Schloß und Kreismuseum
von Günter Wendt
Hart an den Südbastionen des Senftenberger Schlosses arbeiten Bagger
und Schrapper, fahren unermüdlich Tag und Nacht die Dumperfahrzeuge,
um der Schwarzen Elster eine neues Bett zu schaffen. Eigentlich ist es
wieder das alte Flußbett, in welchem unsere Elster schon vor hundert
Jahren zur Elbe Floß. Hier begegnen sich zwei Welten - alter historischer
Boden und der Bergbau mit seinem neuen Kohle- und Energieprogramm.
Das Schloß, "Das feste Haus von Senftenberg", mit seiner nahezu tausendjährigen
Geschichte und der Bergmann, der vor reichlich hundert Jahren seinen
ersten Schacht in der Pommelheide abtäufte. Noch heute schützen, unterstützt
durch verständnisvolle Gesetzgebung der Denkmalspflege, die Wälle der
ehemaligen sächsischen Festung das älteste Baudenkmal unserer Stadt, in dem
vor fünfzig Jahren der Grundstein zu unserem Kreismuseum gelegt wurde.
Zweifach ist die Forderung, die an uns gestellt ist: Erstens, die Erhaltung
des Schlosses als Baudenkmal und zweitens, das Schloß gemäß seiner neuen
Funktion als Museum umzugestalten. Die verschiedenen Aufgaben, die das
Gebäude in der Vergangenheit hatte, sind noch heute ablesbar. So diente es
in jüngster Zeit noch Schulzwecken, zuvor barg es ein Amtsgericht und
Gefängnis, nachdem es seine strategische Bedeutung im Verlauf des Siebenjährigen
Krieges als Festung eingebüßt hatte und nach 1815 preußisch wurde. Jeder
Nutzer des Gebäudes hat es seinem Willen nach umgebaut und den alten Charakter
verwischt.
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Das Geschehen und der geschichtliche Ablauf der Vergangenheit soll durch
sinnvolle Darstellung im Kreismuseum zugänglich gemacht werden. Der Mensch
unserer Tage soll die Gegenwart besser begreifen durch Kenntnis der Geschichte
seiner Heimat. Beginnend mit den ersten Spuren der Jägerhorde vor zwanzigtausend
Jahren, bis zu den Anstrengungen und genialen Leistungen der Gegenwart, vom
Kampf unserer Kumpel und der Arbeit unserer Ingenieure bei der ständigen
Vervollkommnung der Industrie. Die geologischen Voraussetzungen der Heimat
sollen den Betrachtern erläutern, warum gerade hier die Schlote von Brikettfabriken,
Glashütten, Ziegelein und Eisenhütte in den Lausitzer Himmel ragen. Beim
Herabsteigen in den Schacht der Bergbauabteilung, den gefährlichen und zugleich
unrentablen Bruchbau darstellend, und beim Anschauen der Modelle, einer Schurre
und des ersten Dampfbaggers, soll er die technische Entwicklung, die veränderten
Produktionsbedingungen erkennen. Er muß aber auch die gesellschaftliche Seite
des Problems erfassen können; denn die Darstellung der industriellen Entwicklung
ist die Geschichte des Kapitalismus und ebenso auch die Geschichte des Kampfes
der Arbeiterklasse.
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All diese Aufgaben hatten sich auch schon im Jahre 1907 die Gründer des Heimatmuseums
gestellt. Einem allgemeinen Zeitgeist folgend, angeregt durch die Grabungen
Schliemanns in Troja und befruchtet von dessen Freund Rudolf Virchow, begann auch
in der Mark die Spatenarchäologie.
Aus Schwärmerei und Heimatliebe entstand ein neues historisches Interesse, in das
später die Arbeit der Niederlausitzer Gesellschaft wissenschaftliche Ordnung brachte.
So gründete in Senftenberg ein aufgeschlossener Bürgerkreis ein zunächst bescheidenes
Museum, das im Pulverturm der Nordbastion sein erstes Magazin hatte. Zwei Jahre
später bezog das junge Mueseum zwei Räume im Schloß. Seinem Gründer und ersten
Leiter, Oberschullehrer Otto Mingau, verdanken wir, daß usn heute reiches Material
zur Verfügung steht. Durch verantwortungsbewußte Maßnahmen unseres Kulurministeriums
nimmt heute das Kreismuseum den größten Teil des Schlosses ein. Die alte, gedrängte
Ansammlung von Schaustücken konnte neu und übersichtlich geordnet werden. Dem
Besucher sind heute bereits zugänglich: Stadt- und Schloßgeschichte, Darstellung des
mittelalterlichen Handwerks, sakrale Kunst, die Bauernabteilung, einbezogen die
sorbische Vergangenheit, und das Bürgerzimmer. In Vorbereitung und Aufbau befinden
sich die Industrieabteilung mit der Geologie und in den oberen Räumen steht eine
große Abteilung der Ur- und Frühgeschichte vor ihrer Vollendung. Ebenso wird erstmalig
ein wohlgeordnetes Magazin der wissenschaftlichen Arbeit dienen. Zur Ausstellung
aktueller Probleme ist ein Ausstellungs- und Vortragssaal geschaffen worden, den viele
Besucher aus den letzten Ausstellungen kennen. Es sei hier nur an die Vietnam-Ausstellung
sowie an die Ausstellung für Volksbildnerisches Schaffen und an die Kunstausstellung des
Verbandes bildender Künstler Deutschlands erinnert.
Mit Rücksicht auf die klaren alten Architekturformen, z.B. die schönen noch erhaltenen
Gewölbe auf mächtigen Mauern ruhend, wurde auf Belangloses verzichtet. Gut gemeinte
Umbauten, die den alten Charakter des Gebäudes verfälschten, wurden korrigiert, um die
Schönheit des Raumes auf den Betrachter wirken zu lassen. Viele historische Lücken, die
sich ergaben, mußten geschlossen werden. Dadurch setzte ein neues Sammeln von museumswürdigen
Schaustücken ein. Da eine gute Sammlung ihre volksbildende Aufgabe darin sieht, daß sie
ihren Besuchern Geschichte bis zur Gegenwart zeigt, bedingt es ihren ständigen Ausbau
und eine ständige Wandlung. Nur so wird es seiner Aufgabe gerecht, nicht verstaubte
Rumpelkammer zu sein, sondern Bildungstätte und anziehendes Erziehungsmittel unserer
Menschen. Nur durch die Unterstützung aller, von Heimatliebe beseelt, wird unser
Kreismuseum seine große Aufgabe erfüllen können. Daß die Neugestaltung des Museums
gerechtfertigt ist, beweist ein ständig wachsendes Interesse, das sich in stets
wachsenden Besucherzahlen auswirkt.
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