Es gab in
SENFTENBERG zahlreiche
GASTHÄUSER, die ständig im >Senftenberger Anzeiger< präsent waren und für in ihrem Haus stattfindende Veranstaltungen die Werbetrommel rührten. Die
WIRTSHÄUSER in den umliegenden Landgemeinden dagegen traten eher zurückhaltend in Erscheinung.
Nur an Feiertagen des christlichen und ländlichen Brauchtums las man Anzeigen,
die auch über die Dorfgrenzen hinaus Aufmerksamkeit erregen sollten.
Ansonsten blieb man gern "unter sich".
Auch das
GASTHAUS ANNA-MATHILDE nahe Sedlitz machte insofern davon Gebrauch, dass die dort ansässigen Wirtsleute alljährlich zum großen
SCHLACHTFEST
und der sich daran anschließenden
KIRMES im Spätherbst einluden.
Nun gehen wir ja momentan erst mal auf den Sommer, sofern der Wettergott will, auf einen Hochsommer, zu. Aber mittlerweile läuft eben auch schon die
SCHWEINEMAST, deren krönender Abschluss mit besagtem
SCHWEINSCHLACHTEN unser heutiges Thema sein soll:
Zu den
FAMILIENFESTEN auf dem Dorfe wird auch das
SCHLACHTFEST gerechnet. Ich erinnere mich einer kleinen Anekdote, wie ein Schulkind aus Brieske-Dorf, das sein Versäumnis mit einem >Familienfest< entschuldigte, auf meine Frage, welches Familienfest gefeiert worden sei, zur Antwort gab:
"Wir haben ein Schwein geschlachtet !"
Auch in höheren Beamtenkreisen bediente man sich dieser Entschuldigung,
wie das folgende Faksimile beweist:
Zum
SCHLACHTFEST werden die Verwandten und nächsten Nachbarn eingeladen, die auch mitunter zur Hand gehen. Dabei macht traditionell die Branntweinflasche fleißig die Runde. Ist das >Wellfleisch< (das dem Schwein vom Hals herabhängt) zur Wurst fertig, so wird es gekostet und auch ein Stück davon zu den Nachbarn getragen. Ebenso kostet man die Wurst, so bald sie aus dem Kessel kommt.
Intimen Freunden schickt man an jenem Tag meist eine kleine Kanne Wurstbrühe mit einem Stück Wellfleisch, sowie Grütz~ und (oder) Semmelleberwurst ins Haus.
Erst dann kommt die Hauptmahlzeit des
SCHLACHTEFESTES,
bei der "rohe Klöße", in "Kesselbrühe" gekocht, und Meerrettich nicht fehlen dürfen.
Es werden ferner Schweinshaxen und Sauerkraut, Backpflaumen, eingelegte Preiselbeeren, und zuletzt Blutwurst mit Sellerie vorgesetzt. Vorangegangen ist eine Eier~ oder Kesselbrühsuppe. Ist die Mahlzeit, bei der gehörig Branntwein und Bier getrunken wird, zu Ende, so kommt noch Kaffee und Kuchen, der auch nicht selten auf den Dörfern gebacken wird. Die Männer greifen dann zu den Spielkarten, während die Frauen sich unterhalten.
Beim
SCHWEINSCHLACHTEN in den Wirtshäusern, zu dem in der Regel öffentlich eingeladen wir, isst man nur frische Wurst. Das geschieht nachmittags und abends;
für den Vormittag wird auch zu Wellfleisch eingeladen.
In einem alten Reisebericht von 1850 las ich folgendes:
"Ein SCHWEIN, das für die Familie und nicht bloß zum Verkauf fett gemacht wird, findet man selbst in den Haushaltungen der kleinen Häusler und Gärtner.
Es ist das Tier, welches die meiste und gewöhnlichste Fleischnahrung hergibt.
Von ihm kommen die SPECKSTÜCKE zum Ausschmieren der Pfanne für die Plinsen, die SPECKWÜRFEL, die an Festtagen den Kartoffeln beigemischt werden, das FETT, mit dem sie sich zu Zeiten statt einer Butterbemme eine FETTBEMME bereiten, sowie das Töpfchen PÖKELFLEISCH, die beiden kleinen SCHINKEN und alle die WÜRSTE, mit denen der Lausitzer, das Jahr über sparsam haushaltend, seine Sonntage bezeichnet und seine Besucher, Hochzeits~, Kirmes~, Tauf~ und Feiertagsgäste bewirtet.
Zuweilen, wenn das Schwein recht fett geworden ist, geschieht das SCHWEINESCHLACHTEN mit besonderer Feierlichkeit. Man erzählte mir von einem Bauer, der sein Schwein auf 450 Pfund gebracht habe. Er ließ es wie ein OPFERTIER bekränzen, in seinem Dorf zur Schau herumfahren und dann unter einem Zulauf von vielen Menschen unter Musik schlachten und gab gleich darauf seinen Freunden einen WELLFLEISCHSCHMAUS."
So ist das Schweineschlachten auch
ein uralt-tiefgeheimer, deutscher Brauch.
Nun gut:
DEUTSCHER BRAUCH.
Eigentlich brachten ihn die Wenden mitsamt Wellfleisch, verschiedenen Arten von Würsten, wie Blutwurst, Leberwurst, Grützwurst, in unsere Region.
Am Sonntag nach dem Schweineschlachten wurde >Großwurst< ausgereicht, d.h.
man lud seine Freunde zusammen, aß zuerst Biersuppe, dann Schweinefleisch mit Schwarzbrühe, hierauf Wurst mit Sauerkraut oder gekochten Zwiebeln und endlich Schweinebraten mit Backobst.
Genug geschlemmt für heute - man sieht sich im Oktober oder November
an den Wellfleischkesseln wieder...
