„Am fünfzigsten Tage nach der Auferstehung Jesu waren die Apostel bey einander versammelt. Urplötzlich vernahmen sie von Himmel her ein Brausen wie von einem gewaltigen Winde, der den ganzen Saal durchströmte. Feuerflammen zeigten sich und dieß Feuer setzte sich auf jeden von ihnen, so daß sich alle voll göttlicher Begeisterung fühlten.“...heißt es in der >Apostelgeschichte<.
Durchaus denkbar wäre es, dass dem GEMEINDEKIRCHENRAT gerade am 19. Mai 1891, unter dem Einfluss der zu PFINGSTEN traditionell gefeierten >Ausgießung des Geistes< die Erleuchtung kam, dass die DEUTSCHE KIRCHE einer dringenden RENOVIERUNG bedürfe.
Denn schon eine Woche später startete das große PROJEKT, dessen FORTGANG ich anhand der im >Senftenberger Anzeiger< veröffentlichten Berichterstattung nachvollziehen möchte: „Der
UM~ & AUSBAU DER DEUTSCHEN KIRCHE hierselbst soll, da die Vorverhandlungen beendet sind, nunmehr in der nächsten Woche in Angriff genommen werden. Zur
LEITUNG des Baues ist bereits Herr Architect Z i e t z aus Eutin hier eingetroffen und es soll, wenn nicht Witterungsverhältnisse hindernd in den Weg treten, der
BAU zum 1. November d.J. zu Ende geführt sein.“
18. Juni 1891:
„Beim
ABBRUCH der Holztheile in der Deutschen Kirche hier verunglückte der Arbeiter Wilhelm M a t s c h u k von hier,
indem er mit einer zusammenbrechenden
TREPPE herunterstürzte und hierbei den Arm brach.“
30. Juli 1891:
„Bei dem
KIRCHENREPARATURBAU ist man im Grunde auf mächtige
STEINE gestoßen, welche durch die feste Mörtelverbindung einen großen Klumpen zu bilden schienen. Deshalb mußte vorgestern die
SPRENGUNG dieses Kolosses mittelst
PULVER erfolgen, welche auch völlig gelang.
Etwas getäuscht sah sich ein
LANGFINGER, welcher vor einigen Tagen einen in der
KIRCHE stehenden
SCHRANK erbrach und wahrscheinlich große Reichthümer in demselben vermuthete, statt dessen aber alte
ORGEL-ZINNPFEIFEN und sonstige dergl. Reste vorfand.
Diese wenig lohnende Einbrecherkunst wird dem Betreffenden aber doch vielleicht eine Kleinigkeit eintragen.“
11. November 1891:
„Unsere
DEUTSCHE KIRCHE, welche im Jahre 1690 zum letzten Male renovirt wurde, hat in diesem Jahre ein
NEUES GEWAND bekommen.
Unter der Leitung unseres verehrten Herrn Oberpredigers
H i n t e r s a t z, sowie des Architecten Herrn Z i e t z und der kirchlichen Baucommision ist der Bau der
KIRCHE, sowie auch des
THURMES seiner Vollendung nahe, so daß wohl Weihnachten d.J. das Wort der heiligen Schrift in den Hallen der Kirche erklingen wird.
Das Innere der Kirche selbst ist durch
MALEREI, sowie durch den Neubau von
EMPOREN,
ORGELCHOR, dem prachtvoll geschnitzten
ALTAR und der in Aufstellung begriffenen neuen
ORGEL von der weltberühmten Firma Schlag & Söhne in Schweidnitz in Schlesien dem gothischen Styl angepaßt.
Die bisherigen Fenster haben den prachtvollen
FENSTERN aus der königl. sächs. Hofglasmalerei von Türk & Co. aus Zittau weichen müssen; ein Hauptwerk der Glasmalerei bietet nämlich das
ALTARFENSTER, wo unser Heiland in Lebensgröße mit dem Spruch Matth.11, V.28 dargestellt ist.
Die frühere
SAKRISTEI ist einem im gothischen Style enthaltenem Bau ewichen. Der bisherige
AUFGANG nach den früheren Emporen findet nicht mehr in der Kirche selbst, sondern durch in Rohbau aufgeführte
AUFGÄNGE von außerhalb nach den neuen
EMPOREN in das Innere der Kirche statt.
Die bisherige
KANZEL in ihrer prachtvollen Schnitzerei, ein Meisterwerk des 16. Jahrhunderts, ist erhalten geblieben und wird renovirt. Ferner erhält die Kirche
LUFTHEIZUNG, es ist dieses wohl die erste derartige Anlage in der Niederlausitz; auch soll der
THURM eine
UHR mit 4 Zifferblättern erhalten.
Morgen, Donnerstag, findet nun der erste feierliche Akt, nämlich die
AUFBRINGUNG des vergoldeten
KNOPFES und
KREUZES, sowie des
BLITZABLEITERS auf dem Kaiserstuhl des Thurmes statt.
Die
FEIERLICHKEIT beginnt Nachmittag 1 Uhr und versammeln sich zu dieser Zeit die kirchliche Gemeinde-Vertretung sowie der Gemeinde-Kirchenrath etc. vor der Oberpfarre, von wo sich der Zug unter dem
GELÄUT sämmtlicher
GLOCKEN vor die Kirche begiebt, wo nach Abhaltung einer Ansprache seitens des Herrn Oberpfarrer H i n t e r s a t z und Absingen eines
CHORALS seitens der Schuljugend und Musikbegleitung mit der
AUFHISSUNG des Knopfes etc. begonnen wird.“
„Die
AUFHISSUNG des
KIRCHTHURMKNOPFES und des
KREUZES auf die neue
THURMSPITZE erfolgte gestern gegen 3 Uhr Nachmittags.
Dieser äußerst schwierigen, ja lebensgefährlichen Arbeit, welcher Viele mit banger Erwartung entgegen gesehen, hatte sich der Klempner Louis R o t h e jun. unterzogen, der mit Hilfe zweier thatkräftiger Leute in der Zeit von ungefähr zwei Stunden in dieser schwindelnden Höhe das Werk vollbrachte. Zur
FEIER hatten sich die Geistlichkeit, Kirchenvorstand, Lehrerkollegium und Schulkinder, sowie eine große Anzahl Zuschauer eingefunden.
GLOCKENGELÄUT, welches wir seit Wochen nicht gehört, verkündete den Beginn der Feier,
CHORÄLE, gespielt von der Jetschick-Wulschner’schen Kapelle und gesungen von der Schuljugend, begleiteten die gefahrvolle Arbeit. – Eingehender Bericht folgt.“
„Gestern, Dienstag, fand im Beisein der kirchlichen und städtischen Organe, wie schon kurz berichtet, die
AUFHISSUNG der Kugel, des Kreuzes und Blitzableiters auf unsere
NEUE THURMSPITZE statt.
Nachmittags gegen 1 Uhr versammelten sich vor der Oberpfarre die kirchlichen und städtischen Behörden, sowie die Herren Lehrer nebst den Schulklassen. Nachdem die von Herrn Oberpfarrer Hintersatz verfaßte
CHRONIK DER PAROCHIE seitens der kirchlichen Vertretung unterzeichnet war, wurde dieselbe nebst verschiedenen Münzen, Tageszeitungen etc. in den
KNOPF gelegt und derselbe zugelöthet.
Gegen 3 Uhr bewegte sich dann der Zug unter dem Geläut der Glocken und dem Gesang des Liedes >Ein feste Burg ist unser Gott< nebst Begleitung der Jetschick’schen Kapelle nach dem
THURM. Dort angekommen, wies Herr Oberpfarrer Hintersatz nach dem Gesange des Liedes >Lobe den Herrn, den mächtigen etc.< auf die Bedeutung des Tages hin, und unter dem Geläute der Glocken wurde der
KNOPF sowie das
KREUZ emporgezogen und von dem Klempner Louis Rothe jun. aufgesetzt und befestigt. Gegen 5 Uhr fand im Bittroff’schen Restaurant ein
FESTESSEN statt, wobei Herr Oberpfarrer Hintersatz auf den Maurermeister und die Bauleute, Herr Bürgermeister Blankenberg auf Herrn Oberpfarrer Hintersatz toasteten.“
13. Mai 1892:
„Wie aus den kirchlichen Nachrichten dieser Nummer ersichtlich, findet die
EINWEIHUNG der hiesigen
DEUTSCHEN KIRCHE nach ihrer
RENOVIRUNG am nächsten Mittwoch, den 18. d.M., Nachmittags 2 Uhr statt. Der
FESTZUG wird sich gutem Vernehmen nach von der Oberpfarre aus nach der
KIRCHE begeben, woselbst Herr General-Superintendent Dr. B r a u n aus Berlin die
WEIHREDE, die
FESTPREDIGT Herr Oberpfarrer H i n t e r s a t z halten wird.“
16. Mai 1892:
„Mehrseitig ist uns Veranlassung gegeben worden, für nächsten Mittwoch, an welchem Tage hier die
EINWEIHUNG DER RENOVIRTEN DEUTSCHEN KIRCHE stattfindet,
AUSSCHMÜCKUNG DER STRASSEN UND HÄUSER durch Fahnen und Guirlanden etc., wie dies anderwärts Brauch und z.B. in jüngster Zeit in Berlin in großartiger Weise ausgeübt worden, auch hier anzuregen. In katholischen Orten wird die Anwesenheit eines
BISCHOFS diesem zu Ehren stets der
ORT auf’s Höchste geschmückt – ein General-Superintendent steht in demselben Range, die evangelischen Christen werden darin gewiß nicht zurückstehen wollen und sei deshalb die Frage wohlwollendster Erwägung empfohlen.“
„…ist am Mittwoch Nachmittag unter großer Feierlichkeit und unter überaus zahlreicher Theilnahme nicht nur der Bewohner der eingepfarrten Ortschaften vor sich gegangen, sondern auch von weiter her waren viele Freunde von Gottes Haus und Wort erschienen, um der seltenen
FEIER beizuwohnen…
(Aufzählung der hohen Würdenträger)Die
STADT hatte zu Ehren des Festes an Flaggen~, Guirlanden~ und Kranzschmuck erheblich mehr geboten, als erhofft werden konnte; das
RATHAUS war mit einer Reihe grüner Maien geziert und namentlich in der
BAHNHOFSTRASSE und am
MARKT dürfte wohl kein Haus ohne
FESTSCHMUCK geblieben sein.
Am
CHAUSSEE-EINGANG zur Bahnhofstraße befand sich eine
EHRENPFORTE mit Willkommensgruß…
(Aufzählung aller Losungen)Bald nach Mittag verschwand der Wochenmarktsverkehr vom
MARKTPLATZ, dessen Säuberung angeordnet worden war und gegen ½ 3 Uhr nahm die
FEIER ihren Anfang, durch das schöne
GELÄUT unserer Glocken eingeleitet…
(Aufzählung der Festzugteilnehmer nebst gesungenen Kirchenliedern, Schlüsselübergabe etc.)Der zahlreichen, die geräumige
KIRCHE bis auf den letzten Platz füllenden Schaar Andächtiger zeigte sich nun das gründlich und auf das Schönste erneuerte
INNERE des schönen
GOTTESHAUSES und bot dasselbe mit dem reichen Blumen~ und Guirlandenschmuck, welcher nicht nur aus der Stadt, sondern auch von mehreren Dörfern gespendet worden, den erhebendsten Eindruck…
(Schilderung des Gottesdienstes)Voller Befriedigung verließen die Andächtigen das Gotteshaus, während vom
THURM noch Choralmusik ertönte…“
„Unsere neue
THURMUHR ist nunmehr gestern hier eingetroffen und soll dieselbe bereits, insofern es irgend thunlich,
bis zu den
FEIERTAGEN aufgestellt werden.“
7. Juni 1892:
„Unsere neue
THURMUHR, von welcher während der Festtage nur ein
ZIFFERBLATT OHNE ZEIGER zu sehen war, wird uns erst in 3 – 4 Wochen anzeigen, was es geschlagen hat. Dieselbe wird zuvor in einzelne Theile zerlegt, um sicher nach dem Aufstellungsorte gebracht werden zu können; die
AUFSTELLUNG des umfangreichen Werkes selbst ist dann auch noch eine zeitraubende und größte Genauigkeit erfordernde Arbeit.“
8. August 1893:
„Zu anderen öffentlichen
UNSITTEN gehört auch die
UNPÜNKTLICHKEIT BEIM KIRCHGANGE.Es giebt leider Viele, die scheinbar der Ansicht leben, die
LITURGIE gehöre nicht zum
GOTTESDIENSTE oder diene wenigstens nicht zur Erbauung. Andere wieder glauben, sich das
GEBET nach der
PREDIGT ersparen zu dürfen und warten den Höhepunkt des ganzen Gottesdienstes, den
SEGEN des Herrn sowie letztens den
GESANG des Schlußverses nicht mehr ab.
Beides, das
UNPÜNKTLICHE KOMMEN und das
VORZEITIGE VERLASSEN des Gotteshauses ist um der Störung wegen, die dadurch verursacht wird, gleich tadelnswerth und sollte von den Kirchgängern in jedem Falle sorglich vermieden werden.“
Bei dem geschilderten UHRENPROBLEM brauchte man sich eigentlich über die UNPÜNKTLICHKEIT nicht zu wundern…
Ich habe im >Senftenberger Anzeiger< bis zum 1894er Jahrgang recherchiert, doch ist bis dato noch keine Vollzugsmeldung „ZIFFERBLATT MIT ZEIGER“ ergangen. Dafür machte man die Senftenberger Bürgerschaft in der Zwischenzeit in puncto "SCHLAGEN DER TURMUHR" schlau... 