Bei den zahlreichen, oft sehr schwärmerischen Auslassungen zur
>GARTENSTADT MARGA< und deren Architekten
GEORG HEINSIUS von MAYENBURG
wird nach meinem Dafürhalten eine nicht minder wichtige Person zu wenig gewürdigt:
GEORG GOTTLOB SCHUMANN
Inzwischen weiß jeder Häuslebauer, dass die wundervolle Idee vom eigenen Heim nur dann erfolgreich umgesetzt werden kann, wenn dafür auch das nötige „Kleingeld“ verfügbar ist.
Und der Bau der
>ARBEITERKOLONIE MARGA< wurde ausschließlich von der
ILSE AG. finanziert, wie die
GESCHÄFTSBERICHTE belegen, die ich kürzlich im Internet-Archiv entdeckte.
In der umfangreichen Statistik – beginnend im Jahr 1911 – sind auch alle, die
KOLONIE MARGA betreffenden Investitionen aufgelistet:
1912, im Jahr des 25-jähriges Firmenjubiläum der ILSE AG.,
gab man allein für MARGA 2.854.112 Mark aus, darauffolgend
1913 = 3.198.092 Mark
1914 = 2.993.780 Mark
1915 = 2.859.179 Mark
Ab 1916 flossen die Gelder hauptsächlich in den Neubau der >Arbeiterkolonie Erika<.
Interessant in den
GESCHÄFTSBERICHTEN sind auch die offiziellen Statements zu den Baufortschritten in
MARGA:
1911
„Der weitere Ausbau der ARBEITERKOLONIE MARGA ist auch im Betriebsjahre gut gefördert worden, denn im Laufe des Jahres wurden 23 Beamtenwohnungen und 91 Arbeiterwohnungen hergestellt. Außerdem wurden für die Versorgung der Bewohner eine Bäckerei, eine Schlächterei, ein großes Kaufhaus errichtet und der Ilse-Wohlfahrtsgesellschaft zum Betriebe überwiesen.
Endlich wurde ein großes Schulgebäude erbaut, welches 10 Schulklassen, eine Handfertigkeitsklasse und eine Schulküche enthält.
Die Fertigstellung der KOLONIE ist im Jahre 1912 zu erwarten.“
1912
„Die ARBEITERKOLONIE MARGA wurde im Laufe des Jahres durch den Bau von 4 Beamtenhäusern und 90 Arbeiterwohnungen vervollständigt. Außerdem gelangte ein Gasthaus zur Errichtung, wie auch der sonstige Ausbau der KOLONIE durch Herstellung des Marktplatzes, der Straßenbauten, Umzäunungen und Anpflanzungen durchgeführt wurde. Zur vollständigen Fertigstellung ist nur noch der Bau des Postgebäudes, der Kirche und einiger Beamtenwohnhäuser erforderlich, der im Jahre 1913 vor sich gehen soll.
1913
„Der Ausbau der ARBEITERKOLONIE MARGA wurde durch die Errichtung der öffentlichen Gebäude, wie Kirche, Post, Wirtschaftsgebäude für die Wohlfahrtseinrichtungen und einiger Beamtenwohnhäuser, zu Ende geführt.“Nach Fertigstellung der
KOLONIE MARGA wurden, speziell in den Kriegsjahren 1914-1918,
die Bergarbeiterfamilien finanziell unterstützt:
1914
„Für unsere vom Kriege betroffenen Angehörigen richten wir eine ausreichende KRIEGSFÜRSORGE ein.
In Anerkennung der geleisteten großen Dienste erfreuten wir in erster Reihe unsere in Feindesland kämpfenden Krieger durch regelmäßige Zusendungen von LIEBESGABEN, um ihnen die in diesem Kriege besonders hervortretenden Anstrengungen und Entbehrungen zu erleichtern.
Sodann sorgten wir für die daheim gebliebenen Familien dieser Kriegsteilnehmer außer durch Gewährung FREIER WOHNUNG durch Zuweisung einer der Größe der Familie entsprechenden fortlaufenden UNTERSTÜTZUNG, die wir ihnen auf Wunsch durch die von unserer Wohlfahrtsgesellschaft betriebenen Verkaufsstellen im Wesentlichen in Gestalt von Lebensmitteln zuführten.
Wir gaben für diese Zwecke einen Gesamtbetrag von M. 358.021,31 aus.“
In den Folgejahren stiegen die Ausgaben kontinuierlich:
1915 = 1.081.258, 87 Mark
1916 = 1.833.175, 33 Mark
1917 = 2.727.240,13 Mark
Welche Rolle spielte aber nun der o.g. Herr Kommerzienrat
GEORG GOTTLOB SCHUMANN ?
Am 14. Juni 1860 als Sohn eines einfachen Bauern in
KLETTWITZ geboren, nahm er nach der Schule eine Ausbildung als kaufmännischer Angestellter bei der Deutschen Reichspost auf und versah danach seinen Dienst in der Postverwaltung. 1880 begann seine Tätigkeit beim 1871 in
BÜCKGEN bei Senftenberg gegründeten
BRAUNKOHLENWERK ILSE,
das 1888 in die
>ILSE BERGBAU AG.< umgewandelt wurde.
1894 wurde er stellv. Direktor, 1897 Vorstandsmitglied. Von 1906 bis zu seinem Tod war er
GENERALDIREKTOR der
>ILSE<, deren Unternehmensgeschichte er vor allem durch die Entwicklung eines vollmechanisierten Großtagebaus mit Abraumförderbrückenförderung, aber auch durch moderne Marketingmethoden, z.B. Sichtwerbung für Briketts, Stückkohle, Ziegel u.a. Erzeugnisse an Berliner Omnibussen, weitgehend prägte.
Mit dem 1906 in
BRIESKE erfolgten Aufschluss der
>BRAUNKOHLENGRUBE MARGA< (nach seiner im Kindesalter verstorbenen Tochter benannt) legte Gottlob Schumann den Grundstein für den Aufstieg der
ILSE AG. zum größten Unternehmen der Lausitzer Braunkohlenindustrie.
Der von ihm initiierten
WERKSSIEDLUNG, aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes als erste deutsche
GARTENSTADT bezeichnet, galt seine besondere Aufmerksamkeit, wobei er den Begriff
>GARTENSTADT< nicht gebrauchte. Mit seiner
WERKSSIEDLUNG wollte er die Stammbelegschaft stärker an das Unternehmen binden, was ihm durch qualitativ hochwertigen Werkswohnungsbau und zahlreiche Wohlfahrtsleistungen (u.a. Deputate, Lohnzuschläge, Kinderbetreuung) auch gelang.
Schöne Wohnungen bei geringer Miete plus Gärten oder Ackerland zur eigenen Bewirtschaftung, noch dazu in unmittelbarer Nähe zu den Werksanlagen, wurden zu begehrten Objekten, in denen man allerdings erst durch ein „Koppelgeschäft“ von Arbeits~ und Mietvertrag Einzug halten konnte:
Wer seine Arbeit verlor, ging auch seiner Wohnung verlustig.
Die Entwicklung des Wohnungsbaus in
MARGA verlief bei den
WERKSWOHNUNGEN wie folgt:
1914 = 514 / 1924 = 657 / 1937 = 754
(ab 1924 kamen noch
200 Bergmannsheimstätten hinzu)
In einer
PRESSEMITTEILUNG von 1921 heißt es:
„Die von der >ILSE< in ihren 6 WERKS-KOLONIEN errichteten Wohnstätten bieten gegenwärtig 1800 Familien und über 4200 Angestellten und Arbeitern ohne Familie Unterkunft und Heim.
Außerdem besitzt die Gesellschaft in verschiedenen Dörfern Hausgrundstücke (1920: 49 Häuser als Eigentum und 22 Häuser in Pacht) die gleichfalls den Beamten und Arbeitern als Wohnungen zugewiesen werden.
Weiter wurden 10 Kaufhäuser, 5 Gasthäuser, 4 Bäckereien und 5 Fleischereien eingerichtet, aus denen die Werksangehörigen Lebensmittel, Bekleidungsstücke und sonstige Bedarfsgegenstände zu ermäßigten Preisen beziehen…“
Dass die hierfür benötigten finanziellen Mittel eingestellt wurden,
haben die
>MARGANER< wohl in erster Linie dem Generaldirektor der Ilse AG.,
GOTTLOB SCHUMANN, zu verdanken, dessen Herz bis zu seinem Tod am 2. September 1929 immer auch für seine Belegschaft schlug…