Neues 295 - 2017-10-01

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Matthias
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Neues 295 - 2017-10-01

Beitragvon Matthias » Sa 30. Sep 2017, 08:17

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Harald
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Re: Neues 295 - 2017-10-01

Beitragvon Harald » So 1. Okt 2017, 18:56

„Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts fungierte die BAHNHOFSTRASSE als einfacher WIESENWEG, mit dem die weitläufigen Feuchtgebiete nördlich der Stadt Senftenberg erreichbar blieben. Danach verwandelte sich das Erscheinungsbild innerhalb weniger Jahre von einer geschotterten KREIS-CHAUSSEE, die zwischen 1852 und 1856 angelegt worden war, zu einer attraktiven Einkaufs- und Flaniermeile vom Bahnhof zur Innenstadt.“

Diese Aussage wird häufig in heimatkundlichen Artikeln verschiedener Autoren zitiert – meist gekoppelt mit den beliebten Begriffen:

Nord-Süd-Trasse / Magistrale / Hauptgeschäftsstraße / Baumallee / einstige Prachtstraße / attraktive Einkaufs~ / Bummel~ / Flaniermeile vom Bahnhof zur Innenstadt / moderner Verkehrsweg etc.

Da dieser Senftenberger „Postkarten-Hit“ nun schon sehr oft thematisiert wurde und mir hierfür langsam die Kommentar-Ideen ausgehen, entschied ich mich diesmal für den

CHAUSSEE – BAU

Chaussee Querschnitt_resize.jpg

Viele, nicht nur ältere Bürger empfinden Wehmut und Unbehagen, wenn sie, wie zuletzt zwischen Hosena und Lauta/Dorf miterleben durften, wie das MARKENZEICHEN unserer einstigen Brandenburger CHAUSSEEN – die schattenspendenden ALLEEBÄUME – der Kettensäge zum Opfer fielen, um für einen Radweg Platz oder für rasende Kraftfahrer, die von der Straße abkommen, einen „sanften Auslauf“ zu schaffen. Der schrumpfende Baumbestand und vereinzelte kleine ehemalige Chausseehäuschen am Straßenrand sind
ERINNERUNG an die CHAUSSEEBAU – EPOCHE
des 19. Jahrhunderts, als überwiegend Pferdewagen das Straßenbild beherrschten.
Bevor CHAUSSEEN gebaut wurden, gab es LANDSTRASSEN, also große, breite WEGE, die sich durch das ganze Land erstreckten und vom ihm unterhalten wurden. Man nannte sie auch HEERSTRASSEN, weil das Heer auf ihnen bequem vorankommen konnte, in anderen Gegenden GELEITS-STRASSEN, weil sie immer sicheres Geleit boten.
Als deutsche Kaiser und Könige umherreisten, wurden sie kurzerhand zu KÖNIGS-STRASSEN und da sie zusätzlich der schnellen Beförderung von Briefen, Geldern und Personen dienten, letztendlich auch zu POST-STRASSEN.
Eine solche führte einst von SENFTENBERG über Großräschen und Altdöbern nach CALAU, die in den Jahren 1852/56 begradigt, ausgebaut, und schließlich am 1.August 1858 als KREIS-CHAUSSEE eingeweiht wurde.
Am 1. Juli 1870 wurde sie dann von der Eisenbahnstrecke Großenhain-Cottbus mit Halt im Bahnhof Senftenberg durchschnitten und der abgetrennte Teil der Chaussee deshalb nachfolgend in BAHNHOFSTRASSE umbenannt.

Kreischaussee_resize.jpg

Ich möchte aus Platzgründen nicht auf die vielfältigen Aspekte und Regularien des CHAUSSEEBAUS eingehen, sondern lediglich einige interessante Details zitieren, auf die ich bei meinen Recherchen in uralten „google-books“ gestoßen bin:

„Alle ARBEITER an einer CHAUSSEE müssen zu ihrer Beschäftigung richtig und deutlich angewiesen und belehret werden, wohin die Chaussee gerichtet, wie hoch und breit der Damm, wie tief und breit die Gräben, wie hoch die Bankette (befestigte Randstreifen) und wie stark der eigentliche Steinweg werden soll.
Ihr ARBEITSZEUG besteht in doppelten und einfachen Hauen oder Picken, Schaufeln, Steinbohrer und Brecheisen, Axt, Beil und Schubkarren. Da diese aber nicht mehr als 6 Cubicfuß Erde laden können, benutze man besser Handtümmel, welche aus einem Kasten, Gestelle, Achse und 2 beschlagenen Rädern bestehen, bey denen 6 Mann angestellt werden: 2 Mann hauen die Erde los, 2 laden auf und 2 fahren sie weg. In diese können bis 8 Cubicfuß Erde geladen werden.
Außer diesen Werkzeugen sind noch CHAUSSEEHÄMMER von verschiedener Schwere nothwendig. Die größten (8 Pfund schwer) werden zur Zerschlagung der größten Steine gebraucht.“

chausseehaus Räschen_resize.jpg

Die beim täglichen Straßenbau benötigten WERKZEUGE wollte man nicht täglich hin~ und hertransportieren und brachte deshalb alles an der Straße ‚unter Dach & Fach‘. Hierzu bediente man sich strohgedeckter „BRETTERBUDEN“ und versah diese zum bequemen Transport mit 4 Rädern. Später wurden stabile HÄUSER an der STRASSE bzw. an WEGKREUZUNGEN, für CHAUSSEEWÄRTER und CHAUSSEEGELDEINNEHMER errichtet, die kein geringerer als der berühmte preußische Baumeister Karl Friedrich SCHINKEL entwarf. Vordem wohnten jene in nahegelegenen Dörfern, was sich aber bald als unpraktisch erwies. Da ein Chausseewärter jeweils eine halbe Meile zu beaufsichtigen und zu erhalten hatte, durften die Häuser maximal nur 1½ bis 2 Meilen auseinander stehen.
Ein SCHLAGBAUM sperrte die Straße solange, bis das CHAUSSEEGELD in einen Lederbeutel gezahlt worden war, den der Einnehmer an einer langen Stange aus dem Fenster hielt. Er brauchte zur Abwicklung also seinen bequemen Sitzplatz gar nicht verlassen, sondern drehte an seiner Kurbel und der Schlagbaum öffnete sich zur Durchfahrt.

Quittung res..jpg

Apropos: WEGKREUZUNG.

In der Mark Brandenburg ließ König Friedrich I. auf allen Straßen hölzerne WEGWEISER aufstellen – mit Ölfarbe gelb/schwarz oder schwarz/weiß angestrichene ARM-SÄULEN, an denen 2, 3 bis 4 Arme und Hände angebracht waren, die mit 2 Fingern den Weg zeigten.
An jedem Arm war der Name und die Entfernung des nächsten Ortes zu lesen.
An einigen Orten setzte man steinerne MEILEN-SÄULEN, „…und da muthwillige Leute sich unterstanden, die hölzernen anzuhauen, an den steinernen aber Messer, Sensen, Aexte, Beile und dergleichen Eisenwerk zu schleifen, so wurden diese Beschädigungen unter Androhung harter Bestrafung verbothen.“

Überhaupt gab es ein sehr strenges >REGELWERK< zur Benutzung der CHAUSSEE mit empfindlichen >Reichsthaler – Strafen< bei Nichtbefolgung:

Regelwerk_resize.jpg

Heutzutage interessiert den mobilen Benutzer von >Landes~ & Bundesstraßen< meist nur, wie weit es zum nächsten DORFGASTHOF ist, so wie es einst
unsere Altvorderen taten, die allerdings auch schon auf Komfort setzten:

„Zur Bequemlichkeit der Straße, für den Reisenden sowohl als den Wanderer gehören auch reinliche und in gehöriger Weite von einander angelegte WIRTHS-HÄUSER & HERBERGEN, wo man alles bekommen, und vor Dieben und Räubern sicher herbergen kann.
Es versteht sich von selbst, daß die Einrichtung solcher GAST-HÖFE nicht prächtig seyn darf; aber an nothwendigen Bedürfnissen für die Reisenden und ihre Pferde muß es ihnen nicht fehlen.
Außer der gewöhnlichen GAST-STUBE sollten darin wenigstens ein oder zwey reinliche und ordentlich eingerichtete WOHN-ZIMMER befindlich; folgende LEBENS-MITTEL, als: Branntwein, Bier, Brod, Butter, Käse, Hülsen-Früchte etc. stets vorräthig und für einen billigen Preis zu haben, wie auch die für die Ausspannung benöthigte STALLUNG nebst FUTTER-VORRÄTHEN vorhanden seyn.“

Ich fuhr heute wieder mal die mir schon aus Kindertagen bekannte Chaussee mit der wunderschönen „Eichen-Allee“ von SENFTENBERG nach HÖRLITZ entlang...
Ich wünschte ihr im Vorbeifahren noch ein langes Leben, auch wenn mir lautstark eine Eichel auf’s Autodach knallte… :)


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