In Anwesenheit zahlreicher Persönlichkeiten verlieh die Witwe ROSA THÄLMANN am 4. Juni 1955 der >INGENIEURSCHULE SENFTENBERG< den Namen ihres ermordeten Mannes, des Antifaschisten
>ERNST THÄLMANN<.
Davon kündete einst das EHRENMAL vor dem Eingang der Bildungseinrichtung. Meiner und Teilen der nachfolgenden Generation dürfte allerdings auch das LIED, welches dem u.a. FILM-TRAILER unterlegt wurde, noch einigermaßen vertraut in den Ohren klingen:
„Breit in den Schultern steht wieder Thälmann vor uns, wie er war“ Das sogenannte >THÄLMANN-LIED<, für das Kuba (Kurt Barthel) den Text und Eberhard Schmidt die Melodie geschrieben hatten, sangen natürlich vor allem die Kinder, die in der DDR automatisch zu „THÄLMANNPIONIEREN“ wurden. Es gehörte selbstredend zum Pflichtlieder-Kanon des Musikunterrichts in den Schulen. Sogar lebendig wurde Thälmann wieder, jedenfalls in Kubas Lied: „Thälmann ist niemals gefallen. Stimme und Faust der Nation.“ In der DDR wurde er zum überall präsenten Helden. Wer zählt all die nach Thälmann benannten Straßen, Plätze, Schulen, Betriebe, Kasernen, all die Büsten und Denkmäler, Thälmann-Haine und Thälmann-Parks? ERNST THÄLMANN – der schmucke Arbeiterführer machte nicht nur mit offenem Hemdkragen eine gute Figur, sondern auch in der Uniform des von ihm gegründeten Rotfrontkämpferbundes. Rhetorisch begabt war er offensichtlich auch. Zum idealisierten Bild des „Helden ohne Fehl und Tadel“ gehörten sein stetes Lächeln und seine für einen Hafenarbeiter typische und nach ihm benannte Kopfbedeckung, die THÄLMANN-MÜTZE. Hinzu kam der sowohl bei Jungpionieren, als auch alten Genossen so beliebte, knuffige Kosename "TEDDY", der in den „heroischen Kampfzeiten“ zur Tarnung gehörte. Thälmann mochte ihn anfangs nicht, nannte sich aber später selbst so.
Als Höhepunkt der Thälmann-Verehrung galten in der ehemaligen DDR die monumentalen THÄLMANN - FILME der DEFA:
>ERNST THÄLMANN - SOHN SEINER KLASSE< <ERNST THÄLMANN - FÜHRER SEINER KLASSE<
Letzterer sollte eigentlich "HELD seiner Klasse" heißen - wurde dann aber doch zum "FÜHRER" degradiert. Die filmische Würdigung des populären ARBEITERFÜHRERS war ein seit 1949 geplantes Vorhaben der DDR-Spitze. Nach dem Willen der Parteiführung sollte ein Heldenbild ohne Ecken und Kanten entstehen, das sich in die offizielle Ideologie des Arbeiter~ und Bauernstaates einzufügen hat. Basierend auf der von WILLY BREDEL verfassten Thälmann-Biographie ist das filmische Resultat ein aufwändig inszeniertes Gesellschaftspanorama der Zeit von 1918 bis 1944, in dem sich allerdings nahezu jedes Klischee findet, das in das Geschichtsbild und die Weltanschauung der SED jener Jahre passte. Das zweiteilige Mammut-Filmwerk mit 2 bzw. 2½ Stunden Spieldauer wurde von 1953 bis 1955 gebaut und immer wieder geändert. Der damalige Generalsekretär der SED und spätere DDR-Staatschef WALTER ULBRICHT, ließ sich regelmäßig das Drehbuch zeigen, strich Formulierungen, forderte neue Handlungsbögen. Von 7000 ursprünglichen Drehbuchseiten waren im Herbst 1952 lediglich ganze 150 übrig geblieben. Der teuerste Nachkriegsfilm der DEFA kostete schließlich stolze 6,3 Millionen DDR-Mark.
Der junge Schauspieler GÜNTHER SIMON sah darin als Thälmann noch besser aus als Thälmann selbst. Nachdem er für seine Rolle zwei Jahre lang durch die Mühle von Schulungskursen mit russischen Unterweisungen ging, spielte er den Thälmann wie eine Art Wundermann, der mild und wissend, in allen Situationen das rechte Wort, den guten Trost, die schlagkräftigste Aussage zur Hand hat. Mit kahlgeschorenem Schädel, kernigem Silberblick und fast durchweg geballter Faust traf er stets die richtige Entscheidung und marschierte trotz historischer Misserfolge wie beim Hamburger Aufstand „von Triumph zu Triumph“. Ohnehin wurde bei den Thälmann-Filmen nichts dem Zufall überlassen, wie auch ein Ausschnitt aus einem Protokoll des Politbüros des ZK der SED vom 2.07.1954 beweist:
Auch TONTECHNIK – Geschichte wurde geschrieben: Erstmalig verwendete man ein Stereoton-Verfahren. Da man die Thälmann-Filme aber im großen Stil zeigen wollte, für Stereo-Filme jedoch spezielle Abspielgeräte nötig waren, konnten die Streifen letztlich doch nur in Monoton vorgeführt werden. Überhaupt wurden bei der Babelsberger Produktion keine Kosten & Mühen gescheut. Fotos von damals zeigen die Herstellung des mehr als zwei Meter hohen Berliner Reichstagsmodells und den nachgestellten Brand von 1933. Ganze Straßenzüge in Hamburg und anderswo erscheinen als gemalte Hintergründe. Als einer der ersten DDR-Filme lief „Ernst Thälmann“ in Farbe und recht interessant war dabei vor allem die FARBGESTALTUNG. Sie sollte die WAHRHAFTIGKEIT des Inhalts unterstützen: ROT-Töne wurden dabei stets als Symbol für die gesunde Arbeiterklasse und deren kommunistische Revolution eingesetzt. Hingegen waren die Szenen mit den bösen Kapitalisten, also Thälmanns Feinden, GRÜN dominiert, was damit auch die Gesichtsfarben oftmals geradezu widernatürlich erscheinen ließ. Auch wurden die KAMERALEUTE angewiesen, die Nicht-Kommunisten jeweils "etwas höher als in Augenhöhe" aufzunehmen, Thälmann hingegen möglichst von unten, um "durch den tieferen Kamera-Standpunkt das gesprochene Wort zu unterstützen". Von diesem Thälmann sollte nach Möglichkeit nur „Strahlendes, Unwiderstehliches und Überzeugendes“ ausgehen.
Arbeitskollektive, Schulklassen, ja ganze Regimente mussten damals in die Kinos pilgern. Für alle Spielstätten erging der Auftrag, Foyer und Kassenraum „würdig“ auszugestalten. Hierzu gab die Staatsführung 3 Entwürfe vor: eine Fabriksilhouette mit Blumendekoration, eine rote Fahne aus Press~ und Wellpappe oder das Bild einer Hafenanlage, dazu ein „mit rotem Stoff verkleideter“ Holzsockel.
In der DDR gehörte der Film zum PFLICHTPROGRAMM. Bereits einen Monat nach Uraufführung hatten 3 Millionen „begeisterte Besucher“ den ersten Thälmann-Film gesehen, und die DDR-Presse jubelte freudetrunken, „...dass in verschiedenen Dörfern viele Bauern besondere Produktionsverpflichtungen zu Ehren dieses Films übernommen haben. Auch viele Junge Pioniere verpflichteten sich, noch besser zu lernen, Altstoffsammlungen durchzuführen u.v.a.m.“ Ich kann mich rückblickend allerdings nur noch daran erinnern, dass meinen Freunden und mir in der 5. Klasse weniger die pathetischen Rededuelle Thälmanns als vielmehr die abenteuerlichen Katakomben~ und Kampfszenen während des Hamburger Aufstandes vom Oktober 1923 zusagten. Die blutige Filmszene, als ein von „proletarischer Hand“ aus dem Fenster geschleuderter Kohleneimer auf ein Maschinengewehr traf und drei deutsche Soldaten tot liegen blieben, löste Heiterkeit und hellen Jubel im Parkett aus und hatte Folgen: dieser in Agfacolor heldenhaft genießerisch ausgemalte Teil des ersten Thälmann-Films lief später unzählige Male als „Der Hamburger Aufstand“ in ausverkauften, bejubelten Kindervorstellungen. Auch ich habe ihn mehrmals sehen können, dürfen und sicher auch mal müssen…
Das Werk kann nur als einer der wichtigsten PROPAGANDAFILME der DDR gewertet werden. Auf einige markante Szenen, in denen der sowjetische Führer und Genosse Stalin auftrat und dessen Personenkult allzu offensichtlich wurde, mussten die Zuschauer seit 1961 verzichten, wie der Film überhaupt über die Jahre hinweg immer kürzer wurde...
Der Regisseur und „Nationalpreisträger“ Dr. Kurt Maetzig war im Nachhinein vom eigenen „Werk“ unangenehm berührt und übte auch Selbstkritik. Er bekäme stets und ständig „rote Ohren“, wenn er an die beiden „MONUMENTALEN SCHINKEN“ denke. „Unterm Strich sind mir die beiden Thälmann-Filme in vielen Punkten einfach peinlich und absolut unansehbar. Ich habe einzig und allein den Antifaschisten Thälmann porträtieren und nicht als Vorbildgestalt für die Jugend auf einen Sockel stellen wollen…“