Neues 203 - 2015-11-22

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Matthias
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Neues 203 - 2015-11-22

Beitragvon Matthias » Sa 21. Nov 2015, 14:40

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Harald
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Re: Neues 203 - 2015-11-22

Beitragvon Harald » So 22. Nov 2015, 09:42

MARKTTAG IN DER STADT

Wochenmarktsszenen.jpg

"Wer einen solchen nie gesehen hat, kann sich keine Vorstellung machen von dem Getöse, Gesumme und Geschrei von Menschen und Thieren, von dem Wogen und bunten Durcheinander von ab~ und zugehenden Leuten. Der ganze MARKTPLATZ ist bedeckt mit Gemüsehaufen, Früchten und lebendigem, wie auch bereits geschlachtetem Geflügel auf Wägen, in Körben, in Buden, debei Bauern und Bäuerinnen, Käufer und Käuferinnen, wie auch Zuschauer, dort und da auch Stadtwachen und Platzbedienstete umherziehend.
Es gehört das Alles zu einem MARKTTAG.
Ob aber auch dazu das Leuteausrichten, Ehrabschneiden und Verleumden gehöre, wodurch sich schon manche Person den Spitznamen einer >Markttratsche< geholt hat, ob das Lügen und Betrügen unter Käufer und Verkäufer, zwischen Dienstboten und Herrschaften dazu gehöre oder auch dazu, um seine Lieb~ und Bekanntschaften zu machen oder zu erneuern und zu befestigen, oder aber auch dazu, um mit dem Erlöse vom MARKTE umzugehen wie die Heiden und ihn mit Trunk und Lüderlichkeit zu vergeuden, das mag sich Jedermann selber beantworten..."

So schilderte ein reisender Zeitgenosse im Jahre 1860 das MARKTTREIBEN in einer Kleinstadt. Es hätte mitnichten auch Senftenberg sein können.
Sei's drum. Was sich hier als kleines, allwöchentliches, etwas chaotisch anmutendes Schauspiel offenbart, verlief jedoch schon seit alters her in gesetzlich geordneten Bahnen.
Die Städte waren angehalten, den Kontakt mit dem "platten Lande" zu unterhalten, einerseits demselben seine Produkte abzunehmen, und andrerseits dasselbe mit Fertigwaren zu versorgen. Hierzu wurden WOCHENMÄRKTE abgehalten, wobei es der Kaiser höchstpersönlich für sein hohes Vorrecht hielt, den Städten das MARKTRECHT zu verleihen. Auf seinen allerhöchsten Befehl hin durfte "in schuldiger Andacht am Tage des Herrn an keinem Orte ein Jahr~ noch Wochenmarkt an Sonn~ oder gebotenen Feyertagen gehalten, sondern sollte auf dem nächst vorhergehenden, oder kommenden Arbeitstag versetztet werden."

Natürlich waren auch die Kritiker nicht weit, die sich über das >Pro & Contra< der WOCHENMÄRKTE ausließen, und wie hier im Jahre 1820 mit den Bauersfrauen arg ins Gericht gingen:

"Mit Schrecken sehe ich es an, wie die Weiber der guten Landleute alle Tage, die Gott werden läßt, zur Stadt laufen, und keine andere Seligkeit kennen, als dort die Zeit zu verlaufen. Die Haushaltung entbehret ihren Fleiß, das Gesinde mit den Kindern ihre Aufsicht, und das Haus ist leer von allem, was eine rechtschaffene Hausmutter für sich haben muß.
Den Morgen verplaudern sie unter Weges oder auf dem Markte, und den Nachmittag sitzen sie in den Schlupfwinkeln vor den Stadtthoren und lernen Kaffee, Thee und Muscatwein, und der Heimmel weiß, wie viel mehr süße Näschereien kosten.
Ein Theil des gelöseten Geldes ist schon für Bändchen und Blümchen in der Stadt versplittert, und hier wird ein guter Theil des Ueberrestes vernaschet, der Mann aber des Abends mit Lügen, wie schlecht der Preiß gewesen, und wie man die Waare halb umsonst habe hingeben müssen, berichtet..."

Der MARKTTAG IN SENFTENBERG spiegelte sich tags darauf in den Meldungen des >Senftenberger Anzeiger< wider. Dabei wurden regelmäßig - warum auch immer - sowohl die Angebote des Vortages aufgelistet, als auch die Leser über kriminelle Vorkommnisse informiert:

Wochenmarkt Jan. 1932_resize.jpg


"Während der MARKTSTUNDEN wurden die Gewichte der Händler auf die Gültigkeit des Eichzeichens kontrolliert. In mehreren Fällen hatte die Polizei Anlaß zum Einschreiten und Gewichte beschlagnahmt."

"Eine hiesige Hausfrau bemerkte vergangenen Sonnabend kurz nach dem Besuch des WOCHENMARKTES den Verlust ihres Portemonnaie, in dem drei 20-Markscheine und zwei Fünfmarkstücke enthalten waren.
Das Portemonnaie ist aus dunkelbraunem Leder gefertigt. Es ist möglich, daß ein Taschendieb reiche Beute gemacht hat.
Zweckdienliche Beobachtungen sind der Kriminalpolizei mitzuteilen."

"Gestern vormittag während des WOCHENMARKTES ereignete sich auf dem Markt ein Unfall, der zum Glück für den Beteiligten noch glimpflich ablief. In schneller Fahrt kam aus der Kreuzstraße ein Motorradfahrer angefahren. Beim Einbiegen nach links fuhr er den Bogen zu weit und in zu schnellem Tempo, so daß er gegen die Rückseite eines hier an der Verkehrsinsel haltenden Gemüsewagens fuhr und vom Rade stürzte.
Das Rad wurde leicht beschädigt, der Fahrer zog sich geringfügige Verletzungen zu. Wenn auch im allgemeinen das Halten von Fahrzeugen an dieser Stelle verboten ist, so muß doch jeder Fahrer an WOCHENMARKTTAGEN mit dem Halten eines Fahrzeuges rechnen, zumal ja auch hier die Haltestelle des Stadtomnibus ist. Beim Nehmen der Kurve ist Schrittgeschwindigkeit vorgeschrieben."

Marktfrau_resize.jpg

Abschließend noch die wesentlichen Unterschiede zwischen
JAHRMÄRKTEN (JM) & WOCHENMÄRKTEN (WM):

(1) JM sollen Gelegenheit geben, ungewöhnlichere,
WM hingegen die gewöhnlichen dringenden Bedürfnisse zu befriedigen, wobei es als besonderer Zweck der JM anzusehen ist, dass die Bewohner der Stadt nicht beständig an die daselbst eingesessenen Kaufleute gebunden sind.
(2) Der JM umfasst in der Regel alle Handelszweige,
während sich der WM nur auf einzelne Sparten, wie z.B. Feldfrüchte & Obst sowie diverse Handwerkswaren beschränkt.
(3) Der JM währt einige Tage, oder wenigstens bis in die Nacht,
der WM endet gewöhnlich um die Mittagszeit.
(4) An WM dürfen nur einheimische Händler, an JM auch auswärtige Kaufleute ihre Waren feilbieten.

Diese Merkmale mögen in grauer Vorzeit beachtet worden sein,
heutzutage hält man sich aber kaum noch daran, wie der WOCHENMARKT in unserer Heimatstadt beweist...


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