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Empörung über Umbenennung von Senftenberger Grundschule titelte die Lausitzer Rundschau am 23. Juni diesen Jahres. Unser Lokalblatt
zeigt schon seit einiger Zeit eine Tendenz zum skandalisieren. Offenbar möchte man mit reißerischen Headlines neue Kunden aquirieren. Die übergroße
Mehrheit der Beiträge, die die LR in ihrem Online-Angebot hat, liegen hinter einer Bezahlschranke (Paywall). Nur wer also einen wie auch immer
gearteten Obolus entrichtet, ist in der Lage den gesamten Text lesen zu können. Dies gilt natürlich um so mehr für die Druckausgabe. Wobei noch
die Möglichkeit besteht, sich an die Schaukästen vor dem Cottbuser Verlagsbäude zu stellen, um sich die dort ausgehangene Tagesausgabe "open air",
dafür aber kostenfrei, zu Gemüte zu führen. Wie dem auch sei: in aller Regel stellt sich der Sachverhalt im Folgetext weit weniger sensationell dar als der Aufmacher suggeriert. Worum geht es also bei diesem "empörenden" Vorgang? Neutral betrachtet, soll eine Schule in der Senftenberger Kernstadt einen neuen Namen erhalten. Der Grund hierfür ist der, daß diese Schule mit einer anderen, nämlich der Linden-Grundschule Hosena, fusioniert. Die Gründe für letzteres liegen einfach im "Fachkräftemangel" denn seit einiger Zeit steuerte die Hosenaer Schule ein wenig "führerlos" durch die Gewässer. Es ließ sich einfach kein Schulleitender (m/w/d) finden, weshalb ab dem Schuljahr 2020/21 dieser Posten von der Leiterin der Senftenberger Schule mit übernommen wurde. Die dabei gewonnenen guten Erfahrungen führten im Einklang mit Anregungen der übergeordneten Instanz, dem Staatlichen Schulamt Cottbus, zu der Idee, beide Schulen zusammenzuführen. Die Senftenberger Stadtverordnetenversammlung entschied im Februar 2021 die Fusion der Linden-Grundschule Hosena mit der Walther-Rathenau-Grundschule Senftenberg unter Auflösung der Linden-Grundschule Hosena. Gesagt, getan. Nur kurze Zeit später informierte das Schulamt die Schulleitung darüber, daß die nunmehr unter einem organisatorischen Dach vereinte aber aus zwei Standorten bestehende Schule einen gemeinsamen Namen tragen muß. Aber welchen? Einen der beiden alten oder einen völlig neuen? Die Verantwortlichen in der Schule setzten auf einen internen Ideenwettbewerb mit finaler demokratischer Abstimmung unter Lehrer- und Schülerschaft. Die Beteiligung war außerordentlich rege und es kamen letztlich 491 Stimmzettel zusammen, von denen 184 für den Namen "Linden-Grundschule" votierten, 105 Stimmen entfielen auf "Freundschafts-Grundschule" und ganze 10 entschieden sich für "Walther-Rathenau-Grundschule". Die anderen Namen, die auch noch in den Ring geworfen wurden, lasse ich mal weg. Manche sind wirklich sehr infantil. Das Ergebnis der Befragung wurde der Schulkonferenz vorgestellt, welche sich dem Mehrheitsvotum anschloß. Punkt. Aus. An dieser Entscheidung (und jetzt komme ich mal langsam wieder zum Ausgangspunkt) regte sich fortfolgend Kritik von Seiten einiger weniger Senftenberger. Diese Kritik wurde zum Teil öffentlichkeitswirksam (Stadtverordnetenversammlung, lokale Facebook-Gruppen) vorgetragen, woraus dann die Lausitzer Rundschau eine "Empörung" konstruierte. Man kann über die Gründe für die Entscheidung pro Linden und contra Rathenau sinnieren, das Ergebnis gut oder schlecht finden. Fakt bleibt, es war eine demokratische (wofür der Namen Walther Rathenau steht) Wahl, die zu akzeptieren ist. Ob man den Wählern Geschichtsvergessenheit, sogar Antisemitismus und/oder die Beschädigung des Images der Stadt Senftenberg vorwerfen sollte? Gewagt! Gewagt! Gerade hinsichtlich der ziemlich exakt 100-jährigen Geschichte der Senftenberger "Rathenau-Schule", die nach dem Mehrheitswillen nun ein Ende erleben soll (oder ist es, wie mehrfach geschehen, nur eine Pause?) gibt es für mein Dafürhalten eine ganze Reihe Unklarheiten oder gar Unwissen. Die Gemengelage ist tatsächlich etwas unübersichtlich und je nach politischer Stoßrichtung, Zeitgeist und dergleichen werden die Institution mit dem Gebäude der Schule vermischt oder verwechselt. Oder die Geschichte verkürzt... |
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Aufnahme <= 1957
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Über eine feierliche Namenweihe verlautbarte die Lokalpresse danach nichts. Und auch in der Öffentlichkeit tauchte der Begriff in Folge relativ spärlich auf.
Sämtliche Einwohnerbücher Senftenbergs listeten die schulische Einrichtung lediglich als Reform-Realgymnasium mit Realschule. Dies änderte sich spätestens 1932. Denn in jenem Jahr prangte an dem neuerbauten Schulgebäude an der damaligen Hindenburgstraße der verhältnismäßig große Schriftzug RATHENAUSCHULE. Ein Jahr zuvor, am 20. Juni 1931, schloß der Magistrat mit dem Architekten Bruno Taut einen Vertrag über den Neubau einer Schule, deren Lehrbetrieb bis zu diesem Zeitpunkt in den äußerst beengten Verhältnissen des Senftenberger Schlosses untergebracht war. In den Folgemonaten wurde das Gebäude in der Form, wie wir sie heute noch kennen, errichtet und am 20. April 1932 eingeweiht. Dieses Datum war/ist für den größten Teil der Senftenberger Geschichtsschreibung die Geburtsstunde der "Rathenau-Schule", was zwar für das Gebäude, jedoch nicht für die Institution, stimmt. Der oben erwähnte Schriftzug war nur von kurzer Dauer. Nach Machtergreifung der Nationalsozialisten, war eine der ersten Aktionen die Umbenennung der Lehranstalt in "Hindenburgschule". Dies galt gleichzeitig für die Körperschaft wie auch das Gebäude an sich. Ab diesem Zeitpunkt konnte man die Lettern HINDENBURGSCHULE an der Stelle sehen, an der kurz zuvor noch RATHENAUSCHULE stand. Es sollte nicht die einzige Umbenennung des Gebäudes bzw. der Schule bleiben, wobei konkrete Zeitpunkte aktuell teilweise schwer nachweisbar sind. Nachfolgend mein Versuch, einen halbwegs vernünftigen Zeitstrahl abzubilden...
Damit ist die schulische Verbindung zur Person Walther Rathenau erneut gekappt. Wie in den Zeiträumen 1933 bis (mindestens) 1945 und 1976 bis 2002 trägt keine
Senftenberger Schule den Namen "Walther Rathenau". Aufgrund der wechselvollen Geschichte dieser On-Off-Beziehung würde es mich nicht wundern, wenn
in ein paar Jahren der Name Rathenaus wieder aus der Versenkung auftauchen würde. Vielleicht wirft man ja einfach mal (wieder) den Friedrich Engels
über Bord? Übrigens: eine zentrale Begründung für die Namensabwahl Rathenaus war die, daß man Grundschülern die Person Walther Rathenau nicht vermitteln kann... Dem würde ich zustimmen. Und ich gehe sogar noch weiter... selbst den Schülern des hiesigen Gymnasiums, welches doch eher in der Namenstradition steht, kann man das nicht! Man schaue sich einfach nur mal die Internetseite des Gymnasiums zur Historie an...
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