In
SENFTENBERG wurde die Zahl der
JÜDISCHEN EINWOHNER für 1933 in verschiedenen Quellen zwischen 27 und 50 angegeben, wobei diese unterschiedlichen Angaben wahrscheinlich daraus resultieren, dass in der NS-Zeit auch „unliebsame Bürger“ anderer Konfessionen bzw. Konfessionslose einfach zu den
JUDEN gerechnet und gleichermaßen verfolgt wurden.
Eine große Anzahl jüdischer Bürger war nach dem 1. Weltkrieg aus der Provinz Posen, die zum größten Teil polnisch geworden war, nach Brandenburg und auch Senftenberg gezogen. Sie hatten sich für Deutschland entschieden, weil sie deutsch fühlten, hatten aus diesem Grunde auch freiwillig als Soldaten im Ersten Weltkrieg gedient.
In der Folgezeit waren sie in nahezu allen
BERUFSGRUPPEN zu finden. So gab es Kaufleute & Fabrikanten, Angestellte im öffentlichen Dienst, Lehrer, Ärzte & Anwälte, wie z.B. zwei anerkannte jüdische Juristen beim Amtsgericht in Senftenberg:
Dr. Rudolf REYERSBACH seit 1925 als Rechtsanwalt und seit 1926 als Notar sowie
Julius SAMULON seit 1930 als Rechtsanwalt.
In Senftenberg wurden zahlreiche
GESCHÄFTE in den wichtigsten Einkaufsstraßen von
JÜDISCHEN BÜRGERN betrieben.
Sie alle wähnten sich in unserer Stadt gut aufgehoben.
Mit dem Einläuten des
JAHRES 1938 wurde es allerdings zunehmend
>KÄLTER< in Deutschland,
was sich an den
JUDENFEINDLICHEN ÜBERSCHRIFTEN im >Senftenberger Anzeiger< und deren,
von mir gekürzten
INHALTEN ablesen ließ:
(23. Februar 1938) – 1 – Wichtigste FRAGE: „War oder ist einer der vier Großelternteile der Rasse nach
VOLLJUDE ? Auch
GLAUBENSJUDEN haben ihre der Rasse nach
VOLLJÜDISCHEN Großelternteile anzugeben.“
(22. Juni 1938) – 2 – „Die
JÜDISCHEN Gewerbebetriebe werden in
LISTEN zusammengefaßt und diese zur
EINSICHT für jedermann offen ausgelegt, damit jeder Volksgenosse die Möglichkeit hat, sich darüber zu unterrichten, ob ein Geschäft
JÜDISCH ist oder nicht.“
(29.Juni 1938) – 3 – „Die
JUDEN sind eine
MISSBILDUNG, gemischt mit jeder Rasse, aber in keiner aufgegangen, sind ein unverdauter Teil, der
UNORDNUNG hervorrufe. Sie sind orientalischen Ursprungs, verlangten aber, da sie lange in Europa gelebt hätten, als westliches Volk behandelt zu werden.“
(14. Juli 1938) – 4 – „Den
JUDEN wird der Betrieb der nachfolgenden
GEWERBE untersagt:
Bewachungsgewerbe / gewerbsmäßige Auskunftserteilung über Vermögensverhältnisse & persönliche Angelegenheiten / Handel mit Grundstücken / Haus~ & Grundstückverwaltung / gewerbsmäßige Heiratsvermittlung, mit Ausnahme der Ehen zwischen
JUDEN oder
JUDEN und jüdischen Mischlingen 1. Grades / Fremdenführergewerbe. Eine
ENTSCHÄDIGUNG für persönliche oder wirtschaftliche Nachteile wird nicht gewährt.“
(01. August 1938) – 5 – „Dieser
FILM soll allen Volksgenossen
AUFKLÄRUNG über die
JUDENFRAGE geben. Die einzelnen Aufnahmen des Filmwerkes sind von
JUDEN selbst geschaffen worden und zeigen „ohne Maske“ ihr Bestreben, deutsches
KULTURGUT zu zerstören und das
VOLKSTUM durch artfremde, jüdische
UNKULTUR zu zersetzen.“
(3. August 1938) – 6 – „Einem deutschen Kinde gebührt ein
DEUTSCHER VORNAME, der seinen Ursprung in der deutschen Geschichte, Sage oder Überlieferung hat, wie z.B. Siegfried, Dietrich, Otto, Heinrich, Gudrun, Gertrud, aber auch Alexander, Julius, Viktor, Rose, Agathe. Auch Namen aus der christlichen Religion wie Hans Joachim, Johannes, Matthias, Peter, Charlotte, Elisabeth, Eva, Maria, Martha, Ruth & Sofie werden nicht als undeutsch empfunden.
ABZULEHNEN SIND Abraham, Israel, Samuel, Salomon, Josua, Judith, Esther, weil die Kinder später in der Schule verspottet werden.“
(13. August 1938) – 7 – „Das
JUDENTUM hat sich von je her auf den Gebieten breitgemacht, auf denen es
HERRSCHEN & VERDIENEN kann. Der
HANDELSVERTRETERBERUF war bei den
JUDEN besonders beliebt. Hier fühlten sie sich wohl und konnten im täglichen Umgang mit den Volksgenossen das zersetzende Gift ihrer Abneigung gegen das NS-Deutschland verspritzen. Die deutsche
PRESSE ist vom jüdischen Einfluß gereinigt, aber durch die ‚
GESPROCHENE ZEITUNG‘ vermochten es die
JUDEN, im persönlichen Verkehr mit dem Volk zu bleiben. Per
GESETZ wird den
JUDEN der Betrieb bestimmter Gewerbe, so auch des
HANDELSVERTRETERS, ~REISENDEN & STADTHAUSIERERS bei Strafe untersagt.“
(24. August 1938) – 8 – „Staatsbürger kann nur sein, wer
DEUTSCHEN BLUTES ist. Kein
JUDE kann daher
VOLKSGENOSSE sein. Der Beruf eines
ARZTES ist seit 1933 ein öffentlich-rechtliches Amt und kann daher nicht mehr von
JUDEN ausgeübt werden. Umso seltsamer ist die Feststellung, daß sich hier und da Volksgenossen mit einem Schuß Gefühlsduselei bemüßigt fühlen, diese ‚
ARMEN JUDENÄRZTE‘ zu bedauern. Derartige Schwächlinge und Kurzsichtige verdienen eine unzweideutige
ZURECHTWEISUNG.“
(25. August 1938) – 9 – „
JUDEN, die deutsche Staatsangehörige oder staatenlos sind, dürfen in Zukunft nur solche
VORNAMEN beigelegt werden, die den Richtlinien des Reichsinnenministers vom 23.08.1938 entsprechen. Soweit
JUDEN z.Zt.
VORNAMEN führen, die nicht in den Richtlinien verzeichnet sind, müssen sie vom 1.01.1939 ab zusätzlich einen weiteren
VORNAMEN annehmen: für männliche Personen
ISRAEL, für weibliche
SARA.
Bei Zuwiderhandlungen sind Gefängnis~ oder Geldstrafen angedroht.“
(15. November 1938) – 10 – „Die erlassene Verordnung strebt durch eine möglichst rasche
LIQUIDIERUNG die
AUSSCHALTUNG DER JUDEN aus dem deutschen Wirtschaftsleben an. Als vordringlich wird die
ARISIERUNG derjenigen
GESCHÄFTE angestrebt, in denen die
JUDEN unmittelbar mit der breiten Masse der Verbraucherschaft Berührung haben: die
JÜDISCHEN Betriebe des Einzelhandels und des Handwerks. Ferner ist nicht daran gedacht,
ALLE JÜDISCHEN GESCHÄFTE in arischer Hand weiterbestehen zu lassen, vielmehr ist damit zu rechnen, daß rund zwei Drittel der Geschäfte nicht wieder aufgemacht werden. Die Errichtung besonderer
JÜDISCHER GESCHÄFTE FÜR JUDEN kommt nicht in Frage. Die
JUDEN werden ihren Bedarf beim
DEUTSCHEN KAUFMANN decken müssen.“
>REICHSKRISTALLNACHT< IN SENFTENBERGIm November 1938 erschoss ein 17-jähriger Jude einen Nazidiplomaten in Paris, um sich wegen der Behandlung seiner Angehörigen in Deutschland zu
rächen. Die Nazis benutzten dies als Anlass, in der «KRISTALLNACHT» vom 9. auf den 10. November 1938 JUDEN heimzusuchen. Die Gründe liegen in der eigenartigen Mischung aus geplantem & befohlenem Handeln und der spontanen GEWALTORGIE des faschistischen MOBS.
Auch in SENFTENBERG spielten sich am Morgen des 10. November BESTIALISCHE SZENEN ab.
Die JÜDISCHEN BÜRGER, darunter auch KINDER, wurden aus ihren Wohnungen gezerrt und auf dem MARKTPLATZ zusammengetrieben.
Hunderte Menschen sahen zu, wie sie von SA-Schlägern und aufgeputschten Anhängern verhöhnt und grausam gequält wurden.
Eines der prominenten Opfer war Dr. Rudolf Martin REYERSBACH. Der hochangesehene jüdische Notar und Rechtsanwalt war als hilfsbereit bekannt, vertrat mittellose Arbeiter, ohne Honorar zu nehmen. Er hatte einen großen Kundenkreis und ein gutes Verhältnis zu den Bürgern. In der Kristallnacht vernahm REYERSBACH ein stürmisches Klingeln an seiner Tür. Im Morgenmantel öffnete er die Tür. SS- und SA-Männer packten den 41-Jährigen, warfen ihn die Treppe hinunter, schleiften ihn durch die BAHNHOFSTRASSE zum MARKT, wo sie auf ihn eintraten. REYERSBACH starb auf der Polizeiwache.
Eine AUGENZEUGIN erzählte: „Ich werde diesen Anblick nie vergessen. Herr REYERSBACH sah aus wie in Blut gebadet“.
Frau ROSENZWEIG erinnert sich:
„Ich denke oft an den schwärzesten Tag meines Lebens, die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. SA- und SS-Leute waren betrunken. Sie durften morden und plündern. Sie legten Feuer im Textilgeschäft von Nathan KLEIN. Seiner NICHTE legten sie johlend eine Drahtschlinge um den Hals und zogen sie mit dem Auto bis auf den Markt. Dann holten sie Dr. REYERSBACH. Ich warnte ihn zwei Tage vorher; er solle abreisen. Er sagte mir, man könne ihm nichts anhaben. Seine Tochter Astrid ZÖLLNER besuchte die Hindenburg-Schule. Die 13-Jährige wurde bespuckt, mit Steinen beworfen. Sie musste die Schule verlassen, weil sie Halbjüdin war…
Das Schuhgeschäft von Ludwig MARCUS wurde geplündert. Auf dem Markt unter dem Kandelaber musste Herr MARKUS auf den Knien tanzen und singen. Die 70-jährige Frau SINGERMANN zogen die Nazis in einem Handwagen durch die Stadt, den sie laufend umwarfen, unter Schlägen musste sie wieder hineinkriechen. Der Kaufmann Leo ZELLNER verstarb 1942 im KZ Sachsenhausen.
In den schwarzen BARACKEN in der FORSTSTRASSE wurden jüdische Menschen untergebracht, nur mit Lumpen durften sie sich zudecken.
In den Baracken wimmelte es von Ungeziefer. Andere ältere jüdische Bürger wurden in das Wildschweingehege des TIERPARKS eingesperrt, einige sind,
wie Saul ROSENZWEIG, in das KZ Buchenwald verschleppt worden. Pervers: die SCHÄDEN DER PROGROMNACHT – die zerschlagenen Scheiben und die mit Glassplittern übersäten Straßen gaben den Ausschreitungen wohl den Namen >KRISTALLNACHT< – wurden insgesamt der JÜDISCHEN Bevölkerung angelastet. Sie hatten eine >Sühneleistung< von 1 Milliarde RM zu zahlen – während man ihnen gleichzeitig die letzten GESCHÄFTE wegnahm und „arisierte“… (Quelle: >LR< vom 10.7.2004)
Auf dem COTTBUSER Neuen Jüdischen Friedhof am Südfriedhof gibt es Gräber von SENFTENBERGER JUDEN,
darunter auch das von Dr. Rudolf REYERSBACH (1897- 1938).
In SENFTENBERG erinnern zahlreiche STOLPERSTEINE an die JÜDISCHEN OPFER des Naziregimes.
Nicht einmal vor diesen MAHNMALEN macht AMORALISCHES DIEBESGESINDEL auf seiner verwerflichen Jagd nach Buntmetall halt…"