24.04.2022

Es kommt wirklich nicht sehr häufig vor, daß ich mich thematisch in Brieske-Dorf bewegen kann. Der Grund ist schnell gefunden: Es gab einfach nur sehr, sehr wenige Ansichtskarten mit Abbildungen aus diesem Dorf. Mir sind insgesamt nur drei verschiedene bekannt, wovon zwei schon den Weg zu mir gefunden haben. Auf ein Exemplar der dritten Produktion warte ich schon seit Jahren vergeblich.

Daß es so wenige kommerzielle Ansichtskartenproduktionen gab, hängt sicher damit zusammen, daß sich Brieske nie von seiner landwirtschaftlichen Ausrichtung getrennt hatte. Anders als Sauo, Rauno oder Sedlitz diente die Ansiedlung nie als Heimstätte für die vielen Wanderarbeiter oder auch dauerhaft im Braunkohlenbergbau Beschäftigte. Es gab also keinen großen Markt für etwaige Produzenten. In den anderen oben genannten Orten wurden im Gegensatz über die Jahre viele auswärtige Arbeitskräfte "durchgeschleust", die die eine oder andere Nachricht an die Verwandtschaft in der Ferne senden wollten, wozu sich Postkarten mit Ansichten aus dem neuen Zuhause hervorragend eigneten.

Deshalb sind wir hinsichtlich bildlicher Relikte aus der Geschichte von Brieske (das "-Dorf" kam erst später hinzu, da man sich von Brieske-Ost, welches ja bis kurze Zeit nach dem 2. Weltkrieg "Grube Marga" hieß, irgendwie unterscheiden musste. Zumal eigentlich keiner, den ich kannte, "Brieske-Ost" sagte... das war immer nur "Brieske"), auf private Fotos oder Fotopostkarten angewiesen.
Davon möchte ich heute zwei präsentieren...

Senftenberg
Aufnahme <= 19??
Sammlung Silvio Paul
Den Anfang macht eine frontale Hausansicht eines der typischen Drei-oder Vierseitenhöfe, wie es sie auch heute noch im Dorf gibt. Auch dieses Haus existiert noch. Es handelt sich um die Hausnummer 33 (ursprünglich Nr. 16). Interessant ist das kleine Schild über der Hofpforte:
Bäckerei Bernh. Platta. Müssen wir jetzt die Geschichte der Bäcker in und um Senftenberg neu schreiben? Vermutlich nicht. Bernhard Platta wurde in den Einwohnerbüchern des Kreises Calau stets als "Landwirt" angegeben. Das dürfte auch den Tatsachen entsprochen haben. Die "Bäckerei" könnte ein kleiner Nebenerwerb gewesen sein und sich auf Brot beschränkt haben. Möglicherweise bot man den anderen Dorfbewohnern auch nur die Möglichkeit, die von ihnen vorbereiteten Brotlaibe zu backen. Man weiß es nicht genau. Die Erinnerung daran ist in den Jahren, die inzwischen vergangen sind, verblichen.
Wie viele Jahre zwischen dem Zeitpunkt der Aufnahme und heute verstrichen sind, ist etwas unklar. Es war vermutlich Ende der 1920er Jahre. Es scheint, daß schon elektrisches Licht in das Dorf Einzug gehalten hatte (Isolator rechts oben) und auch die Straße hat schon ein Kopfsteinpflaster. Briesker Heimatforscherkollegen können hierzu sicher Jahreszahlen in den Ring werfen.
Das zweite Foto weist für mein Dafürhalten große optische Gemeinsamkeiten mit dem ersten auf. Ich wäre nicht verwundert, wenn beide Aufnahmen am selben Tag entstanden wären. Immerhin war der Besitz von Fotoapparaten damals kein Standard. Und erst recht nicht in einem Dorf. Deshalb kann man eigentlich davon ausgehen, daß ein halbwegs professioneller Fotograf die Aufnahmen anfertigte und danach Abzüge denjenigen zuschickte, denen er bei seinem Besuch im Dorf seine Leistungen aufquatschen konnte. Reine Spekulation und durch nichts bewiesen. Lediglich anhand der generellen Optik und der vergleichbaren Jahreszeit von mir gemutmaßt.
Wenigstens können wir für die Aufnahme des Dorfgasthauses eine untere und ein obere Grenze ziehen. Die untere ist dabei ziemlich sicher der September 1925 während die obere Grenze der Juli 1931 sein dürfte. Diesen Zeitkorridor kann man anhand der unterschiedlichen Betreiber des Gasthauses rekonstruieren: Am 1. Juli 1925 starb der alte Wirt, Karl Münnich. Wenige Wochen später (man sah sich offenbar familiär nicht in der Lage, den Betrieb dauerhaft weiterzuführen), offerierte man im Senftenberger Anzeiger folgendes:
Senftenberg
Aufnahme <= 1931
Sammlung Heiderose Mendritzki
Senftenberger Anzeiger (15.08.1925)
Die Offerte stieß auf Interesse und schon am 5. September des gleichen Jahres fand die "Einzugsfeier" unter dem neuen Wirt und Pächter Herrmann Handretschk statt. Dessen Name prangt über der Tür der Wirtschaft und das Anbringen des Schriftzuges wird sicherlich nicht vor September 1925 stattgefunden haben. Die Vegetation, so wenig davon auf dem Foto erkennbar ist, deutet mir mehr in Richtung Frühjahr des Folgejahres als noch in den Herbst 1925. Also kann man durchaus davon ausgehen, daß die Aufnahme nicht vor dem Frühjahr '26 geschah.
Den zeitlichen Deckel nach oben markiert der 12. April 1931. Denn für diesen Tag wurde offiziell die große Einweihungsfeier unter dem Nachfolger Georg Sickora angekündigt. Ich gehe davon aus, daß mit jedem einzelnen Betreiberwechsel auch ziemlich zeitnah ein Austausch des Namenszugs an der Fassade einherging.
Einen weiteren Grund für die Abwesenheit kommerzieller Ansichtskarten aus Brieske-Dorf möchte ich noch nachliefern: Das Dorf hatte halt nicht viel Vorzeigbares zu bieten. Es gab die Dorfstraße und die Dorfkneipe, keine Kirche aber irgendwann ein Kriegerdenkmal. Das Schulgebäude war auch nicht weiter sensationell, wurde aber trotzdem fotografisch verewigt. Die Kolonialwarenhandlung von Reinhold Schroschk, die sich außerhalb des Dorfkerns befand, gelangte auch noch zu Ehren. Aber das war es dann auch. Nichts abendfüllendes.
Und dennoch: Irgendetwas muß dran gewesen sein, an diesem Brieske-Dorf... Ende 1981 verirrten sich Filmleute des Fernsehens der DDR in unsere Gegend. Ihr Ziel: eine passende Kulisse für Aufnahmen zum Film "Das Graupenschloss" (nach der Erzählung "Das Graupenhaus" von Harald Gerlach) auftun. In Brieske-Dorf wurden sie fündig. Nachdem das, was sie hier vorfanden, für gut befunden war, kamen die Filmleute auch in unsere Briesker Schule um Statisten zu rekrutieren. Gesucht wurden vornehmlich Jungen in meinem Alter (also so 14 bis 16 Jahre alt). Ich habe das schon an anderer Stelle erzählt: ich hätte dabei sein können. Als es aber hieß, daß man sich zwecks Beginn der Schauspielkarriere die Haare raspelkurz hätte scheren lassen müssen, war ich raus.

Die Dreharbeiten fanden dann also ohne mich statt. Vermutlich im Frühjahr 1982. Das Ergebnis konnte man am 28. September 1982 im DDR-Fernsehen in Augenschein nehmen und was man da sehen konnte, war dann doch etwas ernüchternd: Das in Brieske-Dorf gedrehte Material machte gerade einmal knapp 2 ½ Minuten des Endproduktes aus. Wahrscheinlich wurde nur unwesentlich mehr gefilmt. Immerhin konnte man, wenn man schnell genug war, ein paar bekannte Gesichter ausmachen.
Die Identifikation ehemaliger Schulkameraden fällt heute bedeutend leichter, da man seit einigen Jahren eine DVD des Films käuflich erwerben kann. Es ist somit möglich, den Film zu stoppen oder sich die Szene wieder und wieder vorspielen zu lassen und ggf. die Geschwindigkeit zu drosseln. Mir ist es jedenfalls so gelungen, ein paar alte Bekannte zu entdecken. Bei anderen Mitwirkenden bin ich mir nicht so sicher.

Ich habe besagte Sequenz aus dem Film extrahiert und stelle sie oben zur Ansicht bereit. Möglicherweise hat ja jemand der Leser ein besseres Auge und/oder ein besseres Gedächtnis als ich und kann mir Beteiligte namentlich nennen. Definitiv erkennbar: Bernd Bohrisch, Thomas Reimann, Steffen Marth, Claus Krautwurst, Petra Götze, Jens Meinicke (aber nur weil ich es weiß). Mglw. Siegfried Quosdorf, Frank-Michael Meissler, Jörg Schumacher. Das sind aber nur die Jugendlichen in etwa meinem Alter. Die Gesichter der erwachsenen Statisten sagen mir alle nichts.

Angesichts der Tatsache, daß in dem ganzen 90-Minuten-Film lediglich diese eine Szene in Brieske-Dorf gedreht wurde, muß man sich fragen: warum dann überhaupt in Brieske-Dorf? Vor 20 Jahren kam die Behauptung auf, daß die Filmleute "händeringend" und "DDR-weit" nach einem Ort gesucht hatten, in dem es noch so aussah wie bei Kriegsende 1945. Blödsinn! In der halben DDR sah es aus wie kurz nach dem Krieg! Und wenn ihnen eine Nachkriegsszenerie so wichtig war, warum wählte man dann ausgerechnet eine der schönsten Fassaden des ganzen Dorfes aus? Da sich das gefilmte Haus (Nr. 6) heute rein äußerlich nahezu unverändert präsentiert, müsste es ja bedeuten, daß es 40 Jahre später immer noch "wie bei Kriegsende" im Dorf aussieht? Ich würde behaupten, daß dies die Dorfbewohner und nicht zuletzt die Hauseigentümer vehement verneinen würden.

Die wahren Gründe, warum die Wahl auf Brieske-Dorf fiel, werden wir wohl nicht mehr ergründen. Vielleicht war ursprünglich geplant, mehr in unserer Gegend zu drehen. Produktionstechnisch machte das alles nämlich wenig Sinn. Man war nämlich gezwungen, einige der Komparsen, die man ohnehin schon für umfangreiche Innen- und Außenaufnahmen verpflichtet hatte, durch Briesker Schüler zu doublen. Um die Anschlußszene, die an einem völlig anderen Ort und mit anderen Statisten gefilmt wurde, möglichst glaubhaft zu gestalten, gingen Kleidung und Kopfbedeckungen durch mehrere Laiendarsteller. Für meine Begriffe zu viel Aufwand für einen Film, der ohnehin nicht zu den Meisterwerken der Filmkunst zu zählen ist.
Daran ändert auch die doch recht hochkarätige Besetzung abseits der Statisten nichts. Wohlklingende Namen wie Rolf Ludwig, Günter Junghans, Käthe Reichel, Jörg Panknin, Erwin Geschonneck, Fred Delmare, Arno Wyzniewski, Jutta Hoffmann und Rolf Hoppe konnten den doch recht hölzern wirkenden Streifen nicht retten. Von der ersten Riege der DDR-Schauspielnomenklatura waren nur Rolf Ludwig und Ursula Christowa-Staak an der Briesker Szene beteiligt. Unterstützt von Wolf-Dieter Lingk, der eher zur zweiten oder dritten Garnitur gehörte.

Naja, wie dem auch sei: Vielleicht hat ja einer der Leser noch die eine oder andere Theorie oder sogar Gewissheit parat. Dann kann er sich ja einmal bei mir melden. Hilfe und Zuarbeiten sind immer willkommen!