In früherer Zeit gab es über
30 RESTAURANTS im Stadtgebiet Senftenberg, unter denen einigen ein hoher Bekanntheitsgrad und demzufolge reger Zulauf bescheinigt wurde.
Zu den ältesten Gaststätten Senftenbergs, obgleich zu Beginn noch unter anderem Namen, gehörte der in der Jüttendorfer Kaiser-Friedrich-Straße gelegene
GASTHOF >ZUM DAMHIRSCH<
dessen wechselvoller Geschichte wir uns heute widmen wollen
- und zwar anhand einiger
INSERATE & TAGESMELDUNGEN aus dem >Senftenberger Anzeiger<.
Da unser Zeitungsarchiv nur bis ins Jahr 1875 zurückreicht, beginnen wir mit der ersten Annonce von 1876, in der für
>GUTMANN'S SALON<,dem Damhirsch-Vorläufer, Reklame gemacht wurde:
Im Jahre 1895 begann dann die Ära
>DAMHIRSCH<, die mit dem Rechtschreibfehler
>DAMMHIRSCH<begann, und danach durch ständigen Wechsel von
BESITZERN resp. RESTAURATEUREN geprägt wurde, wie die Aufschriften auf einzelnen Postkarten erkennen lassen. Um die Gäste nicht zu verunsichern, zeichnete später bei der Werbung für diverse Veranstaltungen nur noch
"der Wirt" verantwortlich.
Am 22.02.1920 begann der kometenhafte Aufstieg der Familie
GOLLY, die mit einigen Unterbrechungen den vor allem bei den Jüttendorfer Tanz~, Faschings~ & Zamperfreudigen beliebten Gasthof über den Krieg rettete.
"Der gut bekannte Gasthof >ZUM DAMHIRSCH< ist durch Verkauf in den Besitz der Golly'schen Eheleute übergegangen. Herr Schönert, der bisherige Besitzer, siedelt nach Rostock über. Die Uebernahme erfolgt voraussichtlich am 10. März. Wir wünschen Herrn Schönert bei seinem Wegzuge von hier auch ferneres Wohlergehen."Närrisch und ausgelassen ging es aber auch zum
OKTOBERFEST zu, zu dem im Jahre 1926 eingeladen wurde. Davon, dass es auch den dort zur Unterhaltung aufspielenden bayerischen Musikanten außerordentlich gut gefiel, zeugt die Meldung, dass es auch nach dem
ABSCHIEDSABEND noch weiter ging:
"Im DAMHIRSCH rüstet man, nachdem die Bewirtschaftung in andere Hände übergegangen ist, zu einem OKTOBERFEST im großen Stil, wie es als solches das hiesige Publikum noch nicht gesehen hat.Die gastlichen Räume sind auf das herrlichste dekoriert und Küche und Keller werden das Beste bieten, sodaß allen Besuchern ein angenehmer Aufenthalt geboten wird." (15.10.1926)
"Infolge des starken Andranges und der Beliebtheit, der sich die Original Tiroler Bauernkapelle erfreut, ist das OKTOBERFEST im "Damhirsch" bis Sonnabend verlängert." (18.10.1926)
"Infolge anderweitiger Verpflichtungen muß die Original Tiroler Bauernkapelle ihr erfolgreiches Gastspiel im "Damhirsch" heute beenden. Heute findet großer ABSCHIEDSABEND statt." (20.10.1926)
"Im "Damhirsch" spielt am Mittwoch und Donnerstag wieder die Original Tiroler Bauernkapelle "Die Spielbuben". (26.10.1926)
Eine Meldung vom 5.10.1928 überrascht ein wenig, da hier wiederum von einer "vor kurzem erfolgten Übernahme der Gaststätte durch
JOHANN GOLLY" die Rede ist.
Wie gesagt, die laufenden Besitzerwechsel machen ganz schön konfus.
Hier ist zwar von
VERSCHÖNERUNGSARBEITEN die Rede, die Infos zur Inneneinrichtung sind aber eher nebulös:
"Die Kaiser-Friedrich-Straße befindet sich auf dem bestem Wege, eine Hauptverkehrs~ und Geschäftsstraße zu werden, marschiert auch an der Spitze derjenigen Straßen, deren Häuser mit modernem Anstrich versehen sind. Ganz gleich, ob man die Stadt verläßt oder sie von Grube Marga oder Senftenberg 2 her betritt, die Kaiser-Friedrich-Straße, besonders die nach Süden liegende Straßenfront, zeigt sich dem Beschauer stets im Sonntagsstaat.
Dieser Eindruck wird durch die kürzlich fertig gestellte Anstricherneuerung des Gasthofs zum DAMHIRSCH noch bedeutend verstärkt. Hier ist ein lebhaftes Rotbraun als Anstrichfarbe gewählt worden, nicht mit Ungeschick, denn diese Farbe paßt sich einigermaßen der Umgebung an und erreicht den Zweck: als Gaststätte aus dem Zuge der übrigen Häuser aufzufallen...Auch das Innere dieser Gaststätte ist einer durchgreifenden Erneuerung zum Opfer gefallen. Hier hat Malermeister Rothe der künstlerischen Fantasie freien Raum gelassen und im Saal wie in den Restaurationsräumen eine sehr hübsche und dabei zweckmäßige Belebung der Flächen erreicht.
Der Besitzer, Herr Johann Golly, hat seit kurzem die Bewirtschaftung wieder selbst übernommen. Heute abend finden die Einzugsfeierlichkeiten statt."
Wie man auf den Gasthofnamen
>DAMHIRSCH< kam, liegt wohl im Dunkel der Geschichte.
Ein Zwischenfall aus dem Jahre 1928 soll nur versichern, dass
DAMWILD in unserer Gegend heimisch war:
"Heute in den frühen Morgenstunden ist in der Calauer Straße im Garten des Verwaltungsgebäudes der Anhaltischen Kohlenwerke ein DAMHIRSCH erlegt worden.
Als heute früh der Verkehr gerade recht in den Fluß kam, erschien plötzlich der 'Geweihte', aus einem Garten in der Nähe flüchtend, mitten im lebhaften Verkehr. Alles stob natürlich auseinander, um von dem überängstigten Tier nicht überrannt zu werden. Fahrzeuge mußten zum Halten gebracht werden, denn wie leicht hätte bei so ungewöhnlich seltenem Besuch ein Verkehrsunfall entstehen können.
Ein Augenzeuge berichtet uns noch dazu:
"Heute morgen ¾7Uhr kam ein großer Hirsch von der Großenhainer Strecke und lief zur Kamenzer Strecke. Vor dem Stellwerk Snf. machte er Halt, weil er nicht weiter konnte, hielt sich ca. 5 Minuten auf, ist dann über den Zaun in den Garten des Chauffeurs Bartel gesprungen und von dort nach der Calauer Straße gelaufen. Im Garten der Anhaltischen Kohlenwerke mußte dem Ausreißer aus Gründen der Verkehrssicherheit durch einen wohlgezielten Schuß ein Ende gemacht werden.
Soweit uns bekannt ist, befindet sich in Altdöbern und in Lauchhammer DAMWILD in freier Wildbahn." (6.10.1928)