Senftenberg, Chronik 750 Jahre, Schlacht am Koschenberg, Partition

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Christian neu in SFB
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Senftenberg, Chronik 750 Jahre, Schlacht am Koschenberg, Partition

Beitragvon Christian neu in SFB » Mo 5. Feb 2024, 19:12

Schlacht am Koschenberg von Christian Hübner

gab es eine Schlacht, irgendwann mal, ein Scharmützel, ein Heer, oder einen Aufstand, oder, oder, oder?
Wir werden es nie ganz erfahren, weil sich Tatsächliches und Erfundenes, oder als tatsächlich Empfundenes, oder durch Legendenbildung
weitergegebenes über die Jahrhunderte zum: „ja, so war es damals“ ins Bewusstsein eingeschlichen haben.

Und in allem steckt nicht immer böse Absicht. Keiner hat ein geschichtliches Ereignis komplett erlebt, es sind immer nur Bruchstücke,
größere, oder kleinere aus denen derjenige dann eine Geschichte erzählt, oder aus der eben auch eine Geschichte „gestrickt“ wird
(das Wort Geschichte hab eben zwei unterschiedliche Wertungen: So war die Geschichte, oder Erzähl mir mal eine Geschichte).

Und Geschichte, das haben wir alle erlebt, wird immer fortgeschrieben, umgeschrieben, insbesondere durch den Sieger. Und, wie Mr. Churchill mal sagte, „das Erste, was im Krieg verloren geht, ist die Wahrheit.“

Geschichte wird auch vergessen, weil, wie hier, die Slawen ganz einfach ihre eigene Geschichte nie aufgeschrieben haben.

Geschichte ist immer Erfindung und Wahrheit. Auch Sagen und Legenden sind immer Erfindung und Wahrheit. Beweise werden vorgelegt,
Beweise werden bewusst, oder unbewusst unterschlagen und so schreiben wir uns unsere Geschichte, oder schlimmer, andere schreiben und urteilen über unsere Geschichte.

Nichts wird so oft umgedeutet, wie die Geschichte (Christian Hübner)

Wir müssen uns mit dem begnügen, was als Quellen vorhanden ist, was wir als „Quelle“ anerkennen, oder zur Quelle machen. Oder als „Quelle“ auch unterschlagen.
Eine Wertung ist immer auch die Parteinahme für eine Quelle, eine andere Quelle nicht zu nennen, ebenso.

Wir sind verpflichtet uns so nah als möglich, der Wahrheit anzunähern, und dazu gehört eben auch, Quellen nicht pauschal abzuwerten,
oder uns nur Quellen zu nähern die unserem zu erarbeitendem Ergebnis am nächsten kommen.

Das diese lange Vorrede ihren Sinn hat, werden wir gleich an der Geschichte zur „Schlacht am Koschenberg“ wieder eindrucksvoll sehen.

Es gibt da diejenigen, die sagen, eine Schlacht dort hat nie stattgefunden, und dann die, die sagen, ja vielleicht doch.

Wer will da Zeuge und wer Richter sein? Jeder hat, -oder zitiert „seine“ Quellen.

Das Verhältnis der Slawen zu den Sachsen war durch gegenseitige Rache- und Beutezüge geprägt.
Von den Sachsen sind jedoch anfangs keine Bestrebungen überliefert, die heidnischen Stämme der Slawen in das ostfränkische Reich einzugliedern
und zum christlichen Glauben zu zwingen.
(Gerd Althoff: Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat. 2. erweiterte Auflage. Stuttgart u. a. 2005, S. 55.)

Als erste Maßnahme griff Heinrich I. die Heveller an. Das militärische Unternehmen wurde mit dem Winterfeldzug 928/29 und der Eroberung
des Hauptortes Brennaborg/Brandenburg abgeschlossen
(Wikipedia).

Auch Helmold‘s (Pfarrer zu Bosow) „Chronik der Slawen“ von 1894 ist nicht hilfreich. Aber seine Chronik ist natürlich dem der Sieger eingefärbt, wenn er schreibt „das mittels frommer und hochbegabter Priester das Christentum für immer das Heidentum erstickte“. Überzeugung führte zum Glaubenswechsel?
Nein Krieg, Gewalt und Unterdrückung hat dazu geführt.

Georg Werchau, ein Lehrer aus Hoyerswerda, beschrieb 1925 diese Schlacht am Koschenberg in seinem Buch „Aus der Geschichte der Oberlausitz“:
„Der Sage nach soll hier eine der furchtbaren Schlachten zwischen den Herzögen zu Sachsen (Markgraf Gero), dem König des Ostfrankenreiches Heinrich I.
aus dem Adelsgeschlecht der Luidolfinger (ab 912 Herzog von Sachsen), und den heidnischen Wenden am Koschenberg 923 geschlagen worden sein.

Zwischen Tätzschwitz, Lauta, Koschen, Geierswalde und Hosena lagen nachweisliche Begräbnisstätten der Slawen.
Als einen der Tapfersten nennt Georg Werchau den Anführer mit Namen Radbot, der sich mit seinen Getreuen nördlich der Sümpfe und der Lausitzer Heide gelagert hatte.
Schon einige Wochen zuvor hatten die Wenden eine große Niederlage in einer Schlacht östlich von Radegast erfahren.

Aber mit neuem Mut und der Glut der Rache, schreibt er, rückten sie im Sturmschritt vor“. Fürchterliche Szenen werden detailliert ausgeschmückt, ohne dass der
Schreiber es selbst erlebt, sondern bestenfalls nur gehört hat.

Der Sage nach soll die Kunde vom Übertritt des Wendenfürsten Uleslav und seiner Tochter Chitava zum Christentum das Schlachtenglück der Slawen verhindert haben.
Das Blut der sterbenden Krieger beider Seiten färbte das Wasser zweier vorbeiführender Bäche, rot. Eine Mühle bei Hosena, heißt noch heute die Blutmühle.


Soweit die Quellen, Und nun zur Quellenkritik.

Das Heinrich I. in vielen Quellen immer schon als Kaiser tituliert wurde, obwohl erst sein Sohn Otto I. zum Kaiser gekrönt wurde, halte ich der Laxheit einiger Chronisten zugute.

Auch der berüchtigte Gero, = Gero I. = Gero der Große genannt, wurde erst 939 unter Heinrichs Sohn, Otto I. zum Markgrafen. Gero muss aber schon davor eine berühmt berüchtigte Person gewesen sein, denn er führte die Tributpflicht in der „Sächsischen Ostmark“ über die slawischen Stämme ein.
Tributpflichtig waren sie, aber damals noch nicht unterjocht, sondern blieben noch eine ganze Zeit selbständig. Ihre Zersplitterung machte es Angreifern leichter.
Hier in der Niederlausitz gab es keine Großreiche der Slawen.

Georg Werchau verlegt die Schlacht in das Jahr 923, sollte das nur ein Zahlendreher sein, oder wusste er es nicht besser. Historisch belegt ist der Kriegszug Richtung Lausitz erst 932.

Nun kommen wir zu weiteren, namentlich Genannten: „Radbot“. In der Lausitz?

Mit Radbot soll uns wohl eine Sagenfigur präsentiert werden, die es hier in der Niederlausitz und zu dieser Zeit nicht gab. Legende!
Im hohen Norden ins Friesland gab es einmal einen Friesenkönig Radbot, der sein Reich gegen die fränkischen Missionierungs- und Christianisierungsbemühungen i
mmer wieder erfolgreich verteidigte. Der herrschte aber bereits Ende des 7. Jahrhunderts. Radbod regierte von den Residenzen Utrecht und Dorestad aus.
Er strebte nach Süden und geriet dabei in Konflikt mit den benachbarten Franken, die ihrerseits nach Norden expandieren wollten.
Im Jahr 689 wurde Radbod vom fränkischen Hausmeier Pippin dem Mittleren bei Dorestad besiegt.

Hat er, Georg Werchau, sich diesen Radbot nur „ausgeliehen“ für seine Schlacht am Koschenberg? Vielleicht war „Radbot“ in Werchaus Geschichte nur der ersehnte Heilsbringer für den Sieg und steigerte den Mut der kleinen kämpfenden Schar.
Uleslav. der genannte Fürst, und seine Tochter Chitava sind ebenso wenig historisch verbürgte Figuren dieser Zeit. Legende!

Man könnte meinen Werchau wollte einen unterhaltsamen Roman und keine geschichtliche Abhandlung schreiben. …wenn ich nicht mehr darüber weiß, dann
denke ich mir den Rest dazu.

Denken wir nur an Abraham Hosemann, der mal eben Cottbus und Spremberg etliche hundert Jahre älter machte und viele Regierungen glaubten ihm seine „Recherchen“
noch hunderte Jahre später.
Auch die Bewertungen von Liersch und Böhnisch, dass es sich bei der Schlacht am Koschenberg um ausgemachte Fantasie handelt, teile ich nicht ganz.


Was ist denn nun? Gab es eine Schlacht am Koschenberg, oder nicht?


Koschenberg, Deutsche Fotothek.jpg

Karte von den Homannschen Erben aus dem Jahre 1746, Ausschnitt Hosena. Quelle: Deutsche Fotothek


Ich halte es mit der Historikerin Susann Wuschko (dresden-und-umland-erleben)
„Vielleicht müssen wir kreativ denken, um eine Lösung zu finden.“

Stellen wir uns die Zeit vor gut 1000 Jahren einmal vor.
Gab es schon Städte, nein, nicht hier. Einen Staat, oder Staatengebilde, nein nicht hier.
Die unwirtliche Lausitz mit ihren ausgedehnten Sümpfen hatte eben erst mit der „Burgenzeit“ begonnen. Aus den verschiedenen Stammesfehden
oder Angriffen durch die Deutschen ergab sich die Notwendigkeit zur Errichtung von Erdschanzen, wie unserer hier im Senftenberger Laugk hinter dem
Wolfsgarten durch Paulitz belegte Rundwall der Slawen der etwa um die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts angelegt wurde (gemeinhin „das alte Schloß genannt“- wend. Schoß).
Es war eine Fluchtburg in den Sümpfen, -durch dichte Waldung und undurchdringliches Gesträuch geschützt. In Zeiten der Gefahr zogen sich die Bewohner der Gegend in sie zurück.

Unsere Gegend, die südliche Niederlausitz, war sehr spärlich besiedelt. Pro Rundwall geht man von 250 bis 350 Bewohnern aus. Viel „zu holen“ gab es hier auch nicht. Keine große Heerstraße führte durch dieses Gebiet, wie auch bei diesen vielen Sümpfen.

Und ein organisiertes Heer der Wenden soll es hier gegeben haben? Wohl eher auch nicht.
Einfallende Krieger hatten es mit vielen einzelnen kleinen Herrschern zu tun. Das lohnt nicht für einen Feldzug, mit dem man Beute machen will.

Das Problem mit dieser "Schlacht" liegt im Maßstab ihres eigenen Lebensumfeldes.

Was für die Sorbenwenden die Schlacht ihres Lebens- der Kampf ihrer Großväter- die Heldentat ihrer Ahnen war, war für die Deutsch- und Lateinsprachigen Schriftgelehrten kaum eine Randnotiz wert.
Und so schreibt eben ein Thietmar oder ein Widukind nicht über jedes kleine Gefecht in dieser Zeit. Somit ist die Schlacht in den Schriften vergessen (S. Wuschko).


Was aber hatten die Wenden dieser Übermacht entgegenzusetzen? Eine kleine Schar von schlecht ausgebildeten Kriegern, die im Hauptberufe Bauern und Handwerker waren. Sie setzten sich mit Hacken, Äxte und wenigen Schwert- Wurf- und Schusswaffen Berufskriegern zur Wehr.

Die "Schlacht" dauerte vielleicht nur Minuten- die gefallenen Familienväter und Brüder wurden bestattet- die Wenden hätten sie nie auf dem Feld liegen lassen, so kann es auch keine Knochenfunde geben.
Und Waffenfunde? Welcher gut ausgebildete Soldat verliert bei einem so überragenden Sieg eine kostbare Waffe und lässt sie liegen?
Es kann keine Waffen geben, wo nie wirklich "gekämpft" wurde (S. Wuschko).

Es gibt keine Grabungsfunde von Waffen o.ä., die Hinweise auf ein Schlachtfeld geben könnten.



Also, es hat sicher keine „Schlacht am Koschenberg“ gegeben, aber ein wenig Wahrheit steckt in jeder Legende.


Und lassen wir unseren slawischen Vorfahren, mit denen wir sicher auch verwandt sind, ihren Ruhm sich einmal mit einem Heer des Heinrichs gemessen zu haben,
der immerhin in IHR Land eingedrungen ist.


Und die Moral von der Geschicht': Denkmäler klaut man nicht
Zuletzt geändert von Christian neu in SFB am Di 10. Sep 2024, 17:23, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Schlacht am Koschenberg

Beitragvon Matthias » Mi 7. Feb 2024, 14:59

Christian neu in SFB hat geschrieben:
Meine Artikel zur Ur- und Frühgeschichte werden jetzt im Heimatkalender nicht erscheinen, weil „zu wenig eigenes“ drinsteckt.


... was eher GEGEN den "Kippensand" spricht... mit Quellenangaben und einer Quellen-Diskussion hat man es wohl in Senftenberg nicht so :twisted:


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