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16.10.2022
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Machen wir uns nichts vor... für die allermeisten, selbst stark Senftenberg-Interessierten, ist die rechts abgebildete Fotopostkarte nicht viel mehr als die Darstellung eines Gebäudes, welches seit Jahrzehnten nicht mehr existiert. Mit Personen davor, die lange tot sind.
Für Norbert Jurk jedoch, aus dessen Sammlung das Original stammt, hatte die Aufnahme immer eine darüber hinausgehende Bedeutung, zeigt sie doch sein Elternhaus und im Vordergrund sogar seinen Großvater Otto Jurk als kleinen Buben.
Leider konnte ich Norbert nicht mehr fragen, ob das "ca. 1906", welches er selbst in seinem Buch "Erinnerungen an meine alte Heimat rund um die Senftenberger Höhe 304" angab, verbrieft oder mehr "gefühlt" ist. Genausowenig kann ich ihn zu Rate ziehen, ob es sich beim Betreiber des kleinen Kolonialwarengeschäftes Hermann Jurk um seinen Ur-Großvater handelte. Ich würde mich eigentlich wundern, wenn nicht.
Denn leider verstarb Norbert vor einem Jahr, am 14. Oktober 2021, unerwartet und urplötzlich.
Wahrscheinlich hätte er sich heute sehr darüber gefreut, daß nun endlich dieses Bild auf www.gruss-aus-senftenberg.de zu Ehren kommt. Und möglicherweise hätte ich mit seiner Hilfe sogar einen kleinen zeitlichen Abriß der Geschichte dieses Hauses in der Viktoriastraße 6 (später Rosa-Luxemburg-Straße) aus dem Boden gestampft. Es hat nicht sollen sein.
Senftenberg
Ansichtspostk.-Fabr. u. Photo-Kunstanst.
K.W. Peter, Bautzen.
Aufnahme <= 1906
Sammlung Norbert Jurk
Das oben erwähnte Buch war zwar nicht das erste Heimatbuch, das unter seinem Namen erschien (zuvor gab es eine Co-Produktion mit Erika Jantzen) aber ich glaube, der 2010 erschienene Titel hatte eine ganz besondere Bedeutung für ihn. Nicht nur, daß er sich darin vorrangig mit seiner eigenen Herkunft, dem ihm sehr vertrauten Gebiet im Senftenberger Norden widmete, der Verkaufserfolg der Publikation ermunterte ihn offenbar, den Pfad weiter zu beschreiten und den Senftenbergern elf zusätzliche Bände in dieser Form zu präsentieren. Die Veröffentlichung des letzten Buches erlebte er nicht mehr.

In den Jahren vor seinem Tod philosophierte ich mit Norbert mehrfach darüber, ob es nicht eine gute Idee wäre, einige der Bände, auch aufgrund der Tatsache, daß manche davon komplett vergriffen waren und sind, in überarbeiteter und erweiterter Form neu aufzulegen. Immerhin war, nicht zuletzt durch meine Arbeit, zwischenzeitlich ein Qualitätssprung bei den fraglichen Grafiken erreicht worden und auch quantitativ hatte sich über die Jahre so einiges getan. So recht erwärmen konnte sich Norbert für diesen Vorschlag aber nicht.

Stattdessen erschloß er immer neue Themenfelder und veröffentlichte ein ums andere Jahr ein weiteres Buch mit neuen Informationen und Bildern. Ein Stück, das sicher in einem "Höhe 304 Version 2.0" - Buch berücksichtigt worden wäre, ist die rechts dargestellte sehr seltene Ansichtskarte. Die darauf abgebildete "Weintraube" befand sich ebenfalls in der Viktoriastraße. Und zwar an der Hausnummer 15, nur wenige Meter von Jurks Kolonialwarenladen entfernt. Durch diese Karte erfahren wir, daß sich dereinst eine "Geflügelzuchtanstalt" an die Lokalität anschloß. Man lernt halt immer noch etwas dazu!

Senftenberg
Aufnahme <= 1911
Sammlung Matthias Gleisner
Eine Ansichtskarte die Verwendung in dem von mir genannten Buch fand, ist die rechts abgebildete mit der ich auch meine kleine Erinnerung an Norbert Jurk anläßlich seines 1. Todestages beschliessen möchte.
Norbert "zerschnitt" damals die Grafik und drehte sie auf schwarz-weiss. Hier nun das Stück in Gänze und in der Originalfarbe. Die Karte selbst gibt bildseitig keinen Hinweis auf die Verortung nach Senftenberg. Dies wird auf der bildabgewandten Seite durch ein Raunoer Flur bei Senftenberg N.-L. nachgeholt. Deshalb landete sie bei mir auch im Subarchiv "Umland" (ich weiß, ich bin da nicht ganz konsequent). Geografisch befand sich das "Restaurant zum Glückswinkel" unterhalb der Höhe 304 östlich der Calauer Straße. Später hieß das Lokal "Talschlößchen".

Persönlich habe ich keinerlei Erinnerung an alle drei vorgestellten Gebäude. Zu Senftenberg-Nord/Rauno hatte ich nie auch nur den kleinsten Bezug. Das allermeiste über diesen Bereich lernte ich von Norbert. Aus seinen Büchern, aus Gesprächen oder Email-Verkehr mit ihm. Ich habe zwar in den vergangenen Jahren ein ziemlich gutes Auge für Senftenberger Ansichten entwickelt aber in letzter Konsequenz fehlt Norbert (mir) dann doch. Er hat eben eine Lücke hinterlassen, die von niemandem mehr ausgefüllt werden kann. Es gibt ja auch keine Leute, die hinsichtlich dieser Region "wissend" sind und mir behilflich sein können. Oder wollen.
Gleichzeitig nimmt die Zahl der Menschen ab, die das Ganze überhaupt (noch) interessiert. Ansichten von Gebäuden, die vor 40 oder mehr Jahren abgerissen wurden, dafür können sich heute die wenigsten begeistern.

Senftenberg
Photographie u. Verlag Franz Kachel,
Senftenberg - Groß Räschen
P 206 24
Aufnahme <= 1924
Sammlung Matthias Gleisner
Und ehrlich? Mittlerweile, nicht nur an Tagen wie diesen, frage ich mich: Warum mache ich das eigentlich alles? Wofür? Wen interessiert das denn? Angesichts der vielen Probleme, die die Menschen seit einiger Zeit umtreiben, gerät Heimatgeschichte zu einem Luxusgut. Überlebensnotwendig war sie zu keiner Zeit aber mittlerweile ist es mehr und mehr zu einem "nice to have" mutiert, dessen Fehlen aber auch keiner so wirklich betrauern würde. Ich hatte eigentlich über einen längeren Zeitraum irgendwie die Hoffnung, daß das Pendel in die andere Richtung ausschlagen würde aber vielleicht war das nur Wunschdenken von mir. Zumindest gab mir Norbert Jurk das Gefühl, daß meine ganze Arbeit, meine nicht unbeträchtlichen zeitlichen und finanziellen Aufwände, irgendwie sinnvoll wären. Das mußte er mir gar nicht regelmäßig bestätigen, der fachliche Austausch und die Verwendung meiner Arbeiten in seinen Büchern reichte mir als Wertschätzung. All das ist seit einem Jahr nicht mehr und so hinterlässt sein Tod auch weiterhin Spuren bei mir selbst... Zweifel an der Sinnhaftigkeit meines Tuns einhergehend mit der Einschätzung, daß sich der ganze Kram, den ich und mein Vater hier veranstalten, zunehmend zu einer Selbstbespiegelung entwickelt.
Glücklicherweise betreiben wir das Ganze nicht aus kommerziellen Gründen, so daß uns nachlassende Aufmerksamkeit nicht so wirklich erschüttern kann. Trotzdem werde ich einen Schlußstrich ziehen...
Nicht heute, nicht jetzt.
Aber mittelfristig ist Schluß mit www.gruss-aus-senftenberg.de. Zumindest in der jetzigen Form. Nach einem Blick auf den internen Tacho komme ich zu dem Entschluß, daß mit Erreichen der 600. Neues-Seite "Schicht im Schacht" sein wird. Das sind noch 65 Seiten, 65 Wochen, die bei gleichbleibender Frequenz im Januar 2024 erreicht sein werden. Dafür benötige ich noch Minimum 150 Ansichtskarten, Fotos, Dias, Filmmaterial. Über ein zahlenmäßig so großes Reservoir verfüge ich aktuell nicht (mehr). Der Umstand, daß ich vor einigen Tagen auf einen Schlag gleich sechs Stücke von meiner Wunschliste streichen konnte, ist aber schon einmal ein gutes Zeichen, daß das Ziel erreichbar ist. Wenn dann der eine oder andere sich vielleicht noch durchringen könnte, mir mit diesem oder jenem fehlenden Stück auszuhelfen, dann sollte einem qualitativ hochwertigen Endspurt eigentlich nichts im Wege stehen. Bei stockendem Materialnachschub müssen verständlicherweise schon früher die Arbeiten eingestellt werden.
Wer also bis "Neues 600" noch Teil der Erzählung werden/sein möchte, der sollte sich ranhalten.
Norbert Jurks viel zu früher Tod sollte allen eine Mahnung sein, daß es ganz schnell vorbei sein kann. Die Erben können in den allermeisten Fällen nichts mit dem ganzen gehorteten Material anfangen! Mit Blick auf meine eigene Nachkommenschaft gebe ich mich da auch keinen Illusionen hin. Meine Generation dürfte die letzte sein, die sich noch halbwegs ernsthaft mit der Heimatforschung beschäftigt hat.

Es existiert aktuell noch kein Plan, was nach dem "Tag X" passiert. Wahrscheinlich wird die Internet-Seite "eingefroren". Vielleicht gibt es eine Konsolidierung, vielleicht auch nicht. Wie oben angedeutet: wir sind da völlig frei in unserer Entscheidung und niemandem Rechenschaft schuldig.

Es tut mir leid, wenn ich mit meinen Ausführungen gedrückte Stimmung verbreitet habe sollte, doch von Zeit zu Zeit macht sich eine kritische Bestandsanalyse und Neuausrichtung notwendig.
Und es ist ja nicht das Ende der Welt.