war wohl schon zu allen Zeiten kein leichtes Unterfangen, wie uns das
BILD von einer „echten“
RADFAHRSCHULE um 1900 zeigt.
Heutzutage lernen Kinder schon ab einem Alter von etwa drei Jahren auf kleinen chromglänzenden Flitzern das
RADFAHREN.
Mein Großvater brachte es mir erst im Alter von 9 Jahren auf seinem, über Krieg und russische „Einkassierung“ geretteten, uralten
28er MIFA-DAMENRAD bei.
Zur Jugendweihe 1958 bekam ich dann freudestrahlend ein richtiges
26er DIAMANT-HERRENRAD geschenkt, welches danach, durch eine vom Taschengeld finanzierte 3-Gang-Schaltung zum sogenannten
TOURENRAD wurde. Dieses allerdings durch Anbau eines gebogenen Rennlenkers sowie Abbau von Schutzblechen & Gepäckträger zum
RENNRAD „hochzustapeln“ ersparte ich ihm, da meine radsportlichen Ambitionen nicht sehr hoch angesiedelt waren…
Als
HISTORIKER werfen wir nunmehr einen Blick in die Zeit,
ALS DIE ERSTEN >VELOCIPEDES< [FAHRRÄDER] LAUFEN LERNTEN (1869)
"Die Frage, ob dieses moderne
VEHIKEL eine
ZUKUNFT hat, läßt gar keinen Zweifel zu, nur muß es billiger und noch derart vervollkommnet werden, daß man damit
STEIGUNGEN leicht überwinden kann – denn wer wird dann noch
ZU FUSS gehen wollen ?!
JEDER WIRD SEIN VELOCIPED HABEN und nach Belieben benützen.
Der
BEAMTE wird damit in sein Bureau fahren, die
FRAU und die
KÖCHIN werden zum Einkaufe auf den Marktplatz velocipediren; der
NACHTWÄCHTER fährt dann wie ein ‚rasender Roland‘ auf dem Velociped in den Gassen herum, er kann des Nachts paarmal sämtliche Plätze und Straßen kontrollieren. Die
POLIZEI muß unbedingt auch Velocipedes haben; denn an ein Entrinnen der Spitzbuben ist dann gar nicht zu denken – vorausgesetzt, daß die
DIEBE und sonstigen
FREUNDE des fremden Eigenthums selbst das Velociped nicht benützen.
AUF DER PROMENADEUnsere belebten
PROMENADEN bieten dann einen höchst sonderbaren
ANBLICK dar:
Da sieht man
SCHÜRZENJÄGER um die Schönheiten des Tages velocipediren, hübsche
DAMEN fliegen auf Velocipeds herum,
KINDER spielen im Grase auf ihnen, statt der jetzt sichtbaren schwerfälligen und kostspieligen
EQUIPAGEN werden dann Velocipeds in der Front aufgestellt sein,
GESCHÄFTSGÄNGE werden auf diesen besorgt;
PROFESSOREN, STUDENTEN, SCHREIBER, alles velocipedirt in die Schulen & Kanzleien,
BÄCKERJUNGEN eilen in der Frühe zu den Kunden auf Velocipeds,
ALTE MÜTTERCHEN & DIENSTBOTEN in die Kirche;
SCHUSTER~ & SCHNEIDERLEHRJUNGEN bedienen die Herrschaften in Velocipeds,
KELLNER schießen velocipedirend zwischen den Gästen herum,
DIENSTMÄNNER balanciren auf ihren Posten hoch zu Velociped,
BRIEFTRÄGER rennen mit rapider Schnelligkeit von Nummer zu Nummer,
ZEITUNGSTRÄGER galoppiren zu den Abonnenten,
BEAMTE u.a. Untergebene velocepidiren zu Aufwartungen, reisende
GAUKLER geben Vorstellungen auf Kunst-Velocipeden usw.
AUF DEM LANDEWenn es anfangs schien, als ob das
FAHRRAD nur zum
SPORT diene, so hat die Erfahrung gezeigt, daß es thatsächlich durch die staunenswerte Steigerung seiner Leistungsfähigkeit ein wirklich bedeutsames Mittel des allgemeinen Verkehrs geworden ist, und zwar nicht nur in den
STÄDTEN, sondern auch für die
LANDBEVÖLKERUNG, nicht nur zur
PERSONENBEFÖRDERUNG, sondern auch zum
TRANSPORT KLEINER LASTEN.
Auch
AUF DEM LANDE werden in Zukunft die
GERICHTSBOTEN auf Velocipeds ihre Vorladungen & Bescheide zustellen,
BAUERN fahren auf Velocipeden zum Amt, um Steuern zu zahlen, in die Stadt, um Einkäufe zu machen oder ihre Produkte zu verkaufen. Ein
GUTSBESITZER wird nur nach der Anzahl der Velocipeds geschätzt, die sich in seiner Remise befinden; damit ackert er sein Feld, und besorgt alle Geschäftsfahrten. Bald wird die
ENTFERNUNG nicht mehr nach
POSTMEILEN angegeben, sondern nach den
UMDREHUNGEN eines Velocipedrades, in Gebrauch kommen dann über Nacht Velociped-
MEILEN mit Velociped-
MAUTH-STATIONEN…
AUSFLÜGE ÜBER LANDDie sogenannten
‚LANDPARTIEN‘ gewinnen in der
ZUKUNFT bedeutend an
REIZE; denn man denke sich dann eine
GESELLSCHAFT von 20 HERREN & DAMEN – falls sich die Letzteren soweit emancipiren – welche auf
VELOCIPEDES einen
AUSFLUG unternehmen, welch ein interessanter
ANBLICK ! Die
GESCHWINDIGKEIT des Fahrens ist eine sehr bedeutende und mit einer gewöhnlichen
POSTFAHRT gar nicht zu vergleichen.
Eine hervorragende
NEUERUNG bekommt das
‚RENDEZVOUS-GEBEN‘ durch das
VELOCIPED: in stillen Wäldern, in einer Ruine am Fluss, in irgendeinem Hotel – ein paar Meilen weg von der Stadt – denn mit der rasenden Geschwindigkeit des
VELOCIPED ist der weiteste
WEG der jetzigen gewöhnlichen
FUSSPARTIEN auf ein Minimum herabgesunken und solche
PLÄTZE können den
LIEBENDEN Aufenthalt bieten, wo sie ungekannt und ferne der Heimat das
KOSEN der liebenden Nachtigallen nachahmen können.
Daß dann auch in der Zukunft die
WEINKELLERPARTIEN mit dem
VELOCIPED unternommen werden, darf gar nicht bezweifelt werden, wenigstens das
HINFAHREN dürfte keine Schwierigkeit bieten; etwas anderes ist es jedoch, aus dem Keller
NACH HAUSE ZU VELOCEPIDIREN. Wer nach einer
KELLERPARTIE noch auf dem
VELOCIPED die Balance hält, der hat ein Meisterstück geliefert.
Für so manche Anderen dürfte aber bei ähnlichen Gelegenheiten der
STRASSENGRABEN ein willkommener
RUHEPUNKT und das
VELOCIPED für den Moment ein unbrauchbares, überflüssiges
FAHRZEUG geworden sein.“
Um derartigen
AUS~ & UNFÄLLEN vorzubeugen, wurden schon recht zeitnah von der jeweils höchsten kommunalen Instanz
>VERORDNUNGEN, den VERKEHR MIT FAHRRÄDERN auf öffentlichen Wegen betreffend< erlassen, die übermütige
„PEDALRITTER“ disziplinieren sollten:
DAS FAHRRAD ERFREUT SICH ZUNEHMENDER BELIEBTHEIT! (1928)"Der jährliche Umsatz machte in den letzten Jahren 2 bis 3 Millionen Stück aus, an Bereifungen wurden in den letzten Jahren allein 27 Millionen abgesetzt. Deutschland besitzt gegenwärtig etwa 16 Millionen
RADFAHRER. Das
FAHRRAD ist nun einmal
DAS BILLIGSTE VERKEHRSMITTEL für etwa 10 Millionen Menschen, die damit täglich zur
ARBEITSSTÄTTE fahren. Zum allergrößten Teil sind es aber gerade die minderbemittelten und umso erholungsbedürftigeren Schichten, die das
FAHRRAD in freien Stunden benutzen, um schnell & billig in die freie
NATUR zu kommen. Es ist somit das einzige
BEFÖRDERUNGSMITTEL, welches den
FAHRER ZU EIGENER BEWEGUNG IN FRISCHER LUFT anhält…“
Wie nicht anders zu erwarten, traten bald auch die ersten
GEGNER des Radfahrens auf den Plan. Ein französischer
ARZT stellte beim übermäßigen Gebrauch dieser Fortbewegungsart, also nach „längeren Fahrten in lebhafter Gangart“ katarrhalische
KEHLKOPFENTZÜNDUNGEN fest, die sich in folgenden
SYMPTOMEN äußern würden:
„Der RADFAHRER empfindet zuerst ein Gefühl von Trockenheit, von Prickeln und selbst von Brennen in der Kehle, dann fängt er an zu husten und einen schleimigen, manchmal mit Blut gestreiften Auswurf von sich zu geben. Alle RADFAHRER wissen, wieviel KRAFT man anwenden muß, um eine BÖSCHUNG zu überwinden oder eine gewisse Schnelligkeit auf einer guten Straße einzuhalten. Diese ANSTRENGUNG ist die Ursache des ganzen Übels. In der That beugt der RADFAHRER den Körper nach vorn und schadet dadurch der ATMUNG…“ Die Senftenberger
RADSPORTFREUNDE ließen sich davon aber nicht beirren, sondern warben für sich im >Senftenberger Anzeiger< wie folgt:
„Heute, Sonnabend, 14. April 1928, abends 8 Uhr im Hotel >Zum Stern< Senftenberg, Kreuzstraße, VERSAMMLUNG Einzelfahrer des BDR. von Senftenberg, zwecks GRÜNDUNG EINES VEREINS. – Interessenten herzlich willkommen. (H.Liesk, 1. Vorsitzender)"
In der Folgezeit machten in unserer Region weitere
FAHRRAD-VEREINE von sich reden.
Kein Wunder also, dass sich auch in unserer Heimatstadt der
HANDEL MIT FAHRRÄDERN ausbreitete, wie die untenstehenden
INSERATE zeigen. Ich habe die
NAMEN der Geschäftsleute weggelassen, weil es mir vordergründig auf die
ANGEBOTE ankam, bei denen es offensichtlich in erster Linie auf den
VERKAUF von recht vielen
FAHRRÄDERN ankam, weniger auf die
REPARATUR derselben im Schadensfall. Dass der hier vorgestellte
PAUL SLOMKA mit
>SCHNELLSTER REPARATUR< dienen konnte, war 1928 schon fast ein
ALLEINSTELLUNGSMERKMAL, das sicher entscheidend zu seiner späteren Popularität beitrug.