23.11.2025

Aus gegebenem Anlaß...

Senftenberg-Chronik. Alles auf 0!

... oder vielleicht sogar auf unter 0? Dazu später mehr.

Zu meinen mehr oder weniger regelmäßigen "Arbeiten" gehört die Lektüre der offiziellen Internet-Seite der Stadt Senftenberg (www.senftenberg.de) sowie das Verfolgen der städtischen Verlautbarungen in den sozialen Medien (Facebook, Instagram). Mein Hauptaugenmerk gilt dabei natürlich allem was irgendwie auch nur ansatzweise mit unserer Heimatgeschichte zu tun hat. In den letzten paar Wochen ploppten dabei Informationen zu der berühmt-berüchtigten "Senftenberg-Chronik" auf. Die Brocken, die man dem informationshungrigen Leser dabei hinwirft, sind zum Teil vage und liefern in aller Regel keine Hintergrundinformationen, um als Interessierter halbwegs richtige Schlüsse ziehen zu können. Mit ein wenig Beharrlichkeit kann man zwar den verantwortlichen Personen noch etwas aus der Nase ziehen aber eigentlich bin zumindest ich darauf beschränkt, mir irgendetwas zusammenzureimen.

Das Thema lautet "Beauftragung zur Fortschreibung der Chronik der Stadt Senftenberg". Das ist der offizielle Titel des Projektes, der für mein Gefühl die Aufgabe nicht wahrheitsgetreu wiedergibt. Denn wenn man die zwei öffentlichen Ausschreibungen studiert, dann geht es schon lange nicht mehr nur um eine Fortschreibung - also nach Materiallage die letzten einhundert Jahre - sondern um eine gänzliche Neu(auf)schreibung der Historie von anno Knipps bis heute. Vermutlich gibt es verwaltungstechnische Gründe, warum man den irreführenden Titel bis heute verwendet.
Na jedenfalls gab es zu dem Thema im Juli dieses Jahres eine Präsentation, in der den Teilnehmern am Ausschuss Soziales, Bildung, Kultur und Sport Informationen zum (damaligen) Stand des zweiten Wettbewerbsaufrufs (Einsendeschluß: 29. August 2025) vermittelt wurden. Auf Nachfrage und einigem Hin-und-Her wurde mir ein Dokument zugeschickt. Ich habe keine Ahnung, ob das, was bei mir ankam, die gesamte Präsentation darstellt oder nicht. Verständlicherweise habe ich auch keine Kenntnis von dem was dazu auf der Tonspur geliefert wurde. Hier ist das Teil:

Ich muß gestehen, daß mich der Inhalt dann doch etwas überrascht hat. Damit meine ich jetzt nicht die spärlichen Informationen, sondern vielmehr den Sachverhalt, daß der Auftraggeber (Stadt Senftenberg) beim zweiten Anlauf eine andere Strategie fuhr. Man ging wohl - so suggeriert die Folie - proaktiver vor, indem man Personen, Institutionen und Internetportale mit der Nase auf den Aufruf stieß. Ich hatte mich ja vor Monaten gewundert, daß ich so gar keinen medialen Widerhall bezüglich der zweiten Ausschreibung verspürte. Nun stellt sich heraus, daß in diesem Fall eine "Vorwärts-Strategie" gewählt wurde. Inwieweit diese bis zum Juli Erfolge zeitigte, darüber gibt die Folie keine oder nur minimale Auskunft. Wie gesagt: mir fehlt die "Tonspur" dazu.
Okay, das war im Juli. Ende August war "Annahmeschluß" und auch bis Ende Oktober - so lange dauerte es, bis ich überhaupt obiger Präsentation gewahr wurde und sie in meinen Händen hielt - herrschte Stillschweigen in Sachen Chronik. Meine Nachfrage zum Stand der Dinge wurde "abgebürstet".
Anfang November kam plötzlich Bewegung in die Sache. Einladungen zu Ausschußsitzungen enthielten einen Tagesordnungspunkt unter dem oben bereits erwähnten Titel (Beauftragung...). Holla die Waldfee! Beiden Sitzungen, in deren öffentlichen Teil, die Sache auf den Tisch kam, konnte ich aus terminlichen Gründen nicht beiwohnen. Aber das war nicht ganz so schlimm, denn nur sehr kurze Zeit später war ein offizielles Dokument dazu im Internet abrufbar. Und das hat es in sich!

Beide Ausschüsse stimmten 7:0 für obigen Beschlussvorschlag, der jedoch noch durch die Stadtverordnetenversammlung am 26. November gebracht werden muß. Dies wird vermutlich ohne große Gegenwehr geschehen. Die Begründung lautet folgendermaßen:

Darin wird im Schnelldurchlauf noch einmal der zeitliche Ablauf der Geschehnisse rund um den SVV-Beschluß aus dem Jahr 2020 dargestellt. Die von mir gelb markierte Passage finde ich persönlich bemerkenswert. Das hörte und las sich anno 2024 doch völlig anders. Es fehlten eigentlich nur noch die Unterschriften unter dem fix und fertig ausformulierten Vertrag mit Team Radochla. Und heute? ... entsprach nicht den Erwartungen... Und ich dachte, es ginge ums Geld.

Wird wohl doch nicht so gewesen sein. Wie ich das neue Dokument interpretiere, legt man nun noch einmal 25.000 € drauf! Zum Vergleich:

Da ich kein Mitglied der Projektgruppe bin und auch niemanden aus dem Kreis derjenigen, die laut Begründung am 23. Oktober einstimmig für die Vergabe an einen der drei (damit hätte ich nicht gerechnet!) Bewerber votierten, so gut kenne, daß er mir Interna zuspielt, kann ich nichts zum Hintergrund dieser Anpassung sagen.
In der Beschlussvorlage geistern noch weitere 40.000 Euro herum von denen ich aber nicht weiß, ob sie noch "on top" kommen. Für mich sind solche haushalterischen Tabellen nämlich böhmische Dörfer.

In dem Zusammenhang prophezeite ich da und dort, daß man hierzulande am Ende auf eine auswärtige Agentur zurückgreifen muß/wird, die die Arbeit verrichtet. Und was soll ich sagen? Genau so wird es wohl kommen, wenn Frau Dr. Anne Dreesbach aus der Nähe von Landshut mit ihrer Agentur August(e) den Zuschlag erhält. Vorausgesetzt keiner der Vertragspartner zieht vorfristig den Stecker. Hinsichtlich meiner Vorhersagen sollte ich tatsächlich überlegen, mein Glück einmal beim Lottospiel herauszufordern.

Gut! Wir haben jetzt einen Namen und wer nach diesem im Internet recherchiert wird sehr schnell fündig. Die Klaviatur des (Self)-Marketing beherrscht Frau Dr. Dreesbach schon einmal. Und es würde mich nicht wundern, wenn sie diese Karte auch bei besagtem Vorstellungsgespräch gespielt hat. Offenbar erfolgreich. Jedenfalls hatte sie wohl insgesamt das bessere Blatt auf der Hand, um den zweiten Bewerber, zu dem mir keine Daten vorliegen, auszustechen. Vermutlich stammt der Konkurrent ebenfalls nicht aus unserer Gegend aber wie Christian Hübner zu sagen pflegt "Man kann eine Chronik über die Mongolei schreiben ohne je dagewesen zu sein."
Mag sein. Aber wieviel Kraft kostet das? Und jetzt komme ich mal langsam auf meine Einstiegsgrafik zu sprechen: Ich unterstelle Frau Dr. Dreesbach, daß sie bis vor kurzem noch nicht einmal von der Existenz Senftenbergs wusste. Ohne jeden Zweifel verfügt sie aktuell über 0 (in Worten: Null) Wissen über unsere Stadt. Sie kennt die hiesigen Gegebenheiten und vor allem Befindlichkeiten nicht, hat keine Ahnung von der Materiallage (Was existiert wo?) und ist völlig unbeleckt, wo und bei wem Klinken zu putzen sind. Im Prinzip fängt sie nicht nur bei Null sondern bei unter Null an, da sie nicht einmal auf persönliche Erfahrungen und Bestände zurückgreifen kann.
Aus meiner Sicht sind das insgesamt keine guten Voraussetzungen für die Bewältigung des Auftrags. Wir erinnern uns an die Aufgabenstellung... umfassend, wissenschaftlich fundiert, höchsten fachlichen Ansprüchen genügend. Aber vielleicht sehe ich das alles auch viel zu eng und die Manschetten, die ich vor der Aufgabe habe und die aus meinem eigenen Anspruch an so ein Werk rühren, sind völlig unbegründet. Die Entscheidungsträger hier vor Ort gehen wahrscheinlich mittlerweile auch sehr "sportlich" mit der Angelegenheit um. Mangels eigener Ideen/Expertise werden sie ganz froh sein, daß ihnen Frau Dreesbach und der hinter ihr stehende Verlag, ein Gesamtpaket in Form eines Hochglanzbuches ("Wir sind Print-Enthusiast:innen") mit fancy Typografie ("und Typografie-Fans") in Aussicht stellt. Der Konkurrent ist wohl nicht in der Lage das Layout zu liefern.
Einen Eindruck von der Produktpalette erhält man im Online-Shop des Verlages. Selbst der Druck ließe sich durch "regionale Druckereien ihres Vertrauens" bewerkstelligen. Herz, was willst du mehr?

Doch ein Spaziergang oder Selbstläufer wird das für Frau Dreesbach bzw. die Personen, die die eigentliche Arbeit verrichten sollen, vermutlich auch nicht werden. Aus eigenem Erleben weiss ich, wie schnell hochfliegende Ambitionen hierzulande durch eine Mauer aus Ignoranz, Desinteresse, Lahmarschigkeit bis hin zu Mißgunst ausgebremst werden können. Ein konstruktives interdisziplinäres Arbeiten kommt schon unter den Einheimischen nur selten zustande. Ich kann es jetzt schon hören... "Und nun noch ein(e) 'Wessi'!" Oje oje oje, was soll das werden? Ich bin gespannt.

Eigentlich kann es mir ja egal sein denn wie in Dauerschleife von mir postuliert, sehe ich seit Jahren kein Chronik-Interesse (mehr) beim gemeinen Publikum. Geschenkt, ja geschenkt würde man es nehmen, das Buch. Aber dafür bezahlen? Ach nee, lass mal!
Eine Refinanzierung über den Verkauf von Druckexemplaren ist überhaupt nicht abzusehen. Gehen wir mal sehr optimistisch von 1000 Exemplaren aus, die ihren Weg über die Ladentheke in die Bücherregale der (Ex-)Senftenberger finden und stellen diese Zahl den Kosten gegenüber, so müsste ein einzelnes Buch um die 200 Euro kosten. Völlig illusorisch! Also wird das wohl eher ein klassisches Zuschußgeschäft. Wenn sie denn kommt, die Chronik.

Apropos "Chronik-Interesse":

Wenn ich es richtig verstanden habe, wurde in diesem Jahr selbst die Auflage des Heimatkalenders "Kippensand" reduziert. Offensichtlich rechnet man nicht mehr mit den Absatzzahlen der Vorjahre. Was mich zum zweiten Ereignis mit heimatgeschichtlichem Anstrich der vergangenen Wochen bringt: die Herausgabe und damit verbundene öffentliche Vorstellung des "Kippensand 2026", die am 6. November über die Bühne ging. Was soll ich sagen? "Kurz und schmerzlos" beschreibt es ganz gut. Ich merke mittlerweile deutlich, daß der Enthusiasmus der Aufbruchjahre dahin ist. Das Publikum besteht auch immer weniger aus Außenstehenden wie mir, also Nichtmitgliedern des Vereins, sondern überwiegend aus den Autoren der aktuellen Ausgabe, die sich ihr Freiexemplar abholen möchten. Sowohl in den einführenden Worten des Vereinsvorsitzenden wie auch in seinem gedruckten Vorwort schimmert deutlich eine Resignation darüber durch, daß ein größeres (wir reden ja nicht einmal von "flächendeckendes") Interesse an der Heimatgeschichte nicht (mehr) vorhanden ist. Und, wie ich bereits im Vorjahr feststellte, auch die Bereitschaft und Fähigkeit, Themen für diese Publikation aufzubreiten, schwindet zunehmend. Sprich: die Decke wird an beiden Seiten immer kürzer. Wie steht es so treffend im Vorwort? Die Autoren werden leider weniger und so mancher sucht nach einem allseits interessierten Thema und steht dann vor einem Berg der Aufarbeitung, der nicht so leicht zu besteigen ist.
Der Satz beschreibt an einer Stelle ziemlich treffend den Grund, warum ich noch nie einen Beitrag für den "Kippensand" abgeliefert habe... allseits interessierend ist der Punkt! Ich würde mich in der Tat sehr schwer tun, ein "massentaugliches" Thema zu finden und dieses dann auch noch populärwissenschaftlich, leicht verständlich, anschaulich, locker und flockig, kurzum "sexy" verpacken, damit es der Leser mit Freude aufnimmt.
Damit bin ich nicht allein, denn auch im "Kippensand" klappt das seit jeher nur so semi. Meine Meinung. Und so gibt es auch in diesem Jahr wieder eine Anzahl von Beiträgen, die für mein Gefühl zu technisch ausfallen, sich dabei stark in Daten und Zahlen verlieren oder das Thema über Gebühr strapazieren weil das komplette Wissen des Autors einfliessen sollte. Ich verliere beim Lesen dann schon gerne mal den Faden, was vielleicht auch anderen so geht. Manche Ausarbeitungen wären wohl in einer Fachpublikation besser aufgehoben als in einem Heimatbuch, das sich primär an ein Laienpublikum wendet.
Beiträge, die "funktionieren" sind beispielsweise jene über die regionale Tanzkapellenszene der 60er. Die haben zwar zuweilen auch ihre Längen und man muß kritisch hinterfragen, ob 3 Artikel zum selben Thema in einer Ausgabe nicht ein wenig zuviel des Guten sind, doch zumindest konnte ich die Texte flüssig aufnehmen. Und Vaddern ist ja auch auf einem Bild dabei. Das ist doch schon einmal was.

Ähnliches gilt für die Erinnerungen von Dietmar Sommerfeld, der bekanntermaßen regelmäßiger Besucher von www.gruss-aus-senftenberg.de ist und den ich bildtechnisch bei seinem Beitrag unterstützt habe. Dies trifft auch auch für den Artikel zu den Senftenberger Postgebäuden vom Cottbuser Udo Bauer zu. Durch die lobende Erwähnung in beiden Texten bin ich ja dann doch im "Kippensand" vertreten. Irgendwie jedenfalls.

Der Exkurs in die Geschichte der "Aktivist"-Sporthalle geriet zwar für meinen Geschmack etwas zu ausufernd, ist aber allein aufgrund der Abrechnung mit der berühmt berüchtigten "Kohlenschuppenlegende" (siehe auch Neues 613) hoch willkommen. Ich hätte mir nur gewünscht, daß dieser Teil für eine höhere Signalwirkung vom restlichen Text separiert und nicht mittendrin eingeschliffen worden wäre. Zudem ist nicht immer offensichtlich, wo ein Zitat beginnt oder endet.
Von Hause aus bin ich ein Fan des Hinterfragens von in der Vergangenheit getroffenen Aussagen. Das gehört ja praktisch zur DNA von www.gruss-aus-senftenberg.de. Beiträge wie "Stimmt es oder ist es wahr?" von Edeltraud Radochla finden deshalb mein Interesse. Selbst wenn 2 volle Seiten herhalten müssen, um einen Satz von Paulitz zu widerlegen, halte ich das Ganze doch für durchaus lesenswert.

Ich könnte sicherlich noch zu weiteren Beiträgen einige Worte verlieren, aber auf die Gefahr meine Leser zu langweilen, belasse ich es damit.

Was nehme ich aus dem "Kippensand 2026" mit? Beispielsweise die Erkenntnis, daß dieses Foto hier rechts damals manipuliert wurde.
Auf Seite 122 befindet sich eine unverfälschte Version der Aufnahme auf der man im Vordergrund zusätzliche vier Zaunpfähle sehen kann. Der 5. links ist zudem nicht "eingekürzt" wie hier.
Das war mir mindestens entfallen. Wobei ich im Nachhinein zugeben muß, daß mir dies eigentlich schon früher hätte auffallen müssen. Naja, wenn man weiß, wonach man suchen muß, dann sieht man es auch.

Was habe ich noch gelernt?

Senftenberg
Kurt Natusch wurde zweimal geboren. Einmal am 12.Juni 1921 (richtig) und einmal am 5. Juli 1933 (falsch) und Prof. Dr. Hermann Kuhnt starb bereits in seinem Geburtsjahr 1850. Diese beiden Korken im Kalendarium des "Kippensand" triggerten mich, weitere Stichproben zu machen und ich förderte dabei noch mehr Eier zutage. Max Kurt Kirchbach starb lt. Wikipedia 1967 und nicht 1960. "Hotta" Frankes Geburtstag war der 23. und nicht der 22. Januar 1929, Siegfried Loyda wurde am 22. August 1921 und nicht einen Tag zuvor geboren.
Manche dieser Fehler starteten ihr Eigenleben schon in einer der vorhergehenden Kippensand-Ausgaben, andere Angaben waren schon einmal korrekt abgedruckt. Derartige Nachlässigkeiten finde ich, genauso wie manche Layout-Eskapaden (Stauchen/Strecken von Grafiken unter Verlust des korrekten Seitenverhältnisses), ärgerlich und unprofessionell. Und hinsichtlich der zahlreichen Schreibfehler frage ich mich schon manchmal, wie diese von den Korrekturlesern (laut Impressum mindestens 3) übersehen werden konnten.

Wie dem auch sei, ich wünsche den Herausgebern des Heimatkalenders gute Absatzzahlen und weiteres Durchhaltevermögen. Denn selbst wenn nichts dazwischen kommt, werden wir wohl bis 2029 darauf warten müssen, daß das erste, höchsten fachlichen Ansprüchen genügende, Senftenberg-Buch auf den Markt kommt. Bis dahin kann gut und gerne noch ein wenig Kippensand rieseln.

Ach Mensch, jetzt habe ich bei dem ganzen Philosophieren ganz vergessen, meiner Hauptbeschäftigung nachzugehen. Naja, dann vielleicht in der nächsten Woche neue alte Bilder.