Wenn man in grauer Vorzeit ein
BILD von etwas oder von jemandem haben wollte, musste es gemalt oder gezeichnet werden. Das änderte sich mit der
FOTOGRAFIE.
Bis dato wussten die
LEUTE meist gar nicht, wie ihr
KÖNIG, geschweige denn andere berühmte
PERSÖNLICHKEITEN aussahen.
Später ließ man auch gern
FOTOS von
SICH und diversen
VERWANDTEN machen. Zuvor wussten die meisten Leute gar nicht, wie ihre
ALTVORDEREN als Kinder ausgesehen haben, denn
GEMÄLDE malen lassen war sehr teurer. Einige Zeit später lernte man bereits,
FOTOS zu vervielfältigen und veröffentlichte sie dann, erst einmal noch sehr sparsam in
ZEITUNGEN und lösten dann in den ab 1930 aufkommenden
>ILLUSTRIERTEN< eine wahre
„BILDERFLUT“ aus.
„Da eine gelungene FOTOGRAFIE ein ewiges ANDENKEN bleibt, ist das FOTOGRAFIEREN inzwischen zum allgemein anerkannten, nothwendigen UEBEL geworden!
Es scheint, daß in unseren Tagen kaum Jemand dem Schicksale, fotografiert zu werden, entgehen kann.“
Diese schon vor 100 Jahren getroffene
FESTSTELLUNG lässt sich allerdings sehr wohl auch auf die
GEGENWART übertragen, denn
wo es noch in meiner Jugendzeit überaus selten war, eine kompakte
KAMERA oder umgangssprachlich einen
„FOTOAPPARAT“ zu besitzen,
reicht den meisten heutzutage das
HANDY, das man fast immer mit dabei hat.
FOTOGRAFIEREN MIT DEM SMARTPHONE ist mittlerweile etwas ganz Alltägliches geworden.
Noch vor wenigen Jahren konnte sich niemand vorstellen, dass wir unsere
SMARTPHONES einmal an ausziehbaren
STANGEN befestigen, die wir in verrückten
POSEN von unseren Körpern weghalten, um
SELBSTPORTRÄTS zu schießen.
Ich halte mich aber an den GRUNDSATZ: Wer keine Zeit hat, mag Selfies am laufenden Band produzieren.
ZUM FOTOGRAFIEREN ABER BRAUCHT MAN ZEIT!
…aber auch viel
ERFAHRUNG, wie ein altgedienter
FOTOGRAF zu berichten weiß:
„Ein ewiges ANDENKEN bleibt eine gelungene FOTOGRAFIE: Seitdem ich diese >Menschenvervielfältigung< gelernt hab, sind mir schöne SACHEN untergekommen:
Jede Kundschaft hat andere Schmerzen! DER braucht einen SONNENUNTERGANG zu seinem Porträt, DIE will wieder einen WASSERFALL MIT MONDBELEUCHTUNG,
wieder eine ANDERE den hinabsinkenden ABENDSTERN mit etwas GEBIRGSLANDSCHAFT, und ich darf die schönen GEGENDEN & NATURERSCHEINUNGEN vorräthig haben wie die Köchin den Salat.
In der AUFGABE DES FOTOGRAFEN liegt es, die zum PORTRÄTIEREN bestimmte PERSON, wenn das POTRÄT Effect erreichen soll, in eine LEICHTE STELLUNG zu bringen: es darf der KOPF weder zu hoch noch zu niedrig, die HÄNDE & FÜSSE weder steif noch zu weit hervorgehalten werden, sondern so viel als möglich nahe an den Körper angezogen liegen. Das GESICHT kann etwas freundlich, aber nicht lächelnd sein, weil sonst der MUND sehr breit wird; auf die KÖRPERKONSTITUTION muss Rücksicht genommen werden. Eine magere Person zeigt sich im Porträt am besten EN FACE, eine dicke hingegen gut im PROFILE.
Bei Aufnahme von einer GRUPPE erfordert die Bedingung zu einem schönen Bilde, dass die PERSONEN dem Objektive zu, in einem HALBKREISE gestellt werden,
so zwar, dass die in der MITTE Stehende am entferntesten bleibt, jedoch darf diese Entfernung von den Nebenstehenden nur 4 – 6 Zoll betragen.
Die Aufnahme von LANSCHAFTEN & HÄUSERANSICHTEN erfordert eine günstige Beleuchtung, eine helle, windstille Witterung und einen günstigen Aufnahmeplatz. Ob eine Ansicht bei SONNE oder im SCHATTEN sich effektvoller präsentiert, will ich nicht entscheiden; mir gefallen letztere besser.“ In unserer Heimatstadt
SENFTENBERG machten vor allem die Foto-Ateliers von
MEYER, KÄDING, KACHEL & WEISSGÄRBER von sich reden.
Letztere teilten sich im Jahre 1924 laut
WERBUNG im >Senftenberger Anzeiger< die Anfertigung von
PORTRÄT~ & PASSFOTOS scheinbar „brüderlich“. Die Gebrüder
KACHEL bedienten ihre Kundschaft
SENFTENBERG & GROSSRÄSCHEN in separaten Ateliers, und kümmerten sich darüber hinaus auch noch um Gebrauchsfotografie in
RUHLAND, während sich
WEISSGÄRBER mehr auf den Verkauf von
KAMERAS & ZUBEHÖR spezialisierte, wie man in o.a. Zusammenstellung sehen kann.
Apropos: WERBUNG
In einem Berliner Lokalblatt wurde 1923 von folgendem
FAULEN WERBETRICK berichtet:
„Ein Herr FOTOGRAF nimmt sich AGENTEN auf, die er gegen PROVISION mit EINLADUNGSKARTEN zum Besuch seines Ateliers überall rumschickt.
Mit derlei KARTEN gehen sie in den unterschiedlichsten WIRTHSHÄUSERN herum und bieten sie den GÄSTEN, meist Dienstboten, Gesellen, Lehrbuben, für 10 Mark Anzahlung an, welche die KARTEN kaufen, um sich laut aufgedruckter PREISLISTE billig abfotografieren zu lassen.
Kommt nun ein KUNDE mit solch einer KARTE, so sagt der FOTOGRAF, daß er diese nicht hat drucken lassen und verweist auf einen herumtreibenden SCHWINDLER.
Die KUNDSCHAFT, die nun einmal da ist, lässt sich schließlich bereden, sich für einen HÖHEREN PREIS fotografieren zu lassen. Die AGENTEN bekommen KEIN GELD,
da der FOTOGRAF nur immer sagt, daß niemand mit einer solchen KARTE gekommen ist. So macht der Herr FOTOGRAF seine >sauberen Geschäfte<.“
STILLSITZEN fällt schwer, auch wenn es nur ein paar Sekunden sind. Genau so viel Zeit benötigte damals ein
FOTOGRAF, um im Atelier ein gelungenes
PORTRÄT seiner Kunden anzufertigen.
UNRUHIGE MODELLE & LANGE BELICHTUNGSZEITEN stellten den Porträtfotografen demnach vor einige technische Schwierigkeiten. Vor allem
KINDLICHER BEWEGUNGSDRANG brachte manchen Fotografen zur Weißglut:
„Es war ein Stück Arbeit, einen verzogenen KNABEN zum Sitzen zu bringen. ER that es erst, nachdem ihm nach 4 verdorbenen Fotoplatten ein lebendiges Pferd, meine goldene Uhr, eine Flinte und ein aus dem Fotokasten fliegenden Papagei versprochen wurde. Als letzteres nicht geschah, ging er mit seiner Peitsche wütend auf den Fotokasten los…“ (1880 Local-Anzeiger)
SÄULEN, BALUSTRADEN & TISCHE dienten nicht nur zur
DEKORATION des Ateliers oder zur
BILDKOMPOSITION, sondern sie wurden auch als
STÜTZEN genutzt, um den zu porträtierenden Personen Gelegenheit zu geben, sich festzuhalten.
Besonderer Beliebtheit unter den Fotografen erfreuten sich jedoch
KOPF~ & KÖRPERHALTER, die sich mit Gelenken, Stangen und Schrauben und in ihren unterschiedlichsten Ausformungen an jede Körpergröße anpassen ließen. Als freistehendes Konstrukt oder zum Anschrauben an Stuhl- und Sessellehne gaben sie Rücken und Kopf des Kunden den nötigen
HALT. Der starre Blick und die oft steif wirkende Körperhaltung der Fotografierten mag mit dem Einsatz solcher Instrumente zusammenhängen.
Mit derartigen
KOPF/KÖRPERHALTERN wurden auch sogenannte
>POST MORTEM FOTOS (nach dem Tod)< angefertigt
(siehe oben braunes Foto rechts)Bei unseren Altvorderen wurden im ganzen Leben, wenn überhaupt, nur sehr wenige
FOTOS gemacht: bei der
GEBURT / TAUFE, KONFIRMATION, bei der
HOCHZEIT und eventuell noch
NACH DEM TODE. Fotos waren teuer. Wenn nun aber jemand verstarb, bevor ein
FOTO von ihm gemacht wurde, dann wollte man dennoch ein
BILD haben,
auf dem er lebendig wirkte, einfach, weil man eben keines hatte…