„Will man vom Wesen der DEUTSCHEN KLEINSTADT von Anno dazumal einen Hauch verspüren,
so muß man sich in SPITZWEGS lustige Bilder versenken…“ Mit diesen Worten begann einst der Kantor und verdienstvolle Senftenberger Heimatforscher
Dr. RUDOLF LEHMANN seinen Aufsatz über
SENFTENBERG AM ANFANG DES 19. JAHRHUNDERTSBesagter
CARL SPITZWEG (1808-1885) hatte nie eine Akademie besucht , er war Autodidakt und vertrat die
GENREMALEREI (veraltet „Sittenmalerei“), die in der ersten Hälfte des 19. Jh. wiederum auflebte. Dahinter verbergen sich gemalte
ALLTAGSSZENEN, in denen sich Lebensformen des Volkes und seiner landschaftlichen Arbeits~ oder Wohnumgebung widerspiegeln.
SPITZWEG stellte in kleinformatigen Bildern das „biedermeierliche“ Kleinbürgertum, seine kauzigen Sonderlinge mit ihren menschlichen Schwächen und romantischen Begebenheiten dar.
Ob seiner liebenswürdig-romantischen und detailreichen Malweise sind auch Matthias & ich zu ausgesprochenen
SPITZWEG-FANS geworden.
Und wie sah nun
UNSERE HEIMATSTADT ZU SPITZWEG'S ZEITEN aus ?
Dr. RUDOLF LEHMANN fand folgendes heraus:
„Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war unser SENFTENBERG ein kleines kursächsisches Nest, halb STADT, halb DORF, auf das nur selten die Dinge da draußen ihre Schatten warfen. Nur ab und zu kam eine der spärlich erscheinenden Zeitungen, etwa aus Dresden oder Leipzig, in des Bürgers Hand, und was er aus ihnen erfuhr, war gar wenig.
Neuigkeiten allenfalls brachte der Postillion, brachten die Reisenden und Handelsleute, die durch das Städtlein fuhren, die Schüler und Studenten, die von den sächsischen Schulen und Universitäten in die Heimat zurückkehrten, hin und wieder auch Fremde, die im Orte Bürgerrecht erwarben.
Gar anmutig war die LAGE Senftenbergs. Durch Wiesen und Bruchgelände, an Büschen und Sträuchern vorüber, schlängelte sich in mannigfachen Windungen und Armen die SCHWARZE ELSTER an Schloß und Stadt heran, umfloß sie beide und nahm dann, wieder in lustigem Hin und Her nach Südwesten ihren Lauf.
Das SCHLOSS war ganz von Teich und Sumpf umgeben. Nach Osten zu aber, etwas von der heutigen Dresdener Straße bis zur WOLSCHINKA, lag der ehemalige kleine AMTSTEICH, auch Maiers Teich genannt, eine sumpfige Niederung, in der im Frühjahr und Herbst noch das Wasser stand.
Im Norden der Stadt, im HAAG, bildeten die Verzweigungen des Flusses große Inseln. Westlich und nordwestlich vom ALTEN FRIEDHOF lagen die Felder der Bürger und Vorstädter, die Vierteläcker oder das Großfeld beim KREUZCHEN, die halben Viertel und die Beete oder das Kleinfeld.
Von Norden her aber grüßten sanfte Höhenzüge mit ihren Wein~ und Obstgärten. Dort oder im >PARADIES< saß wohl der Bürger nach saurer Wochenarbeit, schaute sein Städtlein im Grunde und blickte hinüber zu den weiten Wäldern im Süden, zum KOSCHENBERG und bis zu den Bergen der Oberlausitz, die im zarten Blau am Horizont auftauchten.
Seit alten Zeiten hatte der Ort nur zwei ZUGÄNGE.
Wer von Hoyerswerda, Kamenz oder Königsbrück her kam, den führte die >LÜNEBURGER LANDSTRASSE< durch Buchwalde an der Amtsmühle und an den Schloßteichen vorbei in die SCHLOSSGASSE.
Näherte man sich von Ruhland, Finsterwalde, Calau und Cottbus her der Stadt, so mußte man seinen Weg auf dem >STEINDAMM< durch Jüttendorf nehmen. Noch stand am Eingang in die Kreuzstraße das alte KREUZ~ oder STADTTOR, während das SCHLOSSTOR längst verschwunden war. Noch waren im Süden und Osten der alten Stadt, große Strecken des STADTGRABENS, im Westen und Süden auch Teile des davorliegenden WALLES erhalten. Da, wo heute der STADTKELLER liegt, erhob sich das städtische Kommunbrau~ und ~malzhaus. Zwischen der Brücke, die nach Jüttendorf führt, und >Tor-Sprengels< Haus lagen die Stadtfronfeste, das Hospital und das einstige Schießhaus.
Auf dem MARKT, auf dem auch ein WACHTHÄUSCHEN stand, und auch hier und da in den Straßen flossen BRUNNEN, die das Wasser durch eine Röhrenleitung von der Soienza her (an der Sauoer Grenze) erhielten.
Der TURM DER DEUTSCHEN KIRCHE trug noch sein schlichtes Satteldach. Außer dem RATHAUS, dessen nüchterner Bau in armen Zeiten entstand, und einigen älteren Bürgerhäusern finden wir am Markt noch das FLEISCHBANKGEBÄUDE.
Am KIRCHPLATZ lagen die wendische Diakonatwohnung und Knabenschule, die Mägdleinschule und Collaboraturwohnung und das Pfarrhaus…
Heute ist unser ORT, von dessen Dasein und Lage man früher außerhalb der Lausitz kaum etwas wußte, weitbekannt.
Eins freilich hatte das STILLE NEST vergangener Tage unserer lärmerfüllten Zeit voraus:
die feinen, wenn auch SCHLICHTEN LANDSCHAFTLICHEN REIZE seiner Umgebung.“Und
WIE SCHÖN es sich in
SENFTENBERG wohnen ließ, zeigt dieses sehr ausführlich beschriebene
ANGEBOT aus dem >Senftenberger Anzeiger< von 1882.
ÜBRIGENS: Das mittlere
SPITZWEG-BILD oben zeigt einen
ALTEN HERRN auf der Leiter in einer Bibliothek und karikiert eine seiner besonders typischen kauzigen männlichen Einzelfiguren.
Der
>BÜCHERWURM< (umgangssprachlich für "bibliophiler Mensch") liest konzentriert in einem Buch, das er sich dicht vor seine kurzsichtigen Augen hält.
In seiner rechten Hand hält er ein zweites aufgeschlagenes Buch und zwischen die Knie und unter seinen linken Arm hat er je ein weiteres Buch geklemmt.
Irgendwie werde ich den Gedanken nicht los, dass es sich hierbei um einen
HEIMATFORSCHER aus grauer Vorzeit handeln könnte.
Im Nachhinein muss man diese literarischen „Schwerstarbeiter“ nämlich echt bewundern, wie sie sich äußerst mühselig und sehr akribisch durch dicke „Wälzer“ e.g. Folianten, Hand~ und Kirchenbücher sowie diverse Lexika arbeiteten, um
CHRONIKEN zu erstellen, von deren Fakten wir heute noch zehren dürfen.
Um wieviel einfacher haben wir es heute. Man gibt den Suchbegriff
>SENFTENBERG<, mit einem oder auch zwei >F<, bei google-books ein…und erhält umgehend eine Vielzahl geschichtlicher Quellen …
WAHNSINN !