Sir
Ebenezer HOWARD, ein britischer
STADTPLANER, gilt als der
ERFINDER DER GARTENSTADT. Im Jahre 1898 stellte er ein städtebauliches
LEITBILD mit nachhaltigem Einfluss auf die
STADTPLANUNG vor. Um die
GROSSSTADT zu entlasten, sollten neue städtische
SIEDLUNGEN in ihrem
UMKREIS errichtet werden. Das
KONZEPT beinhaltete eine von
GRÜNFLÄCHEN durchzogene, aufgelockerte und planmäßig durch radiale
RINGSTRASSEN & BOULEVARDS gegliederte
SIEDLUNGSSTRUKTUR mit räumlicher Trennung wichtiger
FUNKTIONEN, einem umlaufenden
GRÜNGÜRTEL und einer ausreichenden Ausstattung mit
ARBEITSPLÄTZEN sowie
VERSORGUNGSEINRICHTUNGEN für eine Bevölkerung von 32.000 Personen. Das
ZENTRUM war für die wichtigsten öffentlichen
GEBÄUDE und einen
ZENTRALEN PARK vorgesehen. Nachfolgend standen separat zwei~/ dreigeschossige
FAMILIENHÄUSER mit
GÄRTEN, die der Erholung, Ernährung & naturnaher Tätigkeit dienen sollten. Auf diese Weise wurden die Vorzüge des
LAND~ & STADTLEBENS miteinander kombiniert.
Die
GARTENSTADT propagierte ländliches, billiges & sicheres
WOHNEN in einem kleinen, auch für die oberen Schichten des Arbeiterstandes erschwinglichen
EIGENHEIM mit
GARTEN.
Gemäß diesem
LEITBILD entstand die erste englische
GARTENSTADT LETCHWORTH 40 Meilen nördlich von London. Man verfolgte hierbei den Zweck, für ungelernte & unbemittelte Arbeiter
HÄUSER mit einem guten Wohnraum, Aufwaschküche mit Badevorrichtung im Erdgeschoß und 3 Schlafräumen im Obergeschoß zu bauen. (Miete pro Woche: 5 Mark)
Nach 6-jähriger Bauzeit (1898 – 1904) zählte man bereits rund
9000 EINWOHNER,
100 LÄDEN und darüber hinaus auch
30 FABRIKEN, deren
TERRAIN allerdings günstig im Osten der Stadt gewählt wurde, damit die Westwinde den
RAUCH von der Stadt wegführen.
Der
BEBAUUNGSPLAN wurde „in einem Geist der Achtung vor dem, was vorhanden ist“ und ohne die
ZERSTÖRUNG auch nur eines der vorhandenen
BÄUME, PARKS & GEHÖLZES entworfen. Dieser
RESPEKT VOR ALTEN BÄUMEN ist ein sympathischer Zug der Engländer, während deutsche
STÄDTEBAUER oft in ganz rücksichtsloser & unnötiger Weise vorhandene schöne, große Bäume schlagen, wenn sie auch nur ½ Meter in die angrenzende
STRASSE bzw. geplante
BAULINIE hineinragen, um sie später durch Koniferen, Sträucher u.dgl. zu ersetzen.
(Unseliges Beispiel hierfür ist das SENFTENBERGER Wohnprojekt „AM SCHLOSSPARK“) Auf dem
ZENTRALEN PLATZ stehen 3 große
EICHENBÄUME, von denen strahlenförmige
STRASSEN nach verschiedenen
WOHNGEBIETEN laufen.
ENGLAND ist die Heimat des
KLEINHAUSES, das für den Segen des eigenen, abgeschlossenen Heims steht und an dem der englische
ARBEITER aus Liverpool, Birmingham, Sheffield u.a. Industriestädten mit großer Zähigkeit hängt. In unendlichen Reihen und tödlicher Monotonie stehen die
EINFAMILIENHÄUSER nebeneinander hingestellt, ein Meer von gleichen Erkern, Giebeln, Dächern, Kaminröhren & Vorgärten. Für den Arbeiter zählt am
HAUS nicht die
FASSADE, sondern der
GRUNDRISS und die
INNENEINRICHTUNG.
Der erste große Erfolg der
DEUTSCHEN GARTENSTADTBEWEGUNGwar die Gründung der
GARTENSTADT HELLERAU bei
DRESDEN im Jahre
1906, die heute eine ansehnliche, künstlerisch & kulturell wertvolle
SIEDLUNG darstellt, und wie ein Magnet stadtmüde und doch zukunftsfrohe Menschen an sich zieht. Der kleinste
HAUSTYP, der einstmals im Erdgeschoß
WOHNSTUBE & KÜCHE, im Obergeschoß
2 SCHLAFZIMMER & BODENRAUM, außerdem
WASCHKÜCHE & KELLER enthielt, wurde gegen eine Jahresmiete von 250 Mark abgegeben. In
BERLIN erhielt man zur gleichen Zeit für diesen Preis kaum mehr als eine dumpfige
HOFWOHNUNG.
Von den insgesamt
62 DEUTSCHEN WOHNSIEDLUNGEN & GARTENSTÄDTEN mit einer nachhaltigen Entwicklung möchte ich die nachfolgenden 6 bildlich vorstellen:
Der GARTENSTADT HELLERAU folgten im Herbst 1908 die GARTENSTADT NÜRNBERG, 1909 HÜTTENAU nahe Hattingen in NRW, WANDSBEK Hamburg 1910, FALKENBERG Berlin-Treptow 1911/12, MARGA 1907/15 und schließlich STAAKEN bei Spandau 1914/17;Bei der Anlage dieser
ARBEITERKOLONIEN wurde für ein gutes Äußeres der
HÄUSER Sorge getragen. Von den alten, allzu gleichmäßigen, kasernenartig angelegten
ZIEGELSTEINBAUTEN der Gründerzeit ist man zu
BAUARTEN im Schweizer, Thüringer u.a. Stilformen, vielfach auch mit
VORGÄRTEN neben den hinter dem
HAUSE liegenden
GEMÜSEGÄRTEN, übergegangen.
In jedem
HÄUSCHEN wohnten 1 - 2 Arbeiterfamilien, von denen jede ihren besonderen
HAUSEINGANG & HOFRAUM hatte. Im Erdgeschoß lagen
KÜCHE & 2 geräumige
ZIMMER,
die mit Kachelöfen, elektrischer Beleuchtung, Wasserleitung & Ausguss ausgestattet waren. Unter dem Dach befand sich ein großer, hoher
BODEN; ebenso wurde für einen trockenen
KELLER gesorgt. Ein
KOHLEN~ & VIEHSTÄLLCHEN, über dem sich ein kleiner
HEUBODEN befand, stand im
HOF, an den sich ein großer
GARTEN anschloss. An diese Arbeiterkolonien reihten sich vielfach noch parkartig ausgestattete
GARTENANLAGEN, die den Arbeitern nach schwerer Arbeit einen angenehmen Aufenthalt im Freien ermöglichten. Sie erhielten diese
GÄRTEN entweder umsonst oder gegen einen geringen Pachtzins zur Gemüse~, Blumen~, Beeren~ & Obstbaumzucht überwiesen. Von vielen
GARTENINGABERN wurde nebenbei mit gutem Erfolg Hühner~, Kaninchen~, Ziegen~ & selbst Schweinezucht betrieben.
Aber nicht allein das
ÄUSSERE, sondern auch das
INNERE eines solchen
ARBEITERHÄUSCHENS bot vielfach ein recht anheimelndes
BILD und ließ eine gewisse
WOHNUNGSKULTUR erkennen: das unten befindliche
ZIMMER wurde meist als „Gute Stube“ eingerichtet, in der sich ein recht behagliches
MOBILIAR und bunter
BILDERSCHMUCK an den Wänden befand, nicht zu vergessen die schönen
GARDINEN, die ein ganz besonderer Ehrgeiz der
HAUSFRAU war.
Für die künstlerische Gestaltung des
ARBEITERHAUSES waren einige
KOLONIEN vorbildlich geworden, die von
FABRIKANTEN angelegt wurden,
wie die
GARTENSTADT MARGA durch die
ILSE AG.Auf den ersten Blick wirkt
MARGA wie eine ganz normale
KLEINSTADT:
gepflegt, bürgerlich, heimelig. Doch
MARGA IST EIN KUNSTWERK – von dem Architekten Georg Heinsius von Mayenburg auf dem Reißbrett entworfen und innerhalb weniger Jahre von einem einzigen Bauherrn errichtet. Die Ilse Bergbau AG hat zwischen 1907 und 1915 die kühne Vision von einer lebenswerten Werkssiedlung realisiert.
Ziel war es, eine zweckmäßige und zugleich menschenfreundliche Wohngegend für die Bergleute und ihre Familien zu schaffen.
So entstand
DEUTSCHLANDS ERSTE GARTENSTADT – eigentlich im weiteren Sinne – als
„WOHNKOLONIE mit gartenmäßiger Bebauung“ – d.h. mit grünen Alleen, Gärten, blühenden Obstbäumen &
HÄUSERN von individueller Architektur mit handwerklichen Elementen.
Doch HALT ! War nun MARGA tatsächlich die ERSTE deutsche Gartenstadt ?
Mag sein…wenn man jedoch einen prüfenden Blick auf die GRÜNDUNGSJAHRE der o.a. Mitbewerber wirft…? Was soll’s? Auch die
ÖSTERREICHER waren ja von
MARGA begeistert, obwohl sie nur das
MODELL gesehen hatten,
wie man in ihrer >Zeitschrift für Berg~ & Hüttenwesen< von 1911 lesen konnte…