Der
MASKENBALL ist eine besondere Form des
KOSTÜMBALLS.
Während einer solchen Veranstaltung, bei der das gemeinsame Tanzen und Feiern im Vordergrund steht, müssen alle teilnehmenden Männer und Frauen eine
GESICHTSMASKE tragen, die das Antlitz des Trägers verbirgt, um unerkannt neue Bekanntschaften zu knüpfen.
Maskenbälle haben im
KARNEVAL eine Jahrhunderte alte Tradition,
die aber weniger vom einfachen Volk als von bürgerlichen Kreisen getragen wird.
Da machte auch Senftenberg keine Ausnahme. Unser Städtchen besaß - bis auf die
>TOLLEN HIRSCHE< zu DDR-Zeiten - eigentlich nie einen renommierten
KARNEVALSVEREIN. Dafür organisierte nach 1900 der sehr angesehene Unterhaltungsverein
FIDELIA vielfältige Veranstaltungen für Senftenbergs bunt gemischtes Publikum.
Zur
FASCHINGSZEIT überboten sich die Gastwirte mit Einladungen zum traditionellen
MASKENBALL in ihren großen & kleinen Festsälen.
Wenn dann das anvisierte Unterhaltungsprogramm zusätzlich "etwas noch nie Dagewesenes" versprach, strömten die Narren & Närrinnen von Nah & Fern selbstredend in Scharen herbei...
So geschehen auch im Februar 1906 zum
GROSSEN MASKENBALL IM SCHÜTZENHAUS,
der sehr ausführlich im >Senftenberger Anzeiger< beworben wurde:
Am 12. Februar erfolgte die erste
OFFIZIELLE EINLADUNG in der Lokalzeitung:
"Der in den Räumen des hiesigen SCHÜTZENHAUSES vom Verein FIDELIA veranstaltete MASKENBALL wird den Charakter eines ALPEN-FESTES haben. Es wird ein Alpenleben vorgeführt werden, wie es sich in dem Zeitraum eines Jahres in den Alpen vollzieht...
...Die Durchführung des GROSSEN PROGRAMMS hat der Verein FIDELIA übernommen, dessen frühere Veranstaltungen wohl noch in bester Erinnerung stehen und für beste Ausführung eine Gewähr sind. Sämtliche Räume werden nach der Natur künstlerisch gemalt und ausgestattet, künstliche Felsen, steile Stege, Sennhütten, Gebirgsdörfer aufgebaut und geschaffen, sodaß für die Mitwirkenden und Zuschauer bisher noch nie hier gesehenes geboten wird und eine schöne Erinnerung bleiben dürfte."
Am 21. Februar, am Vortag des großen Balls, berichtete man von einer abschließenden
INSPEKTION der offensichtlich sündhaft teuren
DEKORATION in allen Sälen des Schützenhauses:
"Ein gewaltiges Stück Arbeit und viele Mühen haben die Beteiligten, und ganz ordentlich hohe Kosten hat der Verein FIDELIA nicht gescheut, um den morgigen MASKENBALL im SCHÜTZENHAUSE programmmäßig auszuführen. Die Vorarbeiten sind nahezu beendet und ist besonders die DEKORATION des Saales von verblüffender Wirkung.
Eine ALPENLANDSCHAFT, die wohl die kühnsten Erwartungen noch übertreffen wird, ist geschaffen worden. Majestätisch liegt das Hochgebirge vor unseren Blicken und romantische, steile Gebirgsstege, Hütten etc. beleben die Szenerie. Sämtliche Malereien mußten in der unglaublich kurzen Zeit von einigen Tagen fertiggestellt werden, eine Aufgabe, die von der Firma C. Schönert hier übernommen und tadellos und schnell ausgeführt worden ist.
Treten wir in den großen Saal, so zeigt sich links ein kleines Gebirgsdorf, mitten im Walde liegend. Bei dem BÄCKER des Ortes kosten wir das Nationalgebäck und kommen weiter zu einem KRÄMER, der dem Bedürfnis entsprechend Gebirgsandenken, Ansichtskarten, Gebirgsstöcke etc. feilbietet. Einem kleinen versteckt liegenden KIRCHLEIN folgt das SCHULZENAMT, wo die Fremden sich legitimieren und anmelden müssen. Wer den Gesetzen des Landes zuwiderhandelt, wird bestraft, kann arretiert oder gar des Landes verwiesen werden; der Polizist des Ortes waltet schnell seines Amtes.
Wir gehen dann weiter und kommen zur GEBIRGSSCHÄNKE, erquicken uns bei 'Vota' Krüger durch einen Trunk und guten Happen, sehen auf der TANZDIELE auch dem lustigen Treiben zu, wo eine Tyroler Kapelle ihre Weisen ertönen läßt. Dann führt der Weg weiter durchs Emmental nach dem steil aufsteigenden Breitenhorn. Vorsicht ist geboten, obwohl der Weg vollständig gefahrlos ist. Auf dem PLATEAU genießt man eine herrliche Rundsicht auf die Berner Alpen...Unten im TAL ist buntes, lustiges Treieb zu sehen - ein Bild von unvergeßlicher Wirkung.
Abwärts gehend kommt man zur SENNHÜTTE, wo bei der Sennerin 'a Glas Mili, a Gespritztes, a Gebirgssteiger, a Wein oder a Enzian, auch a Kas und Brot' zu haben ist. Nachdem wir uns erholt und gestärkt, geht's durch die Engerschlucht ins Tal; das KAPUZINER-KLOSTER seitwärts liegen lassend, besichtigen wir die neuentdeckte, elektrisch beleuchtete BEATUSHÖHLE und dann mischen wir uns unter das lustige Treiben des allzeit fidelen Bergvolkes..."
"Um den Verkehr zu erleichtern, gehen permanent drei OMNIBUSSE von Hotel Baranius und Marktplatz nach dem Schützenhaus. Außerdem stellen sämtliche FUHRHERREN ihre Wagen zur Verfügung.
Auf viele Anfragen und um gegenteiligen Meinungen entgegenzutreten, sei noch besonders darauf hingewiesen, daß einheimischen jungen und unverheirateten Damen und Herren (aus der Stadt und näheren Umgebung) die Beteiligung am Feste nur im Maskenkostüm gestattet werden kann und treten Ausnahmen in keinem Falle ein, wo Beteiligung tunlich. Der Verein hat dafür Sorge getragen, daß im BALLLOKALE schöne MASKENGARDEROBE und Dominos billig zu haben sind.
Von weither der Einladung folgende junge Damen und Herren sind dem Maskenzwang nicht unterworfen.
Da nach den SITZPLÄTZEN in der Preislage von 1,50 Mk. noch lebhafte Nachfrage ist, können wir schließlich mitteilen, daß solche Plätze in der Anzeiger-Expedition noch zu haben sind."
Am 23. Februar dann eine kurze
NACHBETRACHTUNG von einem augenscheinlich sehr übermüdeten Redakteur:
"Der gestern abends im SCHÜTZENHAUSSAALE abgehaltene FIDELIA-MASKENBALL war gut besucht und wird wohl sicher für jeden Teilnehmer in angenehmster Erinnerung bleiben.
Der Schützenhaussaal war durch kunstvolle Malereien und prächtige Dekoration in eine Alpenlandschaft verwandelt, in welcher sich die zahlreich erschienenen Tyroler und Tyrolerinnen anscheinend recht heimisch fühlten. Außer diesen hatte sich noch eine stattliche Anzahl schöner Masken eingefunden, sodaß sich vor den Augen der Zuschauer ein bewegtes Bild entrollte. Besonderen Beifall fanden die aufgeführten Tyroler Tänze, welche auch nach der Demaskierung auf lebhaften Wunsch noch wiederholt wurden.
Die Stimmung war eine ausgesucht fröhliche und verschob so Mancher die Heimkehr auf die tunlichst späteste Stunde, weshalb auch heute ein längerer Bericht nicht fertig wurde."
Spätestens nach der Lektüre dieser Beiträge kommt riesengroße Wehmut bei uns auf, oder ? Was muss das
SCHÜTZENHAUS doch für ein prächtiger "
KULTURTEMPEL "gewesen sein...:-/ und wie grenzenlos war damals die Sehnsucht der Senftenberger Flachländer nach der alpenländischen Bergwelt...