Die allerletzte Rubrik im vorgestellten
VERKEHRSPROSPEKT brachte mich auf meine heutige Kommentar-Idee, weil die hier angebotenen
AUSFLÜGE zu interessanten Sehenswürdigkeiten in der näheren und weiteren Umgebung von
SENFTENBERG in dankenswerter Weise gleich mit Zeitangaben versehen wurden:
KAMENZ: ½ Bahnstunde / SPREEWALD: ¾ Bahnstunden
BAUTZEN & LUBOCHOW-MÜHLE: 1 Autostunde
GUTEBORN & GRÜNGRÄBCHEN: ½ Autostunde
KOSCHENBERG & HAMMERMÜHLE: 1 Wegstunde
HÖHE 304 & BERGKOLONIE MARGA: ½ Wegstunde
Und diese >Auskünfte< erinnerten mich prompt an eine Zeit,
als steinerne
POSTSÄULEN
auf den Marktplätzen oder auch an den Stadttoren standen, die dem Postillion auf hohem Bock stolz die Zahl der Meilen bis zu diesem oder jenem Orte anzeigten. Auch mancher Wanderer zu Fuß hat wohl seufzend bei ihnen Rast gemacht, nachdem er sich überzeugt hatte, dass der stumme Wegweiser nicht gewillt war, die Zahl der Meilen bis zur nächsten Stadt etwas zu verringern. Allerlei Kriegsvolk ist an ihm vorbeigezogen, flüchtenden Soldaten wies er den Weg, manch Leid, aber auch manche Freude haben diese Säulen gesehen.
Wie kam man überhaupt dazu,
POSTSÄULEN aufzustellen ?
Zur Zeit der sächsischen Kurfürsten, die einst auch die Lausitz besaßen, hatte man in den Wäldern an verschiedenen Stellen zur Orientierung der Jäger und Holzfäller
WALDZEICHEN aufgestellt. Da sich aber das Holzmaterial als nicht widerstandsfähig genug herausstellte, griff man zu den
STEINSÄULEN und zwar zum
SANDSTEIN, der in Sachsen häufig zu finden war.
In
SENFTENBERG sollten zwei Distanzsäulen vor den beiden Toren der Stadt gesetzt werden, im übrigen wollte man sich mit hölzernen Wegesäulen begnügen. Mit der Ausführung hatte es allerdings gute Weile.
Mehrfach klagte in den nächsten Jahren der Rat von Senftenberg, er wüßte nicht, woher er das Geld nehmen sollte, um die teuren Säulen zu bezahlen. Die Stadt hätte keins und der Beutel der Bürger, die durch den Brand von 1717 gewaltigen Schaden erlitten, wäre auch leer.
Übrigens hätte man an einer Säule genug. Schließlich wollte man nicht einmal diese aufrichten. Die Kosten für eine zweite Säule vor dem Schloßtor, also auf Amtsgebiet, sollten später die Dorfschaften des Amtes aufbringen. Diese beschwerten sich aber im Juni 1729 über die Zumutung und verwiesen darauf, daß es die Stadt ja auf sich genommen, eine zu setzen. Sie hätten schon Mühe damit, die hölzernen Arm~ und Wegesäulen auf die befohlene Art herzustellen.
Die Armut wäre bei ihnen in Anbetracht der Mißernten so groß,
'daß viele eher die liebe Sonne ins Haus scheinend als einen Groschen Geld darin haben'.
So wurde dann schließlich befohlen,
NUR EINE SÄULE MITTEN IN DER STADT aufzustellen.
In den Akten befindet sich ein Entwurf der
BESCHRIFTUNG für die Säule mit der Jahreszahl 1730 über dem Posthorn.
Gr. bedeutet Grenze. Die gesperrt gedruckten Orte sollen wegbleiben, wenn kein Platz vorhanden. Bei manchen Orten konnten die Stunden noch nicht angegeben werden, da die Entfernungen noch nicht berechnet waren. Orte mit Zahlen davor sind Poststationen.
Mit der Eröffnung der ersten Eisenbahnstrecken um 1870 fand die Romantik und altväterliche Gemütlichkeit der Postkutschenfahrten ihr Ende. Die
POSTSÄULEN fielen zum größten Teil, in Verkennung ihres kulturhistorischen Wertes, der Zerstörung zum Opfer. Sie wurden abgerissen, zerschlagen, zur Straßenbefestigung verwendet, oder achtlos in die Ecke geworfen und so den Blicken der Nachwelt entzogen.
Ähnlich erging es auch der
SENFTENBERGER POSTSÄULE:
sie wurde abgebrochen und blieb dann jahrelang verschwunden.
Später fand man den mit wundervoller Bildhauerarbeit versehenen oberen Teil auf der Bastion des Schlosswalles und er bekam sogleich einen Ehrenplatz im Heimatmuseum.
"Einer Anregung, eine nachgebildete POSTSÄULE auf dem Markte zur Aufstellung zu bringen, ist leider nicht Folge geleistet worden."
merkte man wehmütig im Jahre 1928 an.
Viele Jahrzehnte später, im Milleniumsjahr 2000, wurde dann doch noch einer Kopie des einstigen Wegzeichens die große Ehre zuteil, den Gästen unserer Stadt auf dem Marktplatz in altbekannter Manier "die Richtung zu weisen"...
