„Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts fungierte die BAHNHOFSTRASSE als einfacher WIESENWEG, mit dem die weitläufigen Feuchtgebiete nördlich der Stadt Senftenberg erreichbar blieben. Danach verwandelte sich das Erscheinungsbild innerhalb weniger Jahre von einer geschotterten KREIS-CHAUSSEE, die zwischen 1852 und 1856 angelegt worden war, zu einer attraktiven Einkaufs- und Flaniermeile vom Bahnhof zur Innenstadt.“
Diese Aussage wird häufig in heimatkundlichen Artikeln verschiedener Autoren zitiert – meist gekoppelt mit den beliebten Begriffen:
Nord-Süd-Trasse / Magistrale / Hauptgeschäftsstraße / Baumallee / einstige Prachtstraße / attraktive Einkaufs~ / Bummel~ / Flaniermeile vom Bahnhof zur Innenstadt / moderner Verkehrsweg etc.
Da dieser Senftenberger „Postkarten-Hit“ nun schon sehr oft thematisiert wurde und mir hierfür langsam die Kommentar-Ideen ausgehen, entschied ich mich diesmal für den
CHAUSSEE – BAU
Viele, nicht nur ältere Bürger empfinden Wehmut und Unbehagen, wenn sie, wie zuletzt zwischen Hosena und Lauta/Dorf miterleben durften, wie das
MARKENZEICHEN unserer einstigen Brandenburger
CHAUSSEEN – die schattenspendenden
ALLEEBÄUME – der Kettensäge zum Opfer fielen, um für einen Radweg Platz oder für rasende Kraftfahrer, die von der Straße abkommen, einen „sanften Auslauf“ zu schaffen. Der schrumpfende Baumbestand und vereinzelte kleine ehemalige Chausseehäuschen am Straßenrand sind
ERINNERUNG an die CHAUSSEEBAU – EPOCHE
des 19. Jahrhunderts, als überwiegend Pferdewagen das Straßenbild beherrschten.
Bevor
CHAUSSEEN gebaut wurden, gab es
LANDSTRASSEN, also große, breite
WEGE, die sich durch das ganze Land erstreckten und vom ihm unterhalten wurden. Man nannte sie auch
HEERSTRASSEN, weil das Heer auf ihnen bequem vorankommen konnte, in anderen Gegenden
GELEITS-STRASSEN, weil sie immer sicheres Geleit boten.
Als deutsche Kaiser und Könige umherreisten, wurden sie kurzerhand zu
KÖNIGS-STRASSEN und da sie zusätzlich der schnellen Beförderung von Briefen, Geldern und Personen dienten, letztendlich auch zu
POST-STRASSEN.
Eine solche führte einst von
SENFTENBERG über Großräschen und Altdöbern nach
CALAU, die in den Jahren 1852/56 begradigt, ausgebaut, und schließlich am 1.August 1858 als
KREIS-CHAUSSEE eingeweiht wurde.
Am 1. Juli 1870 wurde sie dann von der Eisenbahnstrecke Großenhain-Cottbus mit Halt im Bahnhof Senftenberg durchschnitten und der abgetrennte Teil der Chaussee deshalb nachfolgend in
BAHNHOFSTRASSE umbenannt.
Ich möchte aus Platzgründen nicht auf die vielfältigen Aspekte und Regularien des
CHAUSSEEBAUS eingehen, sondern lediglich einige interessante Details zitieren, auf die ich bei meinen Recherchen in uralten „google-books“ gestoßen bin:
„Alle ARBEITER an einer CHAUSSEE müssen zu ihrer Beschäftigung richtig und deutlich angewiesen und belehret werden, wohin die Chaussee gerichtet, wie hoch und breit der Damm, wie tief und breit die Gräben, wie hoch die Bankette (befestigte Randstreifen) und wie stark der eigentliche Steinweg werden soll.
Ihr ARBEITSZEUG besteht in doppelten und einfachen Hauen oder Picken, Schaufeln, Steinbohrer und Brecheisen, Axt, Beil und Schubkarren. Da diese aber nicht mehr als 6 Cubicfuß Erde laden können, benutze man besser Handtümmel, welche aus einem Kasten, Gestelle, Achse und 2 beschlagenen Rädern bestehen, bey denen 6 Mann angestellt werden: 2 Mann hauen die Erde los, 2 laden auf und 2 fahren sie weg. In diese können bis 8 Cubicfuß Erde geladen werden.
Außer diesen Werkzeugen sind noch CHAUSSEEHÄMMER von verschiedener Schwere nothwendig. Die größten (8 Pfund schwer) werden zur Zerschlagung der größten Steine gebraucht.“
Die beim täglichen Straßenbau benötigten
WERKZEUGE wollte man nicht täglich hin~ und hertransportieren und brachte deshalb alles an der Straße ‚unter Dach & Fach‘. Hierzu bediente man sich strohgedeckter
„BRETTERBUDEN“ und versah diese zum bequemen Transport mit 4 Rädern. Später wurden stabile
HÄUSER an der
STRASSE bzw. an
WEGKREUZUNGEN, für
CHAUSSEEWÄRTER und
CHAUSSEEGELDEINNEHMER errichtet, die kein geringerer als der berühmte preußische Baumeister Karl Friedrich
SCHINKEL entwarf. Vordem wohnten jene in nahegelegenen Dörfern, was sich aber bald als unpraktisch erwies. Da ein Chausseewärter jeweils eine halbe Meile zu beaufsichtigen und zu erhalten hatte, durften die Häuser maximal nur 1½ bis 2 Meilen auseinander stehen.
Ein
SCHLAGBAUM sperrte die Straße solange, bis das
CHAUSSEEGELD in einen Lederbeutel gezahlt worden war, den der Einnehmer an einer langen Stange aus dem Fenster hielt. Er brauchte zur Abwicklung also seinen bequemen Sitzplatz gar nicht verlassen, sondern drehte an seiner Kurbel und der Schlagbaum öffnete sich zur Durchfahrt.
Apropos:
WEGKREUZUNG.
In der Mark Brandenburg ließ König Friedrich I. auf allen Straßen hölzerne
WEGWEISER aufstellen – mit Ölfarbe gelb/schwarz oder schwarz/weiß angestrichene
ARM-SÄULEN, an denen 2, 3 bis 4 Arme und Hände angebracht waren, die mit 2 Fingern den Weg zeigten.
An jedem Arm war der Name und die Entfernung des nächsten Ortes zu lesen.
An einigen Orten setzte man steinerne
MEILEN-SÄULEN,
„…und da muthwillige Leute sich unterstanden, die hölzernen anzuhauen, an den steinernen aber Messer, Sensen, Aexte, Beile und dergleichen Eisenwerk zu schleifen, so wurden diese Beschädigungen unter Androhung harter Bestrafung verbothen.“
Überhaupt gab es ein sehr strenges
>REGELWERK< zur Benutzung der
CHAUSSEE mit empfindlichen >Reichsthaler – Strafen< bei Nichtbefolgung:
Heutzutage interessiert den mobilen Benutzer von >Landes~ & Bundesstraßen< meist nur, wie weit es zum nächsten
DORFGASTHOF ist, so wie es einst
unsere Altvorderen taten, die allerdings auch schon auf Komfort setzten:
„Zur Bequemlichkeit der Straße, für den Reisenden sowohl als den Wanderer gehören auch reinliche und in gehöriger Weite von einander angelegte WIRTHS-HÄUSER & HERBERGEN, wo man alles bekommen, und vor Dieben und Räubern sicher herbergen kann.
Es versteht sich von selbst, daß die Einrichtung solcher GAST-HÖFE nicht prächtig seyn darf; aber an nothwendigen Bedürfnissen für die Reisenden und ihre Pferde muß es ihnen nicht fehlen.
Außer der gewöhnlichen GAST-STUBE sollten darin wenigstens ein oder zwey reinliche und ordentlich eingerichtete WOHN-ZIMMER befindlich; folgende LEBENS-MITTEL, als: Branntwein, Bier, Brod, Butter, Käse, Hülsen-Früchte etc. stets vorräthig und für einen billigen Preis zu haben, wie auch die für die Ausspannung benöthigte STALLUNG nebst FUTTER-VORRÄTHEN vorhanden seyn.“
Ich fuhr heute wieder mal die mir schon aus Kindertagen bekannte Chaussee mit der wunderschönen „Eichen-Allee“ von
SENFTENBERG nach
HÖRLITZ entlang...
Ich wünschte ihr im Vorbeifahren noch ein langes Leben, auch wenn mir lautstark eine Eichel auf’s Autodach knallte…