10.11.2019

Senftenberg
Verlag v. Erich Krause,
Senftenberg.
Aufnahme <= 1914
Sammlung Fred Förster
Zweimal Ostpromenade... jeweils in die entgegengesetzte Richtung fotografiert.
Während das linke Stück den meisten wahrscheinlich bislang nicht bekannt war, kennt sicher jedermann das rechte Exemplar zur Genüge. Immerhin präsentiere ich heute das Motiv in der mittlerweile vierten Inkarnation.
Darüber hinaus gehört die Aufnahme zu den Klassikern unter den historischen Senftenberger Ansichten.

Das Haus, welches links angeschnitten zu sehen ist, hat für www.gruss-aus-senftenberg.de eine ziemliche Relevanz. Arbeiteten doch von hier aus über mehrere Jahrzehnte ununterbrochen die unterschiedlichsten Fotografen, die für eine ganze Reihe von Ansichtskarten und Fotos verantwortlich waren, die ich hier so in den letzten 9 Jahren präsentieren durfte.

Über dieses Durchreichen des symbolischen Fotografen-Staffelstabes berichtete ich schon an früherer Stelle. Nämlich hier.
Die dort aufgeschlüsselte Historie kann ich heute zumindest ein wenig erweitern...
Nach den Einzelunternehmen Hermann Meyer, Rudolf Käding und Wilhelm Theinert befand sich ab ca. 1955 ein Foto-Labor der HO in den Räumlichkeiten (siehe Reklame links) und setzte damit die Tradition noch einige Zeit fort.

Senftenberg
No.554.
Verlag Wilh. Brückner,
Senftenberg, Bahnhofstr. 27.
11 374B
Aufnahme <= 1906
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberg Senftenberg Senftenberg

Apropos "Reklame"... Ohne die kamen natürlich auch Fotografen nicht aus und eine ganz spezielle Form soll deswegen den heutigen Schwerpunkt bilden:

Senftenberg
Paul Leinert, Dresden
Aufnahme <= 1910
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberg
Aufnahme <= 1910
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberg
Paul Leinert, Dresden
Aufnahme <= 1910
Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberg
Aufnahme <= 1910
Sammlung Matthias Gleisner
Um zu erklären, worum es sich bei den vier oben abgebildeten Exponaten handelt, muß ich etwas ausholen bzw. Wikipedia & Co. bemühen.

Mit Visitformat, auch Carte de Visite (Abkürzung CdV), bezeichnet man eine auf Karton fixierte Fotografie im Format von ca. 6 × 9 cm.
Ab ca. 1860 wurde die Carte de Visite sehr populär und trug wesentlich zur Verbreitung der Fotografie bei. Nach 1915 ist sie nur noch sehr vereinzelt zu finden. In der historischen Literatur findet man auch Begriffe wie Visitkarte und Visitkarton, wobei das französische Wort Visite in Verbindung mit einem deutschen Wort verwendet wurde.
Carte de Visite-Fotografien waren auf Karton aufgezogene Papierkopien von Kollodium-Nassplatten-Negativen und seit 1864 um mit Uran-Kollodium überzogenem Papier. Dieses Wothlytypie-Verfahren ermöglichte es, direkte Abzüge zu erhalten und auf Papier zu ziehen.
Die Kartons, auf denen die Abzüge aufgeklebt waren, wurden u. a. von spezialisierten Herstellern angeboten. Der Verkauf geschah durch den Handel mit photographischen Artikeln. Zu Beginn der Popularität war der Karton minderwertig, ca. 0,4 mm stark und von Hand beschnitten. Die Stärke des Kartons nahm im Lauf der Zeit zu, ca. 0,1 mm pro Jahrzehnt. Dies galt in der Regel für CdV-Formate, bei größeren, die später aufkamen, und damit auch kostspieligeren Formaten war von Beginn an die Stärke ca. 1 mm. Diese Stärke ließ es zu, schräge und farbige Schnittkanten herzustellen.

Die Rückseiten wurden mit der Zeit immer aufwendiger gestaltet.

Es handelt sich also bei den 4 Abbildungen oben um die Rückseiten von Fotografien der soeben beschriebenen Machart im CdV-Format von 6 × 9 cm. Die Vorderseiten mit der tatsächlichen Fotografie sind für Heimatforscher eher uninteressant. Höchstens wenn man dabei das Bildnis einer bekannten lokalen Persönlichkeit in der Hand hätte. Das ist heutzutage aber so gut wie ausgeschlossen, es sei denn das Stück wäre jahrelang in Familienbesitz gewesen und man könnte die darauf abgebildete Person mit Sicherheit verifizieren. Die Chancen dafür stehen jedoch nicht allzu gut.
Stattdessen findet man auch heute noch unglaublich viele dieser Fotos auf Trödelmärkten und in Internetauktionen. Ein Grund dafür dürfte sein, daß dieses Format einstmals eine unheimliche Popularität genoß. Die Kosten für ein derartiges Foto waren damals wegen seiner rationellen Herstellung sehr gering. Und so war es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts üblich, Visitenkartenporträts zu verschenken und in Alben zu sammeln. Diese Alben hatten Seiten mit vorgefertigten Fächern (Passepartouts), in die dann die genormten Fotos eingeschoben werden konnten. Außerdem sind die Stücke aufgrund des stabilen Kartons nahezu unverwüstlich.

Wie gesagt, die Vorderseiten sind für mich nicht ganz so interessant wie die Rückseiten. Leider war Hermann Meyer der einzige Fotograf in Senftenberg als dieses Format und mit ihr die vergleichsweise opulente Gestaltung der Kartonrückseiten in Mode war. Deshalb kann ich nur Teile zeigen, die seinen Namen tragen. Als Meyer im Jahr 1910 sein Geschäft in Senftenberg auf- und an Rudolf Käding übergab, hatte sich das Format bereits überlebt.

Käding verwendete das ganz rechte Meyer-Sujet in leicht modifizierter Form noch für seine Kabinett-Fotos, die von der Machart genau wie die CdV-Produktionen, jedoch um einiges größer waren. Deshalb gehe ich insgeheim auch davon aus, daß das rechte Stück das zeitlich jüngste ist. Das Motiv ganz links liefert uns noch die Zusatzinformation, daß Meyer auch in Liebenwerda und Herzberg eigene Fotoateliers betrieb. Auf diesen Umstand wird auf den anderen Stücken nicht (mehr) hingewiesen. Deshalb vermute ich, daß es sich ganz links um das älteste des Quartetts handelt.
Höchstwahrscheinlich existierten noch weitere Designs oder aber Abwandlungen der vier hier vorgestellten. Von dem zweiten von links gab es mit Sicherheit eine "Negativvariante"... helle Umrisse auf dunklem Grund.
Das Verfahren, Fotos auf stabilem Karton zu fixieren hielt sich noch eine Weile. Beispielhaft sollen hier die "Erinnerungen an meine Schulzeit" - Stücke genannt werden. Die Gestaltung der Kartonrückseiten geriet dabei jedoch völlig in Vergessenheit. Wenn überhaupt, dann wurde die Firma des Fotografen bildseitig erkennbar gemacht.