Neues 130 - 2014-05-21

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Matthias
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Neues 130 - 2014-05-21

Beitragvon Matthias » Mi 21. Mai 2014, 16:54

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Harald
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Re: Neues 130 - 2014-05-21

Beitragvon Harald » Fr 23. Mai 2014, 14:58

land-der-liebe-1937.jpg
>LAND DER LIEBE<

"In dem märchenhaften LAND DER LIEBE regieren Schönheit, Frohsinn und hochbeschwingte Anmut und ein König sitzt auf seinem Duodezthrönchen*, der, etwa fünfundvierzig Jahre alt, nichts vom Heiraten wissen will. Sein Ministerpräsident hat dafür aber kein Verständnis. Er schreibt an die Fürstin Ilonka, die eine Tochter hat.
Diese heißt Julia, ist siebzehn Jahre alt, schön, wohlerzogen und sehr keusch, denn sie kommt aus dem Kloster. Die Fürstin kommt zu spät an den vereinbarten Ort. Julia lernt einen jungen Mann kennen, der Schriftsteller ist. Die Sache geht so aus:
Die jungen Leute kriegen sich und der Fürst führt die Frau Mama der Julia heim.
Viele bezaubernde Frauen wirken in dem Film mit. Sie alle sind für Kostbarkeiten, die das Dasein so reizvoll machen, sehr empfänglich.
Durch stolze Hallen, zierliche Boudoirs**, wuchtige Galerien und weitläufige Säle huschen sie. Gut ist alles auf sie abgestimmt, auch die Fracks und Uniformen der Männer.
Gusti Huber und Albert Matterstock sind die Hauptdarsteller des Tobi-Rota-Films, der mit seinem Glanz und Sonnenschein die Gemüter der Besucher fesseln wird."

So wurde der Filminhalt einst im >Senftenberger Anzeiger< dem Kinopublikum unserer Stadt vorgestellt, auf dass es sich am Abend recht zahlreich an der Kinokasse des CAPITOL einfinden sollte.
Ob die Senftenberger daraufhin auch wirklich ins Kino strömten, wurde in der Lokalzeitung nicht vermeldet. Auch nicht, ob sie von den Wutausbrüchen der "Obersten Zensurbehörde",
des Propagandaministers Goebbels gehört hätten:
"Furchtbarer Ärger mit dem Schünzel-Film, der 1,3, Mill. kostet und ganz unbrauchbar ist. Das hat dieser Halbjude mit Absicht gemacht. Ganz unausstehlich." notierte Goebbels in sein Tagebuch.

R.Schünzel 1928_resize.jpg

Der bislang vielbeschäftigte Schauspieler und Regisseur pfiffiger Unterhaltungsfilme REINHOLD SCHÜNZEL
verließ aus einer Vorahnung heraus noch vor der Premiere seines Films im Mai 1937 Deutschland in Richtung Hollywood. Die Premiere wurde abgesagt, nach Kürzungen und Weglassung seines Namens wurde der Film dann aufgeführt, jedoch im Juni 1937 endgültig verboten.

Was war nun eigentlich der Anlass für diesen Eklat ?
Vielleicht steigt man dahinter, wenn man eine "Inhaltsangabe" aus heutiger Sicht auf >filmportal.de< liest:
" In einem kleinen Land regiert ein König, der mit seinen 45 Jahren noch immer ledig ist. Da beschließt der Ministerpräsident kurzerhand, ihn mit Prinzessin Julia zu verheiraten. Diese wird sofort von ihrer Mutter, Fürstin Ilonka, nach Hause beordert. Am Bahnhof verpassen sich die beiden, und Julia lernt einen jungen Mann kennen, der ihr sehr sympathisch ist. Während sie sich mit ihm auf dem Rummelplatz vergnügt, wird bekannt gegeben, dass sie die königliche Braut ist. Vor Schreck läuft sie davon. Enttäuscht wirft Franz die letzten Knaller aus dem Fenster, direkt vor das Auto des Königs und wird als Attentäter festgenommen. Um seiner Verlobung zu entgehen, taucht der König für einige Tage unter, und da Franz ihm sehr ähnlich sieht, muss er ihn für einige Tage spielen. Inzwischen sind Prinzessin Julia und ihre Mutter angereist. Als König Franz seiner Braut gegenübersteht, sind beide überglücklich. Doch der echte König nimmt seinen Platz wieder ein, verliebt sich aber nicht in Julia, sondern in ihre Mutter Ilonka – und die Prinzessin kann ihren Franz heiraten."

Waren es womöglich "die letzten Knaller" oder der "Attentäter",
die Goebbels mit Blick auf seinen Führer elektrisierten ?

Wohl kaum. Schon Schünzels überaus beliebte Filmsatire >AMPHYTRION< hatte mit ihrer Persiflage auf die Reichsparteitage den Ärger des Regimes provoziert und nun gelang es ihm im >LAND DER LIEBE< mit den genretypischen Gags eines fröhlich-chaotischen Operettenfilms den Polizeistaats-Prunk der Nationalsozialisten dem Gelächter preiszugeben.
Beamte, deren Verstand still steht, bestiefelte Uniformierte mit »Verständnisschwierigkeiten«, ein König, der einfach abhaut, ein Schriftsteller, der die Freiheit propagiert und ein paar dumme Jungen, die Politik machen … das waren die Ingredienzien für Schünzels letzte Musikkomödie in Deutschland.

Wer nun glaubte, dass ein so begnadeter Regisseur einen "unaufhaltsamen Aufstieg" in Amerikas Film-Metropole Hollywood erfahren würde, sah sich arg getäuscht:
"Ist der geduldete Jude Schünzel ein verkappter Nazi oder gar ein Spion von Goebbels Gnaden?" Die abenteuerlichsten Gerüchte kursierten in den Emigranten-Kreisen von Hollywood über den Neuankömmling.
Fast jeder machte einen großen Bogen um ihn und Reinhold Schünzel verstand die Welt nicht mehr. War nicht er der einzige Spielleiter in Deutschland gewesen, der die Nazis mit seinen subversiven Lustbarkeiten bis aufs Blut gereizt hatte - und zwar durchaus mit erheblichem persönlichen Risiko ?
So blieb dem arbeitslosen Schünzel nichts weiter übrig, als sich beim Kriegskino als Darsteller zu verdingen. Der Mann, den die Nazis aus Deutschland vertrieben hatten, der immer noch vielen Emigranten als heimlicher Sympathisant des Dritten Reichs galt, musste in Antikriegsfilmen die schwarze Uniform der Gestapo anziehen, um sein tägliches Brot zu verdienen... :-/

* Duodez = (von 'duodezimal') Begriff des Kleinen, Lächerlichen
** Boudoir = Putzzimmer feiner Damen


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