Heute möchte ich auf die kürzlich gemachte Randbemerkung unseres treuen Heimatforscherkollegen
KLAUS HAUPTVOGEL eingehen, und die im Hintergrund einer
SEE – BILDPOSTKARTE „in weiter Ferne“ zu sehenden
SCHORNSTEINRIESEN
etwas näher unter die Lupe nehmen.
Neben den wie Mondlandschaften anmutenden
TAGEBAUGRUBEN prägten vor allem die
SCHORNSTEINE als symbolhafte
„INDUSTRIE-LEUCHTTÜRME“ bis zur Jahrtausendwende das Bild unserer
SENFTENBERGER BRAUNKOHLENREGION.
Auf dem Fotoausschnitt, der, wie man sehen kann, sogar seinen Platz auf einem
SCHMUCKBRIKETT fand, erkennt man links zwei kleine Schornsteine der
BRIKETTFABRIK „Franz Mehring“; rechts die zwei hohen des
GRUBENKRAFTWERKS Brieske.
Viele Badegäste und Segler konnten einstmals diesen Anblick genießen und ließen sich dabei auch nicht vom Kohlenstaub stören, der bei „ungünstigem Wind“ wie ein leichter Film die Wasseroberfläche überzog.
Als ich am 1. September 1966 zu meinem ersten Schultag als Lehrer mit dem Fahrrad gen
BRIESKE-OST fuhr, sah ich dann diese
„LANDMARKEN“ aus nächster Nähe:
Zwei dickbauchige
KÜHLTÜRME und zwei schlanke, 140 Meter hohe
SCHORNSTEINE überragten einst sehr deutlich den weithin sichtbaren
KIRCHTURM und prägten die
SILHOUETTE dieser Bergarbeitersiedlung.
Die hier wohnenden Bergarbeiterfamilien hatten eine engere Beziehung zur „Energie“ als die Klimaretter von heute, bei denen sich dieser Begriff nur auf Steckdose und Heizkörper reduziert. Die Kumpel von einst hatten nämlich auch die Mühen der Energieerzeugung im
KRAFTWERK BRIESKE kennen gelernt und konnten mit Energie sehr gut umgehen.
In den Jahren 1962 bis1966 erbaut und in Betrieb genommen, versorgte es 33 Jahre lang nicht nur die
TAGEBAUE und die
BRIKETTFABRIKEN Brieske, Fortschritt, Impuls und Meurostolln mit Strom und Dampf, sondern auch die neuen Wohngebiete der Stadt Senftenberg und Teilgebiete der Gemeinde Brieske mit Fernwärme.
Ich radelte damals gemeinsam mit Bergleuten und Angestellten des
BRAUNKOHLENKOMBINATS in einem nicht abreißenden Fahrradstrom bei Wind und Wetter meinem Arbeitsort, der
POS BRIESKE, entgegen – auch samstags, denn die 5-Tagewoche für Schüler und Lehrer kam erst mit der
WENDE. Mit ihr kam aber leider auch das Ende der
ÄRA "BRAUNKOHLE" in unserer Region, da sich ein bedeutender Rückgang im Bedarf und Einsatz von Braunkohle und Briketts vollzog – der Absatz brach innerhalb von 3 Jahren ein.
1988 arbeiteten im
KRAFTWERK noch 293 Personen, davon 192 im Schichtbetrieb, 84 in der Tagschicht und Verwaltung.
NACH DER WENDE zeichnete sich mit dem Auslaufen des Tagebaus Meuro auch die Schließung dieser Energiezentrale ab.
Aus „Kumpeln“ wurden „Arbeitnehmer“ und nur ganze 61 von ihnen führten im Dezember 1999 den
ABFAHRPROZESS des Kraftwerks durch.
Die Stromerzeugung wurde am Standort Brieske eingestellt – die Produktion von Wärme erfolgt nun mit dem in der Nähe neu errichteten
HEIZKRAFTWERK.
Das
KRAFTWERK mit seinen vier Türmen war über Nacht für immer verschwunden -
PLATT GEMACHT, sagen die ehemaligen Bergleute.
Nur eine
E-LOK mit Kipper, die am 25. Dezember 1999 den letzten Kohlenzug aus dem Tagebau Meuro in das Kraftwerk Brieske gezogen hatte,
grüßt nahe dem Ortsausgang der heutigen Gartenstadt Marga als Denkmal einstiger Bergbautradition wehmütig herüber.
Es erinnert an eine große Zahl von Menschen in unserer Region, die ihre Arbeit von heute auf morgen verloren.
In fast jeder Familie gab es damals jemanden, der in der Kohle tätig war. Zu DDR-Zeiten war es für meine Schüler sehr attraktiv, spätestens nach der 10. Klasse abzugehen und in der Kohle anzufangen.
Das Wort „
MASCHINIST“ stand bei vielen meiner damaligen Schüler als Berufswunsch fest, denn in der „
KOHLE“ – das wusste jeder – konnte man gutes Geld verdienen. Also wurde man
MASCHINIST für Tagebaugeräte, Brikettierung oder eben für Kraftwerksanlagen. Für letzteren Ausbildungsberuf war aber schon ein etwas besseres Schulzeugnis erforderlich. Die
SCHULABGÄNGER DER WENDEJAHRE hatten es dagegen weitaus schwerer, ihren Platz im Berufsleben zu finden.
Am 24. Juni 2000 fielen die beiden
"LEUCHTTÜRME" des einstigen Kraftwerkes in
SCHUTT & ASCHE.
Viele
SCHAULUSTIGE hatten sich, von der Wache 2 in der Briesker Straße aus, auf einen 20-minütigen Fußweg zur festgelegten Sicherheitslinie begeben,
um die Sprengung der Stahlbeton-Schornsteine mit einem Gewicht von je 2936 Tonnen zu verfolgen.
Die Sprengmeister hatten rund 200 Bohrlöcher gesetzt und mit ca. 40 kg Sprengstoff gefüllt.
Exakt um 12.40 ertönte ein langer Signalton:
„Achtung, es wird gesprengt !“ Kurz darauf – zwei kurze Signaltöne
„Achtung, es wird gezündet !“ Um die Aufprallerschütterungen zu minimieren, wurden die beiden Schornsteine in einem Zeitabstand von 5 Sekunden gesprengt.
Es dauerte nur wenige Augenblicke und die beiden „Riesen“ kippten wie in Zeitlupe -
und schlugen der Länge nach, wie zwei gefällte Riesenbäume, in einer rotbraunen Staubwolke auf – verabschiedeten sich endgültig von dieser Welt.
Fast alle
SCHORNSTEINE in unserer Region sind auf diese Art und Weise inzwischen vom Erdboden verschwunden.
Das nützt sicher der Umwelt, jedoch gingen dadurch Teile einer Vergangenheit für immer verloren, die die Menschen im „
KOHLENPOTT“ dauerhaft geprägt hatten. Eine
SPRENGLADUNG reißt nicht nur einen Schornstein mit, sondern auch ein Stück gelebtes Leben.
Wie stark die Menschen mit ihrer Arbeit und den Orten ihres Schaffens verbunden waren, wird gerade bei solchen Ereignissen deutlich:
19. Mai 2001: Sprengung des
MASCHINENHAUSES18. August 2001: Sprengung des
KESSELHAUSES16. März 2002: Sprengung der
KÜHLTÜRMEUnd auch für das
>BLAUE WUNDER< am Lausitzring schlägt scheinbar schon das „Totenglöcklein“…
HUMOR ist, wenn man trotzdem lacht:
Bei einem
KLASSENTREFFEN witzelte ein ehemaliger Schüler:
„Immer dann, wenn im Kraftwerk aus dem Überdruck-Ventil der Dampf in den Himmel geschleudert wurde,
konnte man im Klassenraum minutenlang sein eigenes Wort nicht verstehen.
Ein Lehrer-Schüler-Gespräch war unmöglich.
DAS WAR KLASSE…!“ ÜBRIGENS waren die riesigen
SCHORNSTEINTÜRME auch das
AUSHÄNGESCHILD der >BRIESKER KNAPPEN<