Die Landwirtschaft der alten Deutschen bestand anfänglich fast ganz allein in der
VIEHZUCHT.
Sie aßen gern Rind~, Schaf~ und Schweinefleisch, lebten von der Milch der Kühe und Schafe, kleideten sich in die Felle und Häute derselben und waren überhaupt
FREIGEBORENE LEUTE, die ihre
KNECHTE & LEIBEIGENEN hatten, welche das
VIEH hüteten und warteten. Das
SCHLACHTEN war anfänglich Sache der
KNECHTE, später der
BAUERN & DIENSTLEUTE, die zu den adligen Gütern gehörten. Als sich auf dem Lande hier und da ein
FREIGELASSENER auf den
VIEHHANDEL legte, ließ auch er das
SCHLACHTVIEH von Knechten schlachten, die daraufhin zu seinen Gehilfen & Gesellen wurden.
Diese „neuartigen“
LANDFLEISCHER brachten mit ihren
FLEISCHERBURSCHEN bald auch
FLEISCH zu den
STADTBEWOHNERN,
die ihre Viktualien schon seit jeher größtenteils vom
LANDE bezogen.
Da sich allerdings die
STÄDTE immer mehr ausdehnten und die wachsende Bürgerschaft derselben täglich frisches Fleisch benötigte, sich aber mit dem Einkaufen & Schlachten des Viehes nicht abgeben konnte, legten sich einige
BÜRGER sogleich auf den
VIEHHANDEL, hielten sich ebenfalls
KNECHTE, welche die Rinder, Schweine, Schafe etc. auf dem Lande einkaufen, in die Stadt bringen, schlachten und verkaufen mussten.
Um in den Städten die erforderliche
REINLICHKEIT zu erhalten, wurden die
SCHLACHTHÄUSER vor der Stadt, so weit als möglich am Wasser, gebaut,
ORDNUNGEN & REGELN erstellt, um Betrügereien zu steuern,
FLEISCHBÄNKE errichtet,
PREISE reguliert und
FLEISCHERZÜNFTE gebildet.
Im Laufe der Zeit wurden viele
FLEISCHER zu durchaus wohlhabenden Bürgern, die nur noch ihre
KNECHTE zum Einkauf des
VIEHES aussandten und ansonsten ihren
SCHLACHTHOF wie ein
GUTSHERR dirigierten…
In einem
LUSTSPIEL, welches 1865 an Boulevardtheatern aufgeführt wurde, zelebrierte der
„wohlhabende Fleischhauer GEORG“ sein Image:
„Maria, ich kann Ihnen eine glückliche Zukunft sichern, ich bin reich, sehr reich, obwohl ich nur ein FLEISCHHAUER bin.
(Maria sieht ihn erstaunt an) Mein VERMÖGEN soll das Ihre sein. Sie sollen in Berlin wohnen und Ihr eigenes Haus, Wagen und Pferde haben.“
DAS FLEISCHERGEWERBE bot damals schon etliche
BERUFSBEZEICHNUNGEN mit abgegrenzten
TÄTIGKEITSBEREICHEN an, wie z.B.:
FLEISCHHAUER / FLEISCHER / METZGER / SCHLÄCHTER = Verkauf von frischem Rind~, Kalb~, Schaf~ & Lammfleisch; FLEISCHSELCHER = Verkauf von Räucherfleisch, geräuchertem Speck & Würsten aller Art;BEIDEN GEWERBEN = stand das Schlachten von Schweinen und Verkauf von frischem Schweinefleisch & ~fett zu. FLECKSIEDER = Verarbeitung von Zunge, Euter & Innereien; Sie unterlagen jedoch noch einschneidenden
BESCHRÄNKUNGEN:
„Das FLEISCHHAUER-GEWERBE berechtigt zum Schlachten von Vieh jeder Gattung, zur Fabrikation von Würsten und zum Verkaufe der Nebenprodukte in rohem Zustande, z.B. des Rindertalges, der Häute etc.
Den Rindstalg zu Kerzen zu verarbeiten, die Häute zu gerben und zu verkaufen ist nicht gestattet.
METZGER dürfen Würste erzeugen und in FRISCHEM Zustande verkaufen; sie in GERÄUCHERTEM Zustande verkaufen dürfen nur die FLEISCHSELCHER.
Ebenso darf der FLEISCHHAUER an Markttagen keine gewärmten Würste mit Senf zum Verkauf bringen, da hierzu eine Berechtigung der Gast~ & Schankgewerbe nötig ist. Allerdings besitzen sie in Bezug auf Verabreichung warmer Speisen das Recht zum Verkauf von Leberwürsten und Leberwurstsuppe.“
Die körperlich schwere Arbeit machte ganz nebenbei aus den
MÄNNERN nicht nur muskelbepackte, sondern gleichzeitig sehr ansehnliche &
SCHÖNE FLEISCHHAUER.
„Es ist eine bekannte Sache, daß ein MEISTER, wenn er einen LEHRLING nimmt, darauf sieht, daß er von kräftigem Körperbau ist.
Daher kommt es, daß die FLEISCHHAUER mit wohl nur wenigen Ausnahmen starke Leute sind mit einem so blühenden und vor Gesundheit strotzenden Aussehen. Aber auch die kräftige und derbe KOST, die der FLEISCHER genießt, trägt das ihrige bei.
Gegenüber vielen anderen Beschäftigungen scheint die SCHLACHTKUNST eine der Gesundheit am wenigsten nachteilig zu sein, weil sie viel BEWEGUNG des Körpers an frischer Luft gestattet.
Unleugbar sind aber die sehr häufigen TEMPERATURWECHSEL, die den Körper angreifen und zu Krankheiten führen. Namentlich im Winter, wo am meisten geschlachtet wird, wirkt die plötzliche Abwechslung von Wärme und Kälte sehr störend auf den Körper. Bald bedarf der FLEISCHER beim Schlachten kaltes, bald warmes oder sehr heißes Wasser, bald muß er im Freien oder im Luftzuge der Schlachthäuser arbeiten, mal schwitzt & mal fröstelt er…
Rheumatismus, Gicht, Wassersucht, Gelenksteifheit, Lungenkrankheiten waren die Folge." Beim Betrachten der
KABINETTFOTOS fiel mir bei der
BERUFSTRACHT neben dem wie ein
PARADE-SÄBEL getragenen, standardisierten
WETZSTAHL, die unterschiedliche
TRAGWEISE der einzelnen
KLEIDUNGSSTÜCKE ins Auge:
Hemdärmel lang & aufgekrempelt / Schürze mit & ohne Koppel / zur linken & rechten Seite eingeschlagen.
Ich habe hierfür bislang noch keine Erklärung gefunden.
Sicher wurde auch der
BERUFSNACHWUCHS mit dieser schmucken Tracht geworben. Allerdings waren in der
FIEBEL der Volksschulen bzw. dem
ELEMENTARBÜCHLEIN zum Privatunterricht prognostisch recht anschauliche
TEXTE zum Berufsbild des Fleischers (u.a.Handwerker) untergebracht.
Den Schülern standen ja diverse die EINMALEINS-Tafeln zum Kibitzen zur Verfügung, das sogenannte
RECHENBUCH sollte da wohl eher den
FLEISCHVERKÄUFERN als Zeitersparnis dienen:
„Dieses RECHENBUCH dürfte vorzüglich für die FLEISCHHAUER seyn, da es die bey demselben bisher üblichen FAULENZER ganz entbehrlich macht, indem in diesem Buche die PREISE eines ½ Pfundes bis zu einem Centner, immer um einen ½ KREUZER höher bis zu einem GULDEN berechnet.“
Sollten sich nämlich ein
FLEISCHERMEISTER irrtümlich oder womöglich bewusste
RECHENFEHLER AN WAAGE & PREISSCHILD erlauben, brachte ihn schon im Mittelalter eine drastische
STRAFEwieder auf den rechten Weg. Im Vergleich dazu wurden vor 100 Jahren in Senftenberg eher gelindere Strafen verhängt.
Eine offenbar entehrende
STRAFE für schlechte Ware, zu leichtes Gewicht oder zu hohe Preise war im Mittelalter das
PRANGERSTEHEN – in ein Halseisen geschlossen auf einem Podest mitten auf dem Marktplatz stehend.
Eine allerdings noch schmachvollere
STRAFE bestand darin, dass derjenige
METZGER, der gegen das Gesetz gesündigt hatte, ins Gefängnis geworfen wurde, man ihn darinnen bis zu einem gewissen Grade hungern ließ, und dann unter Jubel des Volkes nach dem
SCHNELLGALGEN („Schnelli“) führte, einem nur förmlichen Galgen, an dessen äußerster Spitze des Querbalkens ein Flaschenzug oder eine Rolle angebracht war, in welcher ein starkes Seil lief, an dessen Ende ein
KÄFIG angebracht war, den man, wie man wollte, hochziehen oder niederlassen konnte. Unter dem
GALGEN befand sich stets eine große
MISTGRUBE. In den
KÄFIG, der einem Vogelbauer ähnelte, wurde nun der zu bestrafende
METZGER eingeschlossen und die
STADTKNECHTE mussten ihn so lange auf~ und abziehen und ins
SCHMUTZWASSER stoßen, bis der darin sitzende Delinquent durch und durch nass war.
Übrigens wurde mancherorts der betrügerische
METZGER beim dritten Übertretungsfall mit dem
OHR an den
LADENTISCH genagelt…
Oft war allerdings auch der
NEID DER KUNDSCHAFT Anlass zu Disputen über
HOHE FLEISCHPREISE, doch wurden
BESCHWERDEN meist sehr humorvoll abgeschmettert:
Im Parlament erklärte ein kampflustiger Redner, dass die
SCHLÄCHTER die
HÜBSCHESTEN FRAUEN hätten, welche viel Staat und Luxus treiben, und sie könnten es ja auch, weil sie sich das
FLEISCH so teuer bezahlen lassen. Daraufhin entgegnete ein anderer, daß man sehr oft beobachten kann, wie mancher
ALTE GRAUKÖPFIGE HERR in Berlin aus einer Straße in die andere läuft, und durch die Spiegelscheiben sieht, ob er nicht eine
HÜBSCHE MAMSELL im Laden wahrnimmt; ist eine vorhanden, so stürzt er sich hinein, kauft der schönen Seele etwas ab, bezahlt es graziös dreimal so teuer, um bloß an der schönen Seele etwas Augenweide zu haben, dann eilt der
GRAUKOPF nach Hause und erzählt Muttern, wie teuer sich die
SCHLÄCHTER alles bezahlen lassen. Nun wird geschimpft auf den
SCHLÄCHTERMEISTER wegen zu hoher
FLEISCHPREISE, nicht aber auf die
SCHÖNE SEELE im Schlächterladen, welche der geehrte Herr während seines Einkaufs beliebäugelte. (1874)
Ich habe mich heute auf interessante Details aus dem
ALLTAG DER FLEISCHER beschränkt, auf die ich bei meiner Online-Recherche in etlichen Büchern und in der
>Allgemeinen Fleischer–Zeitung< von 1874 stieß.
Alles Wissenswerte über die
SENFTENBERGER FLEISCHERZUNFT kann man jederzeit in der
Georg PAULITZ-CHRONIK bzw. der Broschüre
>Bilder aus Senftenbergs Vergangenheit< von
Rudolf LEHMANN nachlesen.