Neues 250 - 2016-10-30

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Matthias
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Neues 250 - 2016-10-30

Beitragvon Matthias » Sa 29. Okt 2016, 08:57

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Harald
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Re: Neues 250 - 2016-10-30

Beitragvon Harald » Sa 29. Okt 2016, 12:46

Th.Hof Eröffnung 2_resize.jpg

Auf die ERÖFFNUNG dieser gastlichen Stätte in Verbindung mit einem SCHLACHTFEST wurde per Anzeige im >Senftenberger Anzeiger<
am 30. Oktober hingewiesen und in gleicher Ausgabe eine detailreiche
Beschreibung der INNENEINRICHTUNG geliefert:

"Im vorigen Jahre wurde an der BAHNHOFSTRASSE (Ecke Moritzstr.) auf dem Grundstück des Kaufmanns Karl Kunze der Grundstein zu einem HOTEL-NEUBAU gelegt.
Der Neubau ist in diesen Tagen fertig gestellt. Er harrt nunmehr der Gäste.
Morgen, am 31. Oktober, wird das Hotel >THÜRINGER HOF< eröffnet.
Es birgt 20 Fremdenzimmer, die einfach, aber solide ausgestattet sind.
Bau und Einrichtung des Hotels sind nach den Intensionen des Architekten (BDA) V o g e l erfolgt.
Man betritt im Erdgeschoß die Vorhalle, von der es in das große, etwa 100 Personen fassende Hotelzimmer geht, das mit 6 Fenstern an der Bahnhofstraße liegt.
Daneben ist ein Frühstückszimmer, das als Versammlungsraum gedacht ist.
An der Moritzstraße gelegen ist ein zweifenstriges Gartenzimmer, das mit seiner dunklen Kassettenmalerei an der Decke einen freundlichen Eindruck macht.
Ferner sind im Erdgeschoß die Küche und ein Bürozimmer untergebracht.
Das Bier wird durch einen modernen DKW-Kühler verzapft, der das Getränk ständig gekühlt bringt.
Die Fremdenzimmer sind mit Warm~ und Kaltwasserleitung ausgestattet. Jedes Stockwerk birgt ein Wannenbad. Im Hotelzimmer prangt ein großes Wandbild, das die heimische Industrie versinnbildlicht. Das Kellergeschoß enthält neben den Vorratsräumen eine Autogarage, in der 10 bis 15 Wagen Platz haben.
Die Bauarbeiten wurden von der Firma K l ö t e r fertiggestellt,
die Dacharbeiten von der Firma R i c h t e r,
die Klempnerarbeiten von der Firma Richard R o t h e.
Die sanitären Anlagen machte das W a s s e r w e r k,
das auch die Heizungsanlage ausführte.
Die Lichtarbeiten wurden vom städtischen E l e k t r i z i t ä t s w e r k
gefertigt und die Malerarbeiten von der Firma S c h ö n e r t ausgeführt.
Alles ist in dem Hotel der heutigen Zeit entsprechend solid und bequem für einen angenehmen Aufenthalt der Gäste eingerichtet."

Gratulationen und Blumengebinde gab es wohl reichlich zur Einweihungsfeier. Ob das Hotel in der Folgezeit ständig ausgebucht, oder doch nur gering ausgelastet war, kann man nur mutmaßen.
Immerhin musste ich lange im >Senftenberger Anzeiger< suchen, um schließlich im März 1934 auf die erste "Veranstaltungsankündigung" zu stoßen - und man lud - oh Wunder - wiederum zu einem
SCHLACHTFEST ein:

März 1934_resize.jpg

Ich hatte zum Thema >SCHLACHTFEST< schon vor einiger Zeit einen Kommentar geschrieben.
Dennoch scheint es mir durchaus interessant zu sein, zu ergründen, weshalb speziell in Senftenbergs Gaststätten - mit Ausnahme der Sommermonate - über das ganze Jahr hinweg SCHLACHTFESTE abgehalten wurden. In den DÖRFERN besann man sich für gewöhnlich erst wieder auf diesen Brauch, wenn anhaltendes Frostwetter eintrat und die Natur draußen im Winterschlaf lag.
Wie es der Zufall wollte, fand ich in der Beilage zu unserem Lokalblatt
>Aus der Heimat - für die Heimat< just im Dezember 1933 einen Artikel vom damals sehr populären Heimatforscher "Lehrer Schielke aus Senftenberg", aus dem ich nun zitieren möchte:

Beilage Schlachtefest_resize.jpg

"In kaum einer Gegend unseres Vaterlandes spielt das SCHLACHTFEST im Leben der Bevölkerung eine so große Rolle wie in unserer Heimat. Selbst in Städten, wo es den meisten nicht möglich ist, sich ein SCHWEIN zu füttern, verzichtet man nicht gern auf die SCHLACHTFESTGENÜSSE. Diesem vielfachen Bedürfnis kommen unsere gastronomischen Gewerbe, indem sie von sich aus SCHLACHTFESTE veranstalten, entgegen. Diese scheinen, obwohl sie nur ein kümmerlicher Ersatz sind, immer noch eine große Anziehungskraft auszuüben, denn mit Ausnahme der heißesten Monate finden sie das ganze Jahr hindurch statt. Sie sind im Grunde genommen auch keine reinen Abfütterungen großen Stils, sondern sie haben noch einen letzten Schimmer von SCHLACHTFESTPOESIE.
Der Wirt erwartet, und selten vergebens, daß ihm seine Bekannten an diesem Tage besuchen, sich wenigstens WELLFLEISCH, frische WURST oder eine SCHLACHTSCHÜSSEL holen lassen. Er setzt noch mehr als sonst alles daran, den Gästen den Aufenthalt in seinen Räumen so angenehm wie möglich zu machen.
In so mancher Werkstatt herrscht schon am Vormittag ungewohnte Stille, die Meister streben mit bedächtigen Schritten einer durch Stuhl und weiße Schürze kenntlich gemachten gastlichen Stätte zu, um sich dort, frei von den Sorgen des Alttags, einige Stunden wohlverdienter Ruhe zu gönnen oder, wenn's Glück gut ist, einige neue Aufträge heimzubringen.
Dieser Hang unserer Bevölkerung zu bescheidenen Schmausereien ist aus ihrer Eigenart allein nicht zu erklären, ist vielmehr in den wirtschaftlichen Verhältnissen unserer Heimat begründet:
Die NIEDERLAUSITZ war bis zu ihrer Industrialisierung ein armes Land.
PELLKARTOFFELN mit LEINÖL, QUARK oder SPECKSTIPPE kamen selbst bei begüterten Bauern täglich wenigstens einmal auf den Tisch. Fleisch gab es in der Regel nur an Sonn~ und Festtagen, und dann auch meistens nur PÖKEL~ oder RAUCHFLEISCH.
FRISCHES FLEISCH zu kaufen galt als Luxus.
Was Wunder, wenn man sich auf das SCHLACHTFEST mit seinen lang begehrten Genüssen freute und es mit Hingabe feierte.
Wer ein SCHWEIN schlachten konnte, der fühlte sich geborgen und glücklich; wenn dies nicht möglich war, ging man dem Winter mit Sorgen entgegen. GLÜCK & SCHWEIN verschmolzen schließlich zu einem Begriff. Daher auch die Redensart: >Viel Schwein !< oder >Hat der ein Schwein !<
Wenn man heute auch auf dem Lande einen besseren Tisch führt als früher, aus dem vollen kann man auch jetzt nicht wirtschaften, immer heißt es dort noch einrichten und sparen, und solange dies der Fall ist, wird das SCHLACHTFEST seinen alten Reiz behalten."

SCHLACHTFEST 1931_resize.jpg

Wenn es wirklich zutrifft, dass einst ein Junge bei der Prüfung das SCHLACHTFEST zum großen Entsetzen des geistlichen Schulinspektors zu den DREI CHRISTLICHEN HAUPTFESTEN gerechnet hat, dann erübrigt es sich wohl, noch ein weiteres Wort über die Bedeutung desselben im Leben der heimischen Bevölkerung zu verlieren.
Somit wusste auch unser "Lehrer Schielke" sehr genau,
dass sich in der Schule selbst seine hartgesottenen Sünder VOR DEM SCHLACHTFEST eines musterhaften Betragens und Lerneifers befleißigten, um zu diesem Tage den ersehnten "Urlaub" zu bekommen.
Und er wurde natürlich in der Regel auch gewährt... ;)


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