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VVN, VdN, OdF - es gab mehrere Abkürzungen, die im Grunde ein und dasselbe meinten. Unter Opfer des Faschismus (OdF) verstand man insbesondere
im Sprachgebrauch der DDR die Verfolgten des Nationalsozialismus. Damit wurden sowohl die Ermordeten und Toten bezeichnet, als auch die Überlebenden. Auf Beschluss des Berliner
Magistrats gibt es seit 1945 an jedem zweiten Sonntag im September einen Gedenktag für die Opfer des Faschismus, der im Volksmund auch als OdF-Tag bezeichnet wird. Ab 1947
war die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) Träger des OdF-Tages. Nachdem die Leitungsgremien der SED mit der Begründung, einer besonderen Organisation für
NS-Verfolgte bedürfe es in der DDR nicht, im Februar 1953 die Abwicklung der VVN beschlossen und der Zentralvorstand und die Delegiertenversammlung der VVN die Auflösung beschlossen
hatten, gingen deren Aufgaben an andere Instanzen wie die Räte der Bezirke und Kreise, den FDGB, die FDJ, den Verlag Volk und Welt und das Museum für Deutsche Geschichte über.
In ihrer Hochphase zeichnete die VVN für die Errichtung unzähliger Denkmäler und Gedenkstätten für die Opfer der Nationalsozialistischen Herrschaft verantwortlich. 1950 erhielt
auch Senftenberg ein solches Denkmal.
Dieses sieht man auf der einzigen kommerziellen Ansicht, die ich kenne, oben rechts abgebildet. Obwohl mit OdF-Ehrenmal bildseitig untertitelt, fällt das eigentliche Denkmal
kaum auf. Nachauflagen dieses Motivs benennen die Szenerie etwas passender mit VdN-Ehrenmal, im Hintergrund Kreisgericht Senftenberg und verleihen somit dem dominanten
Gebäude im Hintergrund mehr Gewicht.
Bevor ich dazu komme, warum dieses Ehrenmal nicht mehr existiert, möchte ich zunächst auf dessen Errichtung etwas intensiver eingehen. Glücklicherweise verfügen wir über Fotografien
von der Einweihungszeremonie, die besser als obige Ansichtskarte vermitteln, wie die Figur aussah. Für den textlichen Part greife ich heute auf zwei Artikel aus der Märkischen
Volksstimme zurück:
Sie wiesen uns den Weg
Am 10.September 1950 findet wieder in vielen Ländern
der Welt der internationale Gedenktag für die im Kampf
gegen den Naziterror gefallenen Opfer des Faschismus
statt. Diese Veranstaltungen stehen für uns Deutsche
in diesem Jahr unter dem besonderen Zeichen der
Kampfentschlossenheit französischer und deutscher
Widerstandskämpfer gegen den drohenden imperialistischen
Raubkrieg. Am 10.September werden die Widerstandskämpfer
in aller Welt ein Bekenntnis dafür abgeben, daß sie
sich mit allen Kräften für die Erhaltung des Friedens
und zum Wohle der gesamten Menschheit einsetzen werden.
Für den Kreis Senftenberg findet am Sonnabend, dem 9.
September, um 20 Uhr, im Kulturhaus der Reichsbahn
eine zentrale Kundgebung der Widerstandskämpfer und
Verfolgten des Naziregimes statt.
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Aufnahme 10.09.1950 Archiv der Stadt Senftenberg
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Am Sonntag wird ein Mahnmal für die gefallenen
Opfer des Faschismus in den Anlagen der J.-W.-Stalin-Straße
enthüllt. Dieses Denkmal entstand nach dem Entwurf des Kollegen
Günther Hoffmann aus Senftenberg. Es wurde frei geformt und
modelliert von dem Bildhauer, Kollegen A.Paulick. Die Zusammenstellung
der Tonmischung besorgte der Kollege Grunewald. In vorbildlicher
Weise half dabei die Ziegelei I in Großräschen-Süd unter der
Leitung des Kollegen Kowalski.
Alle Kranzdelegationen und Betriebsabordnungen sammeln sich
zur Denkmalweihe am Sonntag, dem 10.September, um 9 Uhr, auf dem
Bahnhofplatz und vor dem Volkshaus.
Die Einwohner des Kreises Senftenberg werden gebeten, am
Gedenktag für die gefallenen Antifaschisten die Häuser zu flaggen
und an den Gedenkfeiern, die für uns ein Aufruf zu neuem Kampf
sein sollen, zahlreich teilzunehmen.
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Aufnahme 10.09.1950 Archiv der Stadt Senftenberg
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Aufnahme 10.09.1950 Archiv der Stadt Senftenberg
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Aufnahme 10.09.1950 Archiv der Stadt Senftenberg
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Das, was wir auf obigen vier Fotos sehen können, stellte sich in der Nachschau der Märkischen Volksstimme auszugsweise so dar:
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... Am Sonntagmorgen hatten sich trotz des ungünstigen
Wetters eine große Anzahl von Werktätigen, Jugendlichen, Sportlern,
die Volkspolizei und viele Einwohner mit unseren Widerstandskämpfern
vereinigt, um nach einem Demonstrationszug durch die
Bergbaustadt an der Enthüllung des Ehrenmals für die Opfer
des Faschismus teilzunehmen. "Das Ehrenmal ist zugleich Symbol
der Solidarität der Werktätigen mit den ehemaligen Widerstandkämpfern.
Es wurde von den Spenden unserer Werktätigen in Fabriken und
Verwaltungen erbaut", betonte Kamerad Niesyto in seiner
Eingangsrede, die in den zuversichtlichen Worten ausklang:
"Wir werden siegen, weil wir mit dem Morgen sind." Die
Enthüllungsrede hielt Kamerad Wölk, der als einer der weit
über den Kreis Senftenberg hinaus bekannten Widerstandskämpfer
in den Versammelten die Zeit des Widerstandskampfes
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in Senftenberg wachrief, wo das unweit des
Ehrenmals liegende Amtsgericht zur Institution
faschistischer Rechtsverdrehung, die unweit
liegende Schule zum Konzentrationslager wurde.
"All das", so sagte Kamerad Wölk, "müssen uns in
unserem Kampf gegen die Feinde des Fortschritts
noch unerbittlicher machen und und veranlassen,
auch unsere letzten Zeitgenossen in das
Friedenslager und in die nationale
Widerstandbewegung zu führen."
Er übergab sodann das neue Mahnmal zur
Betreuung in die Hände der Werktätigen von
Senftenberg. "Dieses Ehrenmal", so rief Kamerad
Wölk der Menge zu "soll ein Ehrenmal der Zukunft
sein!"
Das Ehrenmal selbst wurde, wie wir bereits
berichteten, nach dem Entwurf eines heimischen
Kunsterziehers gestaltet, der aus den Reihen der
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Werktätigen hervorging. Die Figur des in Fesseln
Geschmiedeten, durch die Qualen zu Boden
gedrückten Widerstandskämpfers hält
erwartungsvoll, die Zukunft erkennend, ihr
Gesicht dem Lichte zu. Ausschlaggebend ist an
dieser Schöpfung nicht, daß die Strenge der
Linienführung und manche andere Details noch
auf große Vorbilder hinweisen, sondern das
Bemühen des jungen Künstlers, die Zeit zu
deuten und den Dank an die Vorkämpfer unserer
jungen Demokratie auf seine Weise zum
Ausdruck zu bringen.
Die Feier wurde von unserem Volkschor, der
unter der bewährten leitung des Kameraden Ernst
Schmidt für unser kulturelles Leben immer mehr
an Bedeutung gewinnt, und dem Orchester des
Stadttheaters, unter der straffen Leitung von
Kapellmeister Natusch, mit viel Einfühlungsvermögen
in ihrem Gehalt bereichert.
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Bleibt noch die Frage zu klären, wieso dieses Denkmal so gut wie völlig aus dem kollektiven Gedächtnis der Senftenberger verschwunden ist. Das ist
zumindest mein Eindruck, der natürlich persönlich dadurch zustande kommt, daß ich diesen Gedenkstein niemals zu Gesicht bekommen habe. Wie auch?
Stand das Denkmal doch nicht einmal 9 Jahre an diesem Ort! Die Umstände seines Verschwindens sind etwas nebulös. Im Frühjahr 1959 wurde darüber informiert,
daß das Ehrenmal der Opfer des Faschismus durch unbekannte Täter zerstört wurde. Andere Quellen behaupten, dass die Figur schlichtweg gestohlen wurde. Was
irgendwie auf dasselbe hinausläuft. Daraufhin begann emsige Betriebsamkeit in Sachen Ersatzlösung. Felix Niesyto beantragte, den verbliebenen Sockel mit einer
Blumenschale zu versehen. Im November 1959 war von einer Schale mit 150 cm Durchmesser die Rede, die als Übergangslösung mit Blumen bepflanzt, die Stelle der
verschwundenen Figur einnehmen soll. 1960 wollte man dann die Herrichtung des Denkmals in Angriff nehmen.
Im Frühjahr 1960 wurde Günter Wendt gebeten, sich zur Ideenfindung für ein künftiges Ehrenmal diverse Mahnmale im Bezirk anzuschauen. Kurze Zeit später
schlugen VdN-Kameraden dem Bürgermeister Flack vor, das Symbol (das auf der Spitze stehende Dreieck) vom verbliebenen Sockel in der Anlage zu entfernen.
Im November 1960 gab es eine Standortdiskussion (Vorschläge: Jahndenkmal oder gegenüber Mingau). Am 23. Dezember legte man sich dann schließlich auf einen
neuen Standort fest: Schloßpark in der Nähe des früheren Platzes des Kriegerdenkmals 1914-18...
Das Ehrenmal, das auch heute noch an dieser Stelle steht, wurde 1962 von Ernst Sauer geschaffen und besteht aus zwei Teilen: einer Bronzefigur und einer
Betonwand. Die Bronzefigur stellt einen aufrecht stehenden, jungen Mann dar. Seine Mimik ist entschlossen, die Arme sind mit geballten Fäusten vom Körper
leicht abgestellt. Er steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Die Gesamtform der Figur ist einfach und plastisch nicht überhöht dargestellt. Der Mann
trägt nur eine einfache Hose, die ihn als Angehörigen der Arbeiterklasse darstellt. Der freie Oberkörper und die nackten Füße weisen auf seine nahende
Exekution hin. Er steht vor einer grauen Wand, die als Diptychon gestaltet ist. Der linke Teil der Wand ist glatt und leer; der rechte Teil stellt in
Reliefs Abschnitte der deutschen Arbeiterbewegung dar.
Die nachfolgenden Updates sollten all jenen Ansporn geben, die meinen, mir nicht (mehr) helfen zu können, da "ich ja schon alles habe". Bei der besseren Datierung
von Motiven sind mir jegliche Angebote willkommen. Unabhängig davon, ob das Motiv schon lange Bestandteil meines Archivs ist oder nicht. Bei den heute
aktualisierten Ansichten handelt es sich in der Regel um Abbildungen, die schon vor sehr langer Zeit archiviert wurden und wie man sehen kann bis jetzt mehr
oder weniger genau datiert waren. Den Begriff "falsch datiert" möchte ich in diesem Zusammenhang nicht in den Mund nehmen.
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