Raumbild-Verlag in Diessen am Ammersee Bild Nr. 117 Aufnahme <= 1938 Sammlung Matthias Gleisner
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Zweifellos handelt es sich bei den heutigen
Stücken um etwas, das zumindest für Senftenberger
Verhältnisse durchaus ungewöhnlich ist. Darüberhinaus
in mehrfacher Hinsicht interessant.
Was haben wir hier also vorliegen?
Im Original handelt es sich um zwei Fotostreifen in
den Abmessungen 13 x 9 cm. Ähnlich Sammelbildern ist
die Rückseite mit weiterführenden Informationen bedruckt.
Wie üblich stelle ich diese innerhalb meiner Grafik zusätzlich
dar.
Und diese zusätzlichen Angaben beinhalten einige Anknüpfungspunkte wie NS-Musterbetriebe,
Schönert, natürlich Senftenberg, Prof. Heinrich Hoffmann und last but not least Raumbild.
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Raumbild-Verlag in Diessen am Ammersee Bild Nr. 118 Aufnahme <= 1938 Sammlung Matthias Gleisner
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Beginnen wir einmal mit Raumbild weil danach hinsichtlich der Abbildungen einiges klarer wird... Raumbild oder auch "Stereoskopie" ist
die Wiedergabe von Bildern mit einem räumlichen Eindruck von Tiefe, der physikalisch nicht vorhanden ist. Das Prinzip beruht darauf, daß der
Mensch durch seine zwei Augen seine Umgebung gleichzeitig aus zwei Blickwinkeln betrachtet. Dadurch kann das Gehirn zu allen betrachteten Objekten
effizient eine Entfernung zuordnen und ein räumliches Bild seiner Umgebung gewinnen („Räumliches Sehen“), ohne den Kopf in Bewegung halten zu müssen.
Die Stereoskopie befasst sich folglich nur damit, in das linke und rechte Auge jeweils unterschiedliche zweidimensionale Bilder aus zwei leicht
abweichenden Betrachtungswinkeln zu bringen.
Wir haben es also oben mit "Stereofotos" zu tun... Zwei separierte Einzelaufnahmen, die mit einer speziellen Kamera, die über zwei Objektive im
Augenabstand verfügt, aufgenommen wurden und dieselbe Szene aus leicht unterschiedlichen Blickwinkeln darstellen. Dies erkennt man beim linken Exemplar
sehr viel besser als beim rechten. Unter bestimmten Voraussetzungen und mittels einer bestimmten "Blicktechnik" soll man in der Lage sein, den erwünschten
räumlichen Eindruck ohne zusätzliche Hilfsmittel zu realisieren.
Mir ist es nicht gelungen.
Für Leute wie mich gibt es spezielle Prismenbrillen bzw. für andere Verfahren der räumlichen Fotografie wiederum darauf abgestimmte Werkzeuge (z.B. die altbekannten
Rot-Grün- oder Rot-Blau-Brillen). Mit deren Hilfe ist es jedem, der keinen "Knick in der Optik" und von Hause aus Schwierigkeiten mit dem räumlichen
Sehen hat, die beiden Einzelfotos in einem zu vereinen und dabei die gewünschte Raumtiefe zu erreichen.
Weiter oben fiel das Schlagwort "Sammelbild". Im vorliegenden Fall trifft dies nicht so
wirklich zu, da die beiden Bilder nicht irgendeiner Schokoladen-, Kaffee- oder
Margarinepackung beigelegt waren, sondern gemeinsam mit 308 weiteren Fotostreifen auf
einen Schlag in einer Buchveröffentlichung publiziert wurden. Zum Jahreswechsel 1938/39
erschien das Werk unter dem Titel Die NS-Musterbetriebe 1937-38. Zweibändig, in Ganzleinen
und in einem zusätzlichen Schuber erhielt der Käufer für 52 Reichsmark etwas politisch und
wirtschaftlich Bedeutsames in neuer Form (siehe Faksimile rechts). Neben einer größeren
Anzahl von Textseiten beinhalten die Einzelbände Fächer für die jeweils 155 Fotostreifen.
Im Band 1 befand sich zusätzlich ein Fach für und mit dem notwendigen Bildbetrachter. Einen visuellen
Eindruck davon kann man sich hier für Band 1
und hier für Band 2 verschaffen.
Neben dem Bildbetrachter enthielt der erste Band die beiden ganz oben dargestellten Exemplare. Und darüber
hinaus auch noch einen weiteren Fotostreifen mit Senftenberg-Bezug, nämlich die Bildnummer 118, die mir aktuell
(noch) nicht in einem Original vorlag. Bild Nr. 118 weckt subjektiv bei mir weniger Interesse, da darauf
keine erkennbare Senftenberger Infrastruktur enthalten ist, wie dies die beiden anderen Stücke bieten.
Der Vollständigkeit halber würde ich es dennoch begrüßen wenn mir jemand (s)ein Exemplar zur Verfügung stellen
würde. Vom Kauf des Gesamtwerkes, nur um in den Besitz des fehlenden Streifens zu gelangen, sehe ich aufgrund der
aufgerufenen Preise (3- bis 4-stellige Eurobeträge) verständlicherweise ab.
In den rückseitigen Angaben wird Prof. Heinrich Hoffmann als Urheber der beiden Aufnahmen angegeben. Hoffmann war Fotograf,
nationalsozialistischer Politiker und Herausgeber. Er ging als Hitlers Haus-und-Hoffotograf in die Geschichte ein. Er war also eine
ziemlich große Nummer in der damaligen Zeit und deshalb dürfte es eher unwahrscheinlich sein, daß er sich höchstpersönlich nach
Senftenberg verirrt hatte um vor Ort diese drei (und noch viele weitere) Aufnahmen zu machen.
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Vielmehr gab er seinen Namen für das Projekt her oder besser gesagt: eignete sich die Arbeiten unbekannterer Fotografen an, die in den Diensten
des Raumbild-Verlags standen. Dieser Verlag wurde Mitte der 1930er Jahre von Otto Schönstein in Dießen am Ammersee gegründet. Der wirtschaftliche Erfolg
des Verlags war anfangs nicht gegeben. Schönstein trudelte in finanzielle Schwierigkeiten. Deshalb griff er zu als Hoffmann ihm 1937 anbot, für eine
Einlage von 5.000 RM und ein zusätzliches Darlehen über 10.000 RM als stiller Teilhaber in den Verlag einzusteigen. Hoffmann forderte eine 50%ige
Gewinnbeteiligung bei gleichzeitigem Ausschluß der Teilnahme an eventuellen Verlusten. Schönstein stimmte zu, da er sich durch die Nähe Hoffmanns zum
Führer und generell zur obersten NS-Riege Wohlwollen und letztlich Aufträge versprach. Dies trat nur begrenzt ein und es gab Querelen zwischen Schönstein
und Hoffmann. Letzterer setzte zeitweise durch, daß sämtliche Veröffentlichungen des Verlages seinen Namen tragen sollten, unabhängig davon, ob er etwas mit
der Bearbeitung zu tun hat oder nicht. Vermutlich trifft dies teilweise auch auf die Aufnahmen, die im Zusammenhang mit der Veröffentlichung "Die NS-Musterbetriebe 1937-38"
publiziert wurden, zu.
Nahezu der gesamte Bestand des Raumbild-Verlages hat die Zeit überdauert und befindet sich mittlerweile im Besitz des Deutschen Historischen Museums. Deshalb wissen
wir auch, daß neben den drei tatsächlich veröffentlichten noch eine ganze Reihe weiterer Aufnahmen im Zusammenhang mit dem Senftenberger Malereibetrieb Curt Schönert
entstanden. Diese sind zum Teil auf der Website des Museums einsehbar. Wenn auch nur im Briefmarken-Format und/oder mit Wasserzeichen.
Womit ich dann letztlich beim Senftenberg-Bezug angelangt bin.
Die Firma Curt Schönert, Senftenberg, besteht seit dem Jahre 1902 und ist seit Gründung im Besitz des jetzigen Betriebsführers Curt Schönert. Von dem
Grundsatz beseelt, nur allerbeste Arbeit sowohl in qualitativer als auch in geschmacklicher Hinsicht zu leisten, war es ihm durch zähe Beharrlichkeit möglich,
den Betrieb aus kleinsten Anfängen heraus zu seiner jetzigen Größe mit 147 Gefolgschaftsmitgliedern zu entwickeln. Durch Höchst- und Bestleistungen in der
praktischen Raumgestaltung genießt die Fa. Schönert im ganzen Deutschen Reich einen guten Ruf. Ein besonders weites Arbeitsfeld ebnet sich ihr durch die Ausführung
technischer Anstriche, in denen sie dank ihrer durch eingehende Studien und Versuche erzielten Ergebnisse und Erfahrungen im Reich mit an der Spitze marschiert.
Das größte Augenmerk legt der Betriebsführer auf einen tüchtigen Facharbeiternachwuchs. Die Lehrlinge, die im Sommer zur praktischen Arbeit herangezogen werden, werden
in den Winterhalbjahren in eigener Lehrwerkstatt unter bewährter Aufsicht zu selbständigen Künstlern herangebildet. Die sozialen Unterstützungseinrichtungen des
Betriebes sind vorbildlich. Das Zusammenarbeiten von Betriebsführer und Gefolgschaft ist als vorzüglich zu bezeichnen.
Soweit eine Textpassage aus dem Buch "Der Creis Calau 1939", welches in etwa zur gleichen Zeit erschien wie "Die NS-Musterbetriebe 1937-38" und gewissermaßen
eine Erklärung dafür lieferte, warum die Senftenberger Firma Schönert den Titel eines "Musterbetriebs" erhielt und aufgrund dessen bildliche Erwähnung in der
Raumbild-Publikation fand. Tauscht man ein paar Vokabeln in dem Text aus, dann hätte er so auch in der DDR-Zeit erschienen sein können. Und selbst für heutige
Ansprüche würde er wegen des Propagierens ausschließlich positiver Eigenschaften des Betriebs locker durchgehen.
Die Senftenberger Infrastruktur, die wir auf den beiden (oder um genau zu sein: 4) Aufnahmen sehen, ist mindestens für das linke Exemplar relativ leicht
zu identifizieren. Wir befinden uns hier vor der damaligen Gartenstraße 31, dem Firmensitz des Malerbetriebes.
Etwas schwieriger wird es aber hinsichtlich des Lokalisierens des sogenannten "Gefolgschaftschaftsgartens". Hierbei handelte es sich um ein mustergültig angelegtes Gartenareal,
das sich zwischen Garten- und Bahnhofstraße befand. Heute steht der REWE-Einkaufsmarkt auf diesem Grund. Auf der Aufnahme sehen wir im Hintergrund Häuser der Bahnhofstraße.
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