumes könnte man mutmaßen, daß die Aufnahme im Herbst 1929 angefertigt wurde. Oder aber im nächsten Frühjahr.
Um zurück zum Ausgangspunkt zu kommen... die rote Laterne hat das Haus Markt 15 definitiv abgegeben. Aber an wen? Aus meiner Sicht gibt es da zwei heiße Anwärter:
das TraPo-Gebäude an der Ecke Bahnhofstraße/Straße der Jugend oder aber die ehemalige Schule 1. Bezüglich der hochfliegenden Träume eines schweizer Ehepaares
in Sachen Sanierung der Schule und Umwandlung in ein Hotel herrscht nun schon seit Monaten Funkstille.
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