20.07.2025
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Muß ich mich für meinen "Bildausfall" der Vorwoche entschuldigen?
Ich denke nicht. Mir war halt so nach Selbstgespräch und eigentlich kann ich ja hier auch machen was ich will. Bin ja glücklicherweise niemandem Rechenschaft schuldig.
Falls doch jemand bedauert, am letzten Wochenende nicht mit historischem Bildmaterial versorgt worden zu sein... ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn mit dem heutigen
Output glücklich machen kann. Vielleicht doch? Zumindest partiell.
Dabei greife ich gewissermaßen eine meiner Aussagen der Vorwoche nochmals auf. Nämlich die von der Begeisterungsfähigkeit der Senftenberger für Bildmaterial, welches in den Zeitraum
ihrer individuellen Biografie fällt.
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Und um solches dürfte es sich aller Wahrscheinlichkeit bei rechts abgebildetem Foto handeln.
Zumindest was den Anteil der über 50-jährigen betrifft. Die Aufnahme, die aufgrund des
mitten über die gesamte Breite des Fußwegs gekippten Kohlenhaufens nicht einer unfreiwilligen
Komik entbehrt, weckt sicher bei dem einen oder anderen Erinnerungen an Zeiten in denen
er noch wesentlich jünger war.
Dabei ist das Foto nicht zweifelsfrei zu datieren. Unklar ist z.B die versprengte DDR-Fahne
an der HO-Verkaufsstelle "Körbchen". Zu früh angebracht oder vergessen? Wer weiß, vielleicht
wurde das Abnehmen durch besagten Kohlenhaufen verunmöglicht?

Ich habe mich auf ein <= 1980 festgelegt. Und das anhand des Verkehrszeichens "Parkverbot" am
rechten Fahrbahnrand in Höhe Bäckerei Jacubasch. Das hat nämlich noch das Aussehen, wie es vor
Einführung der neuen StVo am 1. Januar 1978 gültig war. Dem Vernehmen nach gestaltete sich das
"Umschildern" in der DDR etwas zäh weshalb ich dem Parkverbots-Schild noch eine gewisse Karenzzeit
einräumen würde. Aber spätestens 1980 sollten diese Arbeiten vollzogen gewesen sein.
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Aufnahme <= 1980 Archiv der Stadt Senftenberg
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Apropos "Verkehrszeichen"... interessant ist auch das etwas größere, das einen Lichtmast weiter vorn hängt und
nicht (mehr) sonderlich gut ausgerichtet ist. Jedenfalls weist dieses Schild darauf hin, daß die Verkehrsführung
im folgenden Kreuzungsbereich wesentlich von dem abweicht, was man heute so kennt. Der Übergang von der (damaligen)
Ernst-Thälmann-Straße in die Briesker Straße erfolgte stadtauswärts demnach nicht direkt sondern über die Charlottenstraße.
Eine ähnliche Regelung bestand jedoch scheinbar schon seit September 1965!
Lausitzer Rundschau (September 1965)Ich glaube, es sind ein paar Pfeile zu viel!
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War diese Verkehrsführung zwischenzeitlich außer Kraft gesetzt
und später wieder eingeführt worden? Das Schild macht für
mich nicht den Eindruck, daß es seit 1965 dort hing.

Vielleicht weiß ja jemand mehr? Ich bin definitiv zu jung
und das war damals auch nicht so mein Gebiet. Ich kann
mich im Zusammenhang mit dieser Kreuzung und der dort
herrschenden verzwickten Verkehrsführung nur noch dunkel
an einen Unfall erinnern, bei dem ein Vater mit seinem kleinen Kind
auf dem Fahrrad von einem Auto erfasst wurde und beide
ums Leben kamen.
Das genaue Jahr, in dem das passierte, ist mir nicht mehr erinnerlich.
Gut möglich, daß infolge des Unglücks letztlich die Thälmannstraße
an dieser Stelle für immer unterbrochen wurde.
Also: die Datierung des Fotos ist bis auf weiteres etwas
schwammig. Nicht so, die zwei folgenden Aufnahmen...
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Aufnahme = 1985 aus der "Chronik von Senftenberg" von Hans Lange
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Beide Fotos habe ich dem 14. Band der "Chronik von Senftenberg" entnommen,
der sich unter anderem um Jüttendorf dreht. Originalnegative lagen mir in diesem
Fall leider nicht vor. Der Verfasser der Chronik, Hans Lange, gibt für die Aufnahmen
ein 1985 zu Protokoll. Was ich nicht anzweifele.
Leider sind die Fotos leicht unscharf aber man kann erkennen, daß beide
Verkehrsschilder, über die ich mir weiter oben den Kopf zerbrochen habe,
nicht mehr vorhanden sind. Für Nicht-Senftenberger: wir haben die genau entgegengesetzte
Blickrichtung zur Aufnahme ganz oben eingenommen. Der Fotograf steht quasi auf
oben erwähnter "Todeskreuzung".
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Aufnahme = 1985 aus der "Chronik von Senftenberg" von Hans Lange
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Das waren also jetzt drei Fotografien, mit denen man heutige Senftenberger noch so ein bisschen aus ihrer Lethargie holen kann. Mir persönlich sind natürlich die (viel) älteren Aufnahmen wesentlich lieber.
Anhand derer kann man nämlich so in etwa die Entwicklung dieses Straßenzuges rekapitulieren. Und die Änderungen, die sich beiderseits des seit einigen Jahren "Jüttendorfer Anger" benannten Abschnitts vollzogen,
haben es in der Tat in sich! Heute klaffen mehrere Lücken in den beiden Häuserzeilen die es früher nicht gab. Und auch die Gebäude, die heute dort stehen und die wir als "ziemlich alt" bezeichnen würden,
erinnern vielfach nicht mehr oder nur zum Teil an ihren Ursprung.
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Womit ich zu einer Fotopostkarte komme, deren Motiv mich naturgemäß getriggert hat
während der Rest der Senftenberger mit den Schultern zuckt und dabei denkt "und?"
Die erste Herausforderung an dem Stück war, überhaupt erst einmal sicher zu stellen,
daß wir es mit Senftenberg zu tun haben. Poststempel können zuweilen auch in die
Irre führen! Erstaunlicherweise gelang mir der Nachweis ziemlich schnell und das
obwohl das abgebildete Haus so nicht mehr existiert. Aber dafür das rechts angeschnittene!
In dem Zusammenhang war die Firma Paul Richter natürlich nicht ganz unerheblich.
Hilfreich war Sekundär- und Vergleichsmaterial mit dessen Hilfe sich die Geschichte
des Fotomotivs fixieren ließ. Auch der handschriftliche Text, den der Absender seinem
Freund in Riesa auf dieser Postkarte sandte, ist nicht zu vernachlässigen:
Lieber Freund Alfred! Wie ich dir schon mitgeteilt habe, haben wir zwei Geschäfte.
Ich sende dir umstehend Photographie von der Filiale, bin jetzt hier als Filialenleiter
angestellt, habe ganz faule Zeiten, aber es ist großartig, keine Aufsicht. ... Frühjahr wird
das Haus niedergerissen und größer gebaut.
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Verlag A. Gerzabeck, Dresden-Plauen, Würzburgerstrasse Aufnahme <= 1906 Sammlung Theodor Restel
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Und damit sind eigentlich alle Zutaten beisammen...
Anfang Juli 1904 verkündete der Senftenberger Geschäftsmann Paul Richter
in der Lokalpresse (siehe rechts) die Eröffnung einer Zweigstelle an.
Neben seinem Hauptgeschäft am Senftenberger Markt (Kreuzstraße 2) etablierte
er im Vorort Jüttendorf eine zweite Niederlassung.
Keine 300 Meter Fußweg von seinem Stammgeschäft entfernt und
zudem in direkter Nachbarschaft zur Konkurrenz Sprengel, der im Nebenhaus
ein ähnliches Warenangebot unterbreitete... Unternehmerisches Risiko oder
Weitblick?
Wenn wir dem Kartenschreiber und Filialleiter Glauben schenken, dann hatte
der anfangs nicht allzuviel zu tun ("faule Zeiten") und stand auch nicht unter
großartiger Kontrolle durch den Prinzipal.
Klar ist somit, daß das Foto sicher nicht vor Juli 1904 gemacht wurde. Eher
um das Datum des Poststempels herum: 25. Mai 1906.
Sehr wahrscheinlich würden wir sogar besagten Filialleiter darauf sehen nur leider
hat das Original über die letzten 120 Jahre stark an Farbe und Kontrast
eingebüsst. Vielleicht war die Aufnahme aber von Anfang an schon nicht so toll.

Jedenfalls lag der Kartenschreiber hinsichtlich der Ankündigung des Niederreissens
des Hauses im Frühjahr nicht so weit daneben denn Anfang Juni 1907 wurde die
Einwohnerschaft wie folgt informiert:
Senftenberger Anzeiger (6. Juni 1907)
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Senftenberger Anzeiger (2. Juli 1904)
... um exakt 4 Monate später Vollzug - die Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit in
einem vollständig neuen Gebäude - zu melden:
Senftenberger Anzeiger (6. Oktober 1907)
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Das neugeschaffene Haus an der Kaiser-Friedrich-Straße 13 war Welten von seinem Vorgängerbau entfernt. Binnen 4 Monaten hatten die Bauleute ein imposantes
Gebäude errichtet, das stilistisch sehr viel besser zum rechts daneben befindlichen Sprengel'schen Haus passte.
v.l. Kaiser-Friedrich-Straße 15 (Christian Schumbelt), 13 (Paul Richter), 11 (Eduard Sprengel) Anfang der 1930er
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3 Jahre später - wenn man der Jahreszahl über der Toreinfahrt vertrauen kann - erhielt auch das Haus links von Paul Richter eine
umfassende Neugestaltung. Ursprünglich hatte die Kaiser-Friedrich-Straße 15 - das Haus des Landwirtes Christan Schumbelt - ein ähnliches
Aussehen wie der Richter'sche Bau vor 1907.
Relief über der Einfahrt Jüttendorfer Anger 11 früher: Kaiser-Friedrich-Straße 15 C.S. = Christian Schumbelt
Die Architektur des Neubaus war indes nicht ganz so opulent wie Sprengel oder Richter und orientierte sich eher an den Hausnummern 7 und 9.
Dabei trug die große Hofeinfahrt dem landwirtschaftlichen Gewerbe Schumbelts Rechnung.
Glücklicherweise sind die meisten der historischen Stuckelemente an den drei Häuserfassaden erhalten geblieben bzw. wurden restauriert.
Wobei im Falle des Richterschen Neubaus bereits bei einer Rekonstruktion Mitte der 1980er Jahre einige Teile abhanden kamen und die bei der
letzten Generalsanierung vor ca. 10 Jahren (wahrscheinlich) aus Mangel an verwertbaren Vorlagen auch nicht wiederhergestellt werden konnten...
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