„Lieber Mieter! Zur Übernahme Ihrer NEUBAUWOHNUNG beglückwünschen wir Sie im Namen aller,
die das Haus gebaut haben, in dem Sie nun wohnen werden.“ So las sich im Jahre
1970 die sehnsüchtig erwartete
BOTSCHAFT der Wohnungsverwaltung betr.
„Zuteilung einer 2-Zimmerwohnung in der Otto-Nuschke-Straße 9“ – unweit der Erich-Weinert-Straße 30, wo wir vordem als jungverheiratetes Paar mit unserem „Stammhalter Matthias“ bei meinem Großvater „Unterschlupf“ gefunden hatten.
Doch bevor sich dieser lang gehegte
TRAUM von den eigenen vier Wänden erfüllte, musste man sich in eine sehr lange
WARTELISTE eintragen. An den
SPRECHTAGEN des
WOHNUNGSAMTES platzte das
WARTEZIMMER aus allen Nähten. Stundenlang standen die jungen Muttis mit Kleinkindern mehr oder weniger geduldig in der
WARTESCHLANGE.
Die
KINDER dabei zu haben hatte einen guten Grund: für
FAMILIEN mit Nachwuchs verbesserten sich die Aussichten auf eine
WOHNUNG enorm.
ALLEINSTEHENDE wurden nicht selten mit dem Satz abgespeist:
„Kommen Sie wieder, wenn Sie verheiratet sind.“ Besonders begehrt ab Anfang der 1970-er Jahre waren die
PLATTENBAUWOHNUNGEN.
Sie waren mit fließendem warmen und kalten Wasser, Zentralheizung ohne Kohlenschleppen, Badewanne und Innen-WC ausgestattet.
WOHNEN war in der
DDR relativ billig. Jeder
MIETER galt als unkündbarer Quasi-Eigentümer, ob er nun pünktlich seine
MIETE, die sich zwischen 80 Pfennig und 1,25 Mark pro qm Wohnfläche bewegte, zahlte oder nicht.
Wenn man dann endlich die langersehnten
SCHLÜSSEL in der Hand hielt, hatte man die neue
WOHNUNG zwar „nur gemietet“
– behandelte sie aber dennoch
WIE DIE EIGENEN 4 WÄNDE:
Man investierte viel
GELD & ARBEIT in das neue Zuhause: tapezierte die Wände, flieste Bad und Küche – sofern man Raufasertapete und Fliesen irgendwo auftreiben konnte –, und pflegte die Vorgärten. Jeder gelernte DDR-Bürger war dank seiner
POLYTECHNISCHEN SCHULBILDUNG sein eigener Maler, Maurer, Tischler oder Klempner – nicht weil es Riesenspaß machte, sondern der alltäglichen
NOT gehorchend:
HANDWERKER waren knapp, und konnte man tatsächlich mal einen bekommen, blieb die alles überschattende
MATERIALFRAGE. Übrigens war das Anschließen von elektrischen Leitungen die einzige Arbeit, die dem Freizeithandwerker gesetzlich untersagt war.
P 2 – die WOHNUNG NEUEN TYPS
– meist nur
„PLATTE“ genannt – gab es in allen Gegenden der
DDR, was sich als sehr praktisch erwies: wer sich zufällig als
GAST in eine fremde
WOHNUNG „verirrte“, konnte sich nicht verirren, denn die
TÜREN führten zu den gleichen
RÄUMEN, sogar die
SCHRANKWAND stand überall links, die
COUCH-GARNITUR rechts, es gab meist identische
EINBAUKÜCHEN – man fühlte sich gleich heimisch.
„GENORMTES WOHNEN“ bestimmte zwangsläufig auch die Entwürfe der
MÖBELHERSTELLER.
Für allzu üppiges MOBILIAR war sowieso kein Platz und man sparte an der Vielfalt gleich mit.
Dennoch war das Leben im >NEUBAUVIERTEL<“ bis zu einem gewissen Grad lebenswert.
Sie waren nicht nur „Schnarchsilo“, „Wohnregal“, „Wohn-Klo mit Kochnische“ oder „Arbeiterschließfach“– wie sie der
VOLKSMUND mancherorts titulierte. Hier herrschte
RUNDUMBETREUUNG, konzipiert für Familien, in denen
ALLE ERWACHSENEN VOLLBESCHÄFTIGT waren. Es gab eine
GASTSTÄTTE, eine
KAUFHALLE, den
KINDERGARTEN und die
SCHULE, oft auch einen
JUGENDCLUB. Durch das Prinzip der
ZENTRALEN WOHNUNGSVERGABE nach Familiengröße konnten die Phänomene Neid, Missgunst oder Abgrenzung von den Nachbarn kaum aufkommen.
>HAUSGEMEINSCHAFTEN< kümmerten sich um Eingangsbereiche, Gemeinschaftsräume, Parkplätze und Vorgärten. Mit Balkon-Wettbewerben reagierten viele Bewohner auf das triste Beton-Grau der Gebäude. Es herrschte
EIN ENGER ZUSAMMENHALT unter den Bedingungen der Knappheit in fast allen Lebensbereichen.
Bis zum Ende der DDR wurden rund 2,1 Millionen Wohnungen aus
BETONFERTIGTEILEN gebaut. Millionen Menschen leben noch heute in diesen
WOHNGEBIETEN, die nach 1989 zunehmend durch
ABWANDERUNG leer gezogen wurden und der
ABRISSBIRNE weichen mussten. Vor allem
JUNGE LEUTE gingen
NACH DER WENDE auf Grund fehlender
AUSBILDUNGS~ & ARBEITSPLÄTZE in die alten Bundesländer und die einst beliebten
NEUBAUSIEDLUNGEN verwandelten sich zunehmend in
SOZIALE BRENNPUNKTE. Die
ZUKUNFT DER „PLATTE“ ist ungewiss, in
SENFTENBERG aber durchaus hoffnungsvoll, denn durch
UM~ & AUSBAU, sowie farbliche
VERSCHÖNERUNG wird sie mit Sicherheit nicht mehr nur als
ÜBERBLEIBSEL der untergegangenen DDR-Epoche ihr Dasein fristen.
Zu dem von >Frank 66< angesprochenen
„ANTENNENWALD“ sei noch folgende
INFORMATION nachgereicht:
>WESTANTENNE< war ab etwa 1970 die umgangssprachliche Bezeichnung für
„ANTENNEN zum Empfang der Fernsehsender der BRD“. Schon Anfang der 1960er Jahre wurden die zumeist im Eigenbau gefertigten, vierstöckigen, sogenannten
>OCHSENKOPF-ANTENNEN< zum Empfang des Westfernsehens genutzt. Nach dem Mauerbau sollten in der gesamten DDR die
WESTANTENNEN von den Dächern verschwinden. Über die FDJ wurde deshalb die Aktion
"BLITZ KONTRA NATO-SENDER“ initiiert, bei der alle
„WESTANTENNEN“ als
„OCHSENKOPF-ANTENNEN“ diffamiert wurden, ungeachtet dessen, ob sie zum Empfang des
SENDERS >OCHSENKOPF< ausgerichtet und geeignet waren oder nicht. Viele
ANTENNEN wurden daraufhin unter dem
DACH versteckt, bis diese von der
FDJ entdeckt, und daraufhin deren Besitzer zur Demontage aufgefordert wurden.
Das
FOTO zeigt oben eine Yagi-Hausantenne zum Empfang des UHF Band IV Kanal 33 (ZDF, Sender Berlin) und in der Mitte die 4-stöckige Ochsenkopf-Dipolantenne zum Empfang des VHF Band III, Kanal 7 (ARD, Sender Berlin).
PLATTENBAU-WOHNUNGEN waren an einer GEMEINSCHAFTSANTENNE angeschlossen
und besaßen BUCHSEN zum Empfang von UKW-Rundfunk und TV der DDR.