25.08.2024
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Klarstellung gleich zu Beginn: entgegen obiger Ankündigung ist keines der heute vorzustellenden Stücke eine Ansichtskarte. Auch nicht die beiden Hauptdarsteller
der Woche, selbst wenn man dies auf den ersten Blick vermuten könnte. Tatsächlich liegt bei besagten Produktionen die Betonung auf Eigenbau. In beiden Fällen stimmt
zwar das Format mit dem von kommerziellen Postkarten überein aber auf der bildabgewandten Seite fehlen sämtliche Attribute einer herkömmlichen Adressseite, also der senkechte Trennstrich
sowie zwei oder drei waagerechte Linien für die Empfängeradresse. Von irgendwelchen "Seriennummern" ganz zu schweigen.
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Natürlich hätte man improvisieren und die Dinger als Postkarte auf die
Reise schicken können. Möglicherweise tat man das sogar in einigen Fällen. Die
allgegenwärtigen mitlesenden Genossen hätten angesichts der Bildseiten wahrscheinlich
in keinem Fall Einwände geltend gemacht.
Bei Produktion Nr. 1 ist die Collage für die damaligen Verhältnisse gar nicht einmal so schlecht gelungen.
Man muß sich ja mal vor Augen führen wie so etwas in der vor-digitalen Zeit bewerkstelligt wurde.
In diesem Fall suchte man sich 5 Fotos, drapierte diese mehr oder weniger rechtwinklig auf einem
Untergrund, bastelte noch einen weißen Papierstreifen mit dem Schriftzug Ingenieurschule SENFTENBERG,
legte diesen oben auf und fotografierte das Ganze ab. Das Foto, das daraus resultierte, wurde dann ganz
normal auf Fotopapier abgezogen. Natürlich geht so ein Verfahren immer zu Lasten der Schärfe der Basis-Fotografien.
Heutzutage gelingt dies selbst blutigen Laien mittels digitaler Werkzeuge erheblich besser und mit geringerem
Aufwand. Speziell die Möglichkeiten der Schriftgestaltung sind mittlerweile derart von selbstverständlich, daß man
gar nicht mehr darüber nachdenkt, wie dies früher realisiert wurde.
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Aufnahme <= 1989 Sammlung Matthias Gleisner
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Und gerade der Schriftzug Ingenieurschule SENFTENBERG hat es mir angetan. Denn dieser versetzte mich unversehens in meine Jugend in den 1980ern zurück, als ich
mit denselben Hilfsmitteln gestalterisch tätig wurde. In vorliegendem Fall bediente man sich nämlich aus dem Werkzeugkasten der technischen Zeichner.
Ich selbst besaß auch einen Satz von Schriftschablonen der tschechischen Firma LOGAREX, sowie sogenannte "Skribente" - Tuschefüller - unterschiedlicher Stärke.
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Ich musste mir zur Veranschaulichung übrigens entsprechende Fotos im Internet suchen (wo diese Teile immer noch angeboten werden), da ich meine eigenen Exemplare schon vor Jahren
entsorgt habe. Aber wenigstens bekommen wir so noch zusätzlich eine Vorstellung, welche finanziellen Hürden dem ambitionierten Hobby-Gestalter zunächst in den Weg gelegt wurden,
bevor der mit der Arbeit beginnen konnte. 67 Mark für die Skribente und 10 Mark pro Schablone waren damals auch nicht von schlechten Eltern.
Mit der Kombination aus Schriftschablone und jeweils dazu passendem Skribent konnte es dann losgehen mit der Gestaltung von Schriftzügen. Wobei das letztlich doch sehr begrenzt war
denn es gab (abgesehen von ein paar exotischen Schablonen) eigentlich nur eine einzige Schriftart. Zwar in unterschiedlichen Höhen aber letztlich immer dasselbe. Heute ist diese
nur eine von zehntausenden verfügbaren Computer-Schriftarten mit deren Hilfe sich derartige Aufgaben sehr viel überzeugender und schneller
bewerkstelligen lassen.
Denn selbst wenn man die Handhabung von Schablone und Tuschefüller drauf hatte, brauchte man ein gutes Auge für die Abstände der Buchstaben voneinander und auch für die Einhaltung der
Schriftlinie. Auf der Ingenieurschulen-Collage sieht man, daß letzteres nicht durchgehend gelungen ist. Die einzelnen Buchstaben "tanzen" schon merklich.
Aber genug mit den Erinnerungen an meine ersten Gehversuche auf dem weiten Feld der grafischen Gestaltung. Kann sich eigentlich noch jemand an diese "Durchrubbelbuchstaben" erinnern?
Die waren auch heiß. Und sie werden heute noch produziert! Davon hatte ich auch einen großen Vorrat an A4-Bögen, wobei es da neben schwarzen Lettern auch rote, grüne, blaue und sogar goldene gab.
Doch auch hier musste man das berühmte gute Augenmaß besitzen, um perfekt ausgerichtete Schriftzüge hinzubekommen. Aber ich schweife schon wieder ab.
Zurück zu der Ansichtskarte Marke "Eigenbau". Das Stück entstammt zweifellos den letzten Zuckungen der DDR. Nachweislich wurden dafür Fotos unterschiedlicher Aktualität verwendet. Dabei muß
das Motiv oben links vom Anfang der 1980er herrühren. Hierauf fehlt nämlich der großformatige Schriftzug INGENIEURSCHULE "ERNST THÄLMANN", der spätestens ab 1982 an der Fassade prangte.
Die Aufnahme unten links kann spätestens 1987 gemacht worden sein, denn sie taucht in einer Broschüre auf, die anlässlich des 40. Geburtstages der Schule in jenem Jahr erschien. Und schliesslich
die weiblichen Studenten, die die Computerbildschirme anstaunen... bei der Rechentechnik handelt es sich um Computer des Typs ROBOTRON CM1910. Und dieses Modell kam erst im Januar 1988 auf den
"Markt". Die verbleibenden zwei Motive sind nicht sicher datierbar. Vermutlich aber auch späte 1980er.
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Vom Ende der 80er Jahre rutschen wir nun so ein wenig in die erste Hälfte jenes Jahrzehnts.
Während die Ingenieurschulen-Collage mit Augen zudrücken noch als Ansichtskarte durchgehen könnte,
gelingt dies bei dem zweiten Stück nicht mehr so wirklich.
Dabei ist das Grundprinzip durchaus dasselbe: mehrere Fotos auf Hintergrund pappen, Schriftzüge dazu,
abfotografieren, fertig!
An den Schriftzügen erkennt man übrigens deutlich, daß hier schon eher ein Profi am Werke war. Ohne Schablone.
Freihändig. Der Inhalt des Ganzen, noch dazu in Verbindung mit hinterlegten Öffnungszeiten, lässt vermuten,
daß es sich wohl mehr um eine "große Visitenkarte" als um eine "Ansichtskarte" handelte. Wen man damit
damals beglückte liegt im Verborgenen.
Immerhin erfahren wir durch diese Produktion, daß sich im Senftenberger "Haus der Werktätigen" (HdW) dereinst
eine "Konsultationsstelle für das geistig-kulturelle Leben der Werktätigen" befand. Eindrücke vom Inneren
erhalten wir auch. Leider sind die Detailaufnahmen sehr unscharf, so daß man nicht erkennen kann, was dem
Besucher dieser Konsultionsstelle an den Stellwänden an Informationen geboten wurde. Und das vielleicht hätte
helfen können, die Aufnahmen zu datieren. Glücklicherweise gibt uns das "Neue Deutschland" vom 22. August 1984 Schützenhilfe.
Darin kann man nämlich lesen:
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Aufnahme <= 1984 Sammlung Matthias Gleisner
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Um die Erfahrungen bei der Vorbereitung kultureller Höhepunkte weiterzugeben,
ist vor Jahresfrist eine Konsultationsstelle eingerichtet worden. Sie wurde im Haus der Werktätigen in Senftenberg
mit Unterstützung des FDGB-Bezirksvorstandes und der BGL des Braunkohlenkombinates geschaffen. BGL Mitglieder,
Brigadeleiter und Kulturobleute vor allem sind es, die hier Anregungen und Ratschläge für die Arbeit mit Kultur- und Sportplänen und
bei der Bereicherung des geistig-kulturellen Lebens in den Betrieben und Brigaden bekommen können.
Heißt also im Klartext, daß besagte Einrichtung im Sommer 1983 geschaffen wurde, was gleichzeitig auch den ungefähren Zeitpunkt für die Fotografien darstellen dürfte. Die Ausgestaltung
der Räumlichkeiten erfolgte übrigens vergleichsweise modern, ja regelrecht stylish. Es kamen zum Beispiel Plastikmöbel aus dem PCK Schwedt zum Einsatz, die
unter dem Namen "Variopur" ab Anfang der 1970er im Umlauf waren. Diese Möbel werden übrigens heutzutage ziemlich hoch gehandelt. Wobei da vermutlich auch mehr gut gemachte Kopien unterwegs
sind als Originale aus den 1970ern.
Nur wenige Monate nach Indienststellung jener FDGB-Konsultationsstelle setzte man noch einen drauf und erklärte: "Haus der Werktätigen" wird Zentrum der Kultur! Die "Lausitzer Rundschau"
berichtete hierzu im Januar 1984 aus einer Stadtverordnetenversammlung:
... Große Aufmerksamkeit und Zustimmung fand die Erläuterung über das zu schaffende Kulturzentrum im "Haus der Werktätigen", eine Maßnahme für die Belebung des
geistig-kulturellen Lebens in unserer Stadt. Mit diesem Zentrum soll den gewachsenen Bedürfnissen nach volkskünstlerischer Betätigung, dem Tätigsein in der
bildenden und angewandten Kunst, den Familien- und Repräsentativveranstaltungen, jugendgemäßen Tanzvergnügen mit gutem Niveau, Rechnung getragen werden. Es soll eine
Stätte des Erfahrungsaustausches, der Pflege von Traditionen der revolutionären Arbeiterbewegung, der Information über die Arbeit mit den Partnerstädten
und des Leistungsvergleiches der Brigaden in der kulturellen und bildenden Tätigkeit werden. ...
So so. An mir ist das jedenfalls komplett vorbei gegangen. Mit dem HdW hatte ich im Gegensatz zu vielen meiner Altersgenossen komischerweise zu keiner Zeit etwas
am Hut. Ich kann mich nicht erinnern, da einmal vor der Wende drin gewesen zu sein. Und danach auch nur ein- oder zweimal. Und dann brannte der Kasten ja auch bald ab...
Selbst die Außenanlagen, an denen man ja hin und wieder zwangsläufig vorbei kam, sind mir nur äußerst unscharf im Gedächtnis. Wem es genauso geht, dem kann ich ja vielleicht
mit den zwei nachfolgenden Fotografien ein wenig auf die Sprünge helfen...
Aufnahme <= 1980 Sammlung Uwe Jähnert
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Ohne Zweifel wurden die beiden Aufnahmen kurz hintereinander
geschossen. Wann genau? Keine Ahnung! Vermutlich 1979/80. Vielleicht
kann ja jemand sachdienliche Hinweise geben?
Zur Zeit der Aufnahme zog man gerade so einen länglichen Anbau hoch.
Erkennbar auf der rechten Fotografie.
Die Gartenstühle auf dem Foto bringe ich gedanklich eher mit der Bahnhofstraße
in Verbindung. Anfang der 80er Jahre standen solche Modelle vor dem "Stadtcafe"
herum.
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Aufnahme <= 1980 Sammlung Uwe Jähnert
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Heiliger Bimbam! Bin ich heute mehrfach vom Thema abgekommen? Aber sowas von! Naja, muss auch mal sein!
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