Neues 213 - 2016-01-31

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Matthias
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Neues 213 - 2016-01-31

Beitragvon Matthias » So 31. Jan 2016, 09:36

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Harald
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Re: Neues 213 - 2016-01-31

Beitragvon Harald » So 31. Jan 2016, 10:37

Zampern Briefmarke_resize.jpg
Gegenwärtig kann man schon mal ab & an auf irgendeiner Dorfstraße, die man nichtsahnend mit dem Auto befährt, einer ZAMPERGESELLSCHAFT begegnen.
Dann wird man zwangsläufig auch schon mal "zur Kasse gebeten" und entrichtet, sofern man ähnlich frohgelaunt ist wie das bunte Völkchen, auch gern einen kleinen Obolus. So lange es bei einer fröhlich-höflichen Bitte bleibt, nimmt man es auch gelassen hin.
Etwas ungehalten konnte man allerdings schon werden, wenn quer über die Dorfstraße eine "Zollschranke" errichtet und die Durchfahrt nur nach Zahlung einer "Durchreisegebühr" gestattet wurde.
Diese Wegelagerei ist aber inzwischen untersagt worden.

Ich möchte Sie nun über die Gepflogenheiten dieses alten sorbisch-wendischen VOLKSBRAUCHES aufklären. Immerhin haben die meisten Orte unserer Region eine wendische Tradition aufzuweisen, welche sich an den ehemaligen ORTSNAMEN der Senftenberger Kirchengemeinde ablesen lässt:

Kirchgemeinde SFB 1880_resize.jpg

Ich habe mich hierzu in verschiedenen Publikationen, wie z.B.
>Der praktische Schulmann: Die Wenden & ihre Geschichte< (1868),
>Wendisches Volkstum< (1882),
>Das Wendentum in der NL< (1893) u. a. kundig gemacht.
Ich werde die in den Quellen verwendete Erzählstruktur beibehalten, also nicht auf die Gegenwart beziehen und dabei sprachlich verändern. Also aufgemerkt:
das "HEUTE" von 1868 ist für uns inzwischen "VORGESTERN" !


Die frühestens Ende Januar, spätestens Ende März abgehaltene FASTNACHTSFEIER, welche ehemals eine ganze Woche in Anspruch nahm, ist jetzt fast überall auf 3 - 4 Tage beschränkt.
Als besonderer Freudentag gilt der zweite Tag, an dem unter allerlei Mummenschanz das

ZAMPERN oder ZEMPERN
camperowač [zamprowasch]
Festgaben sammeln

stattfindet.

Die Wurzeln des ZAMPERNS liegen in vorchristlicher Zeit.
Mit magisch-kultischen Elementen wie Lärm, Maskerade, Rutenschlagen und Tanz sollten Dämonen und Gefahren vom Dorf abgewendet werden. Verschiedene SYMBOLFIGUREN waren früher in jedem ZAMPERZUG vertreten: der BÄR als Symbol für den abziehenden Winter, der STORCH und der SCHIMMELREITER als Symbole für den Frühling, sowie die ZWEIGESICHTIGE FRAU „Die Tote trägt die Lebende“. Diese ZAMPERFIGUREN sollten die Kräfte der Natur beeinflussen. Heute haben sie ihre Bedeutung verloren und sind nur noch selten in den lustigen ZAMPERGESELLSCHAFTEN zu finden.
Stattdessen veranstaltet die Jugend von heute, Burschen & Mädchen in bunten Kostümen, einen Umzug mit Musik durch das ganze Dorf.
Wo sie Einlass finden, gehen sie in die Häuser, bekommen dort Essen oder Trinken und tanzen. Der Einsammler trägt einen Weiberrock und eine Kiepe auf dem Rücken, die anderen Larven vor dem Gesicht, Flachs auf dem Kopfe und Flachsbärte über den Gesichtern. Früher verkleideten sich etliche Jünglinge als Polizisten, Soldaten, Zigeuner - die meisten aber tragen nur bunte Hüten, Bänder und Scherzbrillen.
Von Spielleuten begleitet gehen sie des Vormittags durch das ganze Dorf und singen z.B.:

Eier in den Kober [Korb], Geld in die Tasche,
Branntwein in die Flasche.
Lasst mich nicht zu lange steh'n.
Wir wollen heut' noch weiter geh'n.
Gebt ihr mir 'n Stück Speck,
geh' ich von Eurer Thüre weg.


Zamperzug 1906_resize.jpg

Man sammelt in Kiepen und Körben allerlei Speisen ein oder bindet, was von den Leuten gern gespendet wird, an Weidenknütteln fest.
Da kommt eine ganz erkleckliche Menge an Würsten, Speck, Schinken, Butter, Eiern, Pfennigen und Groschen zusammen.
Zum Dank wird mit den Hausherren ein Schnäpschen, ein "palenc", getrunken und mit der Hausherrin ein Tänzchen gewagt.

Im Mittelalter und bis in die neuere Zeit hinein waren diese Bittgänge zur Ausgestaltung der FASTNACHTSFEIER auch in den Städten allgemein üblich. Außer der Jugend beteiligten sich auch die ZÜNFTE daran.
Ihre mannigfachen Wünsche brachten sie in überlieferten Versen vor, von denen aber nur Bruchstücke im Volke erhalten geblieben sind.
In SENFTENBERG hießen diese Umzüge bezeichnenderweise BETTELTÄNZE, und es ist nicht ausgeschlossen, dass wir es hier mit Resten heidnischer Gottesverehrung zu tun haben. Auch die Ausgelassenheit und Zügellosigkeit, die bei diesen Veranstaltungen herrschte, deutet darauf hin, denn Mäßigkeit und Ehrbarkeit galten bei den Opferfesten nicht als Tugend, Narretei und Unmäßigkeit dagegen als besondere Frömmigkeit. Was wunder, wenn alt und jung, reich und arm einmal im Jahre nach Vorväter Brauch der strengen behördlichen und kirchlichen Zucht zu entrinnen suchte und sich beim ZAMPERN gründlich austobte.

Am Mittwoch bereiten die Mädchen im Wirtshaus Speisen aus den gezamperten Lebensmitteln. Am Abend findet sich die Jugend bei Bier und Branntwein zum EIERESSEN zusammen.
Abends wird in der geräumigen Gaststube der Schenke nach den Klängen von Dudelsack und dreisaitiger Fiedel fleißig getanzt.
Alles ist da. Kranke vergessen ihre Schmerzen, Betagte ihr Alter, und wer Sorgen hat, der lässt sie für einige Tage dahinfahren.
Selbst die alten Frauen dürfen keinen Tanz abschlagen. Verheiratete Frauen und nicht mehr ehrbare Mädchen, die sonst öffentlich nicht zu tanzen pflegen, machen an diesen Tagen eine Ausnahme.
Allenthalben gilt der Glaube, der Flachs wachse recht gut, wenn man mit einem großen Bursche tanzt, und je höher man beim Tanzen springe, desto besser gerate der Flachs. Nach einer alten Bauernregel deuten auch lange Eiszapfen im Winter auf hohen Flachs im kommenden Jahre hin.

Zamperzug_resize.jpg

In einer Pause geben die ZAMPERBURSCHEN an Hand ihrer Liste bekannt, was jeder einzelne gespendet hat, wobei manchem Knicker nicht ganz wohl zu Mute ist. Jeder ZAMPERBURSCHE trägt am Hute einen Strauß künstlicher Blumen mit langen, bunten Bändern, den ihm ein MÄDCHEN des Dorfes, das ihn gut leiden mag, gestiftet und angesteckt hat. Die Mädchen müssen auch die Jungen freihalten und für die Spielleute und den Trunk bezahlen. Dies hält sich aber in Grenzen, da die im verflossenen Jahre verheirateten jungen Wirte bei dieser Gelegenheit der in der Schenke anwesenden Jugend ein gehöriges Quantum Bier zum besten geben.
Was das Tanzen betrifft: am FASTNACHTSSONNABEND tanzt nachmittags das junge Volk und abends sind die Verheirateten dran;
am FASTNACHTSSONNTAG ist es umgekehrt.

Und nun aufgepasst: Sollten Sie in den nächsten Tagen am Ortseingang irgendeines Dörfchens diese ANSAGE lesen:
Liebe Leute, lasst Euch sagen:
FASTNACHT ist in diesen Tagen.
Drum laden wir Euch herzlich ein
zum Singen, Tanzen, Fröhlichsein !

oder beim Näherkommen ein Schifferklavier, eine Teufelsgeige und diverse Blasinstrumente hören, dann machen Sie sich gefasst auf kunterbunte, leicht alkoholisierte Gestalten, die es auf Ihr Kleingeld abgesehen haben... :-)

Fastnachtskapelle_resize.jpg


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