09.04.2023
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Der uns seit längerem begleitende Slogan "Alles (muss) raus" ist heute in erster Linie im übertragenen Sinne zu verstehen... Nach dem
nunmehr auch kalendarisch vollzogenen Frühlingsanfang verspürt der Eine oder Andere möglicherweise Lust mal wieder zu Fuß oder mit dem Fahrrad
in die nähere Umgebung aufzubrechen und einen "Osterspaziergang" zu genießen.
Ich bin ehrlich. Bei den derzeitigen Temperaturen steht mir gerade nicht so der Sinn, die umliegende Natur zu erkunden. Deshalb dachte ich mir,
daß ich für Frostbeulen wie mich, sowie für Personen, die nicht (mehr) in der engeren Senftenberger Gegend leben, einen kleinen virtuellen Osterspaziergang
starte. Dafür habe ich mir den Westen und Nordwesten unserer Stadt vorgenommen und ich streife dabei zwei Orte, die heutzutage nicht mehr auffindbar
sind. Und dies deshalb, weil sich mittlerweile das Areal, auf dem sich dereinst die Ansiedlungen erstreckten, auf dem Grund zweier
Seen befindet.
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Doch beginnen wir unseren digitalen Rundgang auf vertrautem, da noch existenten,
Terrain. Nämlich in Klein Koschen. Zwar ist das Dorf als solches recht ordentlich
bewohnt und hat sich in den letzten 30 Jahren erheblich ausgedehnt, doch an gastwirtschaftlicher Versorgung mangelt es seit einiger Zeit.
Das sah vor 110 Jahren, zum Einstehungszeitpunkt der nebenstehenden Ansichtskarte noch
ganz anders aus.
Senftenberger Anzeiger (1912)
Damals ließ sich jede Woche ein Anlaß finden, Heerenz'ens Gasthof aufzusuchen. Wenn es kein Ostertanz war, dann mindestens eine Hochzeitsfeier.
Reste einer dementsprechenden Beschmückung lassen sich noch auf der Innenansicht der klassischen Zweibildkarte ausmachen... H o c h d e m B r a u t p a a r.
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2066, Verlag S. Engelhardt, Kunstanstalt, Berlin N. 113. 39 020 Aufnahme <= 1912 Sammlung Matthias Gleisner
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Wir verlassen Klein Koschen in nordöstlicher Richtung und würden nach gut 5 Kilometern Rosendorf erreichen. Wenn es
denn nicht bereits vor 50 Jahren, genauso wie das Nachbardorf Sorno, dem Tagebau Sedlitz hätte weichen müssen. Heute bedeckt
der Sedlitzer See das ehemalige Gebiet der beiden Dörfer. Selbstverständlich verfügte das zu guten Zeiten ca. 150 Einwohner
starke Rosendorf über einen Gasthof. Nämlich den von Reinhold Kilian. Selbigen bekommen wir auf der rechts abgebildeten Ansichtskarte
präsentiert. Man kann erkennen, daß die Wirtschaft sogar über einen Saal verfügte, der ebenso wie der in Klein Koschen für
publikumsstarke Feierlichkeiten genutzt wurde.
Einhundert Jahre nach dieser Aufnahme ist nichts davon mehr übrig und deshalb wenden wir uns in streng südlicher Richtung einem
anderen Grenzort zu. "Grenzort" deshalb, weil Rosendorf wie auch das von dort 5 Kilometer entfernte Scado die Grenzen des
Amtes Senftenberg, und damit gleichzeitig die Grenzen meines persönlichen Forschungsgebietes darstellen.
Beide Orte sind (aktuell) nur sehr mangelhaft durch historische Ansichtskarten oder Fotos illustrierbar. Ich vermute, daß dereinst
auch nicht allzuviel produziert worden sind. Wäre aber auch nicht abgeneigt, mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Wenn auch
der Umgang mit bildlichen Hinterlassenschaften aus längst untergegangenen Landstrichen ziemlich kritisch ist. Ich selbst habe keinerlei
Beziehung zu Rauno, Sauo, Sorno, Rosendorf oder Scado. Und es wird mit fortschreitender Zeit auch immer unwahrscheinlicher, überhaupt noch
jemanden mit Wurzeln in den devastierten Orten zu finden. Insofern dürfte das Interesse hieran zunehmend versiegen. Da brauchen wir uns auch
nichts vormachen!
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Verlag P.Hensel, Sorno Aufnahme <= 1921 Sammlung Theodor Restel
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Aber eigentlich wollten wir gedacht ja nach Scado wandern. Hier lebten zu Hochzeiten etwas mehr als 250 Einwohner. Das Dörfchen fiel 1964
dem Tagebau Koschen zum Opfer. An bessere Zeiten erinnern uns zwei Ansichtskarten, von denen die linke bekannt sein dürfte, wurde sie doch
mehr als einmal in Publikationen reproduziert.
405 Aufnahme <= 1912 Sammlung Norbert Jurk
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Heute schlagen über dem ehemaligen Scado die Wellen des Geierswalder Sees an
die Ufer. Wie man der rechten Zweibildkarte, deren derzeitge Datierung ich
persönlich für viel zu spät halte, entnehmen kann, erstreckten sich in dem
Gebiet aber auch damals schon Wasserflächen. Und zudem sehr idyllische.
Aus welcher Himmelsrichtung die untere Totale aufgenommen wurde, entzieht
sich meiner Kenntnis und auch meiner Fantasie.
Der Ortsbezug manifestiert sich übrigens nur auf der bildabgewandten
Seite durch einen
Gruß aus Scado
bei Senftenberg, L.
Mit "Partie an den Teichen" könnte man im Zweifel nicht viel anfangen.
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E. Weißgärber, Photograph, Senftenberg, L. 1224 Aufnahme <= 1943 Sammlung Matthias Gleisner
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