Das Bad in der Menge, sowohl bei der feierlichen Amtseinführung wie auch bei der nachmittäglichen Oster-Veranstaltung (Ostern war 1933 aber erst
am darauffolgenden Wochenende, also heute vor 90 Jahren) war ja schon einmal ein gelungener Auftakt für den neuen Bürgermeister Legau. Sowas hatte
Senftenberg bis dato noch nicht erlebt.
Senftenberger Anzeiger (11. Juli 1935)
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Ich spule den Film jetzt erst einmal vor... das Ende der Ära Legau
war dann jedoch alles andere als "feierlich". Gute zwei Jahre nach seinem
Amtsantritt informierte man die Bevölkerung via Zeitung über seine Entbindung
als Bürgermeister der Stadt. Der links wiedergegebene 10-Zeiler war (und blieb)
die einzige öffentliche Verlautbarung zu diesem Vorgang. Kein Dank, keine Anerkennung,
kein "Alles Gute für den weiteren Weg". Nichts.
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Was war in der Zwischenzeit geschehen, daß man so überaus schnell den Mantel des Schweigens
über die Person Legaus legen wollte?
Die Informationslage ist spärlich, doch nach mir vorliegenden Dokumenten kam man von
übergeordneten Stellen zu einer schlechten Beurteilung. Diese liest sich wie folgt:
Legau soll sich nicht vollständig bewährt haben. Soll 1 Auto auf Kosten der
Stadt gekauft haben, soll wüten u. dergl. mehr – aber keine positiven Beweise, jedenfalls
wird er für untragbar gehalten. Beschwerden sind aber nicht beim Reg.Präsidenten eingegangen,
sondern sollen beim Gau sein. Er war bereits für einen anderen Bürgermeisterposten – Finsterwalde –
vorgesehen; die Stadtverwaltung hat aber gebeten, davon abzusehen, sie hätte genug aus
Senftenberg erfahren. Nun sollte er als Stadtrat nach Frankfurt a/O. kommen.
Albrecht hat den Rat gegeben, ihn nicht zum Stadtrat, sondern zum Magistratsrat zu ernennen.
Stadtrat Kube hat aber dienstlich beantragt, ihn zum Stadtrat von Frankfurt a/O zu machen,
mit der Begründung, daß Albrecht damit einverstanden sei.
Legau scheint zu jung für den Posten eines Bürgermeisters zu sein. Als Stadtrat unter Aufsicht
wird er voraussichtlich arbeiten können.
Aus der erhalten gebliebenen Korrespondenz zwischen Legau und seinen Vorgesetzten/Gönnern geht hervor, daß es schon weit vor Mitte 1935 Probleme in der Amtsführung des Bürgermeisters gab. In einem Bericht über die im Jahre 1933 geleistete Arbeit
beschreibt Legau einerseits seine Bemühungen die finanzielle Lage der Stadt zu verbessern. Etwas, das ihm durch Einsparungen, Notstandsmaßnahmen, "Kunstgriffe"
oder Einbeziehung der lokalen Wirtschaft gelang. Auf der anderen Seite führt er aus, daß ... meine Stadträte
und ich nicht immer den Dank seitens der Ortsgruppe dafür erhielten und anstatt Hilfe und Unterstützung zu bekommen, Verleumdungen und Diffamierungen ausgesetzt
waren. ... Ich meine, dieser Erfolg ist selbst die Anfechtungen wert, die man von ewig negativen Kritikern, die sich leider in unseren eigenen Reihen befinden,
einzustecken hat. ... Es ist wirklich nicht leicht, sich hier in Senftenberg zu behaupten. Leider haben meine Mitarbeiter und ich in unserer Arbeit ganz allein
gestanden, wir mußten und müssen uns im Gegenteil der dauernden Intrigen des kom. Ortsgruppenleiters Kretschmar erwehren, der leider bis jetzt noch nicht daran
gedacht hat, positiv mitzuarbeiten, sondern seine alte bekannte Tätigkeit fortsetzt, Unfrieden zu säen und - wie er selbst sagt - sich als "Ministerstürzer" zu
betätigen. Am Ende des Berichts gesteht Legau aber auch persönliche und sachliche Fehler ein und daß er Lehren für die Zukunft daraus gezogen
hat. Interessant ist, daß er zu diesem Zeitpunkt (Juli 1934) bereits die Bürgermeisterstelle in Finsterwalde erwähnt.
Vor Ort in Senftenberg machten sich also die einzelnen NSDAP-Genossen gegenseitig das Leben schwer. "Nach oben", hatte Legau jedoch immer noch einen Stein im Brett
und so versuchten seine Vorgesetzen, allen voran Gauleiter Wilhelm Kube, den Ex-Bürgermeister irgendwo unterzubringen. Finsterwalde wollte ihn nicht, Frankfurt/Oder
auch nicht so recht, also parkte man Legau erst einmal in irgendwelchen Stäben.
Derweil suchte man in Senftenberg, während Stadtrat Hertha die Geschäfte erledigte, nach einem Nachfolger auf dem Bürgermeisterstuhl. Mitte August 1935 gab es 45!!!
Bewerbungen für den Posten. Am Ende des Monats wurde es dann konkreter. Der Senftenberger Anzeiger informiert am 27. August, daß ein Regierungsreferendar der
Regierung in Frankfurt a.d.O. mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Bürgermeisters unserer Stadt beauftragt worden (sei). Der neue kommissarische Bürgermeister wird
in den nächsten Tagen seinen Dienst antreten..
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Senftenberger Anzeiger (3. September 1935)
Mit Heinrich von Bünau gelangte ein ziemlich junger (noch jünger als Legau) Mensch und
gleichzeitig "alter Kämpfer" (NSDAP-Nr. 135.517) an die Spitze der Senftenberger Stadtverwaltung.
Als er am 3. Januar 1936 diesen Platz für seinen Nachfolger, und diesmal "echten" Bürgermeister,
Johannes Korth (ebenfalls SA) räumte, bedankte man sich herzlich und bedauerte den Weggang
des Bürgermeisters v. Bünau, dem es in kurzer Zeit gelungen sei, die Einheit von Partei und Staat
innerhalb des städtischen Gemeinwesens sicherzustellen, außerordentlich.
Was den weiteren Lebensweg Heinrich v. Bünaus betrifft, findet man hier
einige Informationen.
Aber auch für James Legau, dem man bei seinem Abschied keine Träne nachweinte, ging das Leben weiter. Und dabei
ließ ihn das Kapitel Senftenberg selbst Anfang 1936 noch nicht los. Just für den Tag der Amtsübergabe von von Bünau an Korth
war ein Gerichtstermin anberaumt, bei dem es um eine für den 6. Januar beantragte Räumung ("Exmission") der
Wohnung Legaus in der Senftenberger Rathausstraße 6 gehen sollte, die dieser offensichtlich immer noch in Beschlag hielt und wofür er laut einem Schreiben "seit zwei Jahren
keine Miete zahlt". Legau suchte mit folgendem Telegramm Hilfe bei Gauleiter Kube:
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Am 3. September lieferte man dann erstmals einen Namen: SA-Obersturmbannführer Heinrich v. Bünau.
Vier Tage später folgte die Nachricht über die Amtseinführung von Bünaus (siehe unten). Welch krasser
Unterschied zu der Berichterstattung aus dem April 1933.
Senftenberger Anzeiger (7. September 1935)
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Kube eskalierte die Sache bis zum Reichsführer SS Heinrich Himmler. Selbiger versprach: Ich werde mich
um die Angelegenheit des Legau annehmen und versuchen, ihn irgendwo unterzubringen. Allerdings werde ich die
Angabe von ihm, dass seine Frau krank sei, die ja vom Regierungspräsidenten angezweifelt wird, einmal nachprüfen,
um festzustellen, ob Legau die Wahrheit spricht oder nicht.
Wie die Geschichte mit der Zwangsräumung und ggf. einem "Titel" für Legau wegen nicht gezahlter Miete ausging,
ist unbekannt. Karrieretechnisch ging es ab Herbst 1936 für ihn deutlich aufwärts. Mit Wirkung vom 8. September
1936 trat er die Stelle des (diesmal: hauptamtlichen) Bürgermeisters der Stadt Höhr-Grenzhausen an. 1942 bewarb
sich Legau erfolglos um die Bürgermeisterstelle in Köthen/Sachsen. Stattdessen blieb er bis Juli 1944 Bürgermeister
von Höhr-Grenzhausen und avancierte danach sogar zum kommissarischen Landrat des Landkreises Alsfeld. Mit dem
Zusammenbruch des 3. Reiches im Mai 1945 war aber das Ende der Fahnenstange erreicht.
James Legau starb im 53. Lebensjahr stehend am 18. Februar 1954 in Mannheim.
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