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Machen wir uns nichts vor. Es macht keinen großen Unterschied, ob
wir die rechte Abbildung besitzen oder nicht. Selbst, daß es uns
gelungen ist, aus den Fragmenten (Poststempel, Kartentext, Bildinhalt)
ein Datum und einen Anlaß zu rekonstruieren, kann nicht darüber hinwegtäuschen:
es interessiert heute niemanden mehr! Denn der Ort des Geschehens ist
seit nunmehr knapp einhundert Jahren von der Erdoberfläche verschwunden. Es gibt
keinen Menschen mehr, der noch irgendwelche lebendigen Beziehungen zum Dorf Rauno
besitzt. Die ehemaligen Einwohner sind lange tot und ihre Nachfahren, die mittlerweile
mehrere Generationen weiter sind, haben aufgrund eines fehlenden Ankerpunktes keinerlei
Verhältnis mehr zum Ort ihrer Ahnen. Dies ist nur allzu menschlich und für Lausitzer Verhältnisse nicht ungewöhnlich. Rauno war nur einer von vielen Orten, der der Kohle geopfert wurde und tatsächlich restlos von der Landkarte getilgt wurde. Das Stichwort "Rauno" ist nun schon mehrfach gefallen und vielleicht sollte ich mal so langsam den theoretischen Unterbau zu der rechten Fotografie abhandeln, bevor ich weiteres Material präsentiere. Die Aufnahme aus dem September 1925 stellt so ziemlich "das letzte Hurra" im Dorf Rauno dar, denn das folgende Jahr ging laut Glienke als Jahr des Dorfabbruches in die Geschichte Raunos ein, die zu diesem Zeitpunkt schon einige hundert Jahre (die Ersterwähnung des Dorfes geht auf das Jahr 1416 zurück) andauerte. Der Senftenberger Anzeiger avisierte in seiner Ausgabe vom 3. September 1925 folgendes: Rauno, 2. September. (Egs.) Am Sonntag, 6. September veranstaltet die hiesige Ortsgruppe des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold ihr Fest der Fahnenweihe. Der Verein hat keine Mühe und Kosten gescheut, um das Fest würdig zu gestalten. Im Anschluß an die Fahnenweihe findet eine Gefallenenehrung auf dem Kirchhofe statt. Den hiesigen Einwohnern von Rauno wird zugerufen: Zeigt öffentlich eure republikanische Gesinnung, schmückt eure Häuser und die Straßen in den Farben der Republik. Grünes zum Flechten wird von Mittwoch abend 6 Uhr im Hofe des Gastwirts Schurrmann ausgegeben. Näheres über das Fest selbst siehe Inserat in der Freitagnummer. |
Aufnahme = 06.09.1925
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Die textlichen Informationen des Senftenberger Anzeiger passen hervorragend zu den Erkenntnissen, die man aus der Fotopostkarte selbst generieren kann. Somit bin ich mir sehr sicher, daß wir hier tatsächlich den angekündigten Umzug durch das Dorf sehen. Meiner Meinung nach befinden wir uns geografisch in der Dorfstraße (hinten links ist der Zaun des Friedhofes erkennbar). Wir können definitiv einen Spielmannszug des Reichsbanner ausmachen und das angeforderte Bekenntnis zur Republik ist in Form eines grün umkränzten "Es lebe die Republik" auch zu sehen. Insofern ist das alles stimmig. Haken dran. Fertig! | |
Über den Untergang, um korrekt zu sein: eines Teils von Rauno Mitte der 1920er Jahre berichtete ich an anderer Stelle
vor fast sechs Jahren schon einmal. Deshalb kann ich der Erzählung nicht viel Neues hinzufügen sondern das Ganze lediglich mit ein wenig
Originalmaterial aus jener Zeit weiter ausschmücken. Beispielsweise mit einem Zeitungsbericht aus den Dresdener Neuesten Nachrichten vom 18. Februar 1927.
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Der Text erschien zu einem Zeitpunkt als vom Dorf Rauno schon nicht mehr viel übrig war. Lediglich
einige Mauerreste kündeten laut Bericht noch vom einstigen Leben in der Siedlung. Auch das rechts abgebildete Gemeindeamt mit dem in der Einfahrt stehenden Gemeindevorsteher Hermann Pohle existierte schon nicht mehr. Die Abbildung selbst stammt weder von einer Ansichtskarte, noch einem Foto. Stattdessen wurde sie von mir aus der Chronik "Heimatserinnerungen" des Raunoer Lehrers Hermann Glienke, den ich weiter oben schon kurz namentlich ins Spiel brachte, entnommen. Mit dem nachfolgenden Zeitungstext schließt sich zufälligerweise der Kreis. Weiter oben war vom Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold die Rede. Dieser Wehrverband in der Weimarer Republik, der 1924 in Magdeburg von Mitgliedern der SPD, der Deutschen Zentrumspartei, der Deutschen Demokratischen Partei und Gewerkschaftern gegründet wurde, gab zwischen 1926 und 1933 eine Wochenschrift unter dem Titel Illustrierte Reichsbanner-Zeitung heraus. Ab 1929 hieß das Blatt Illustrierte Republikanische Zeitung. |
Aufnahme <= 1926
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Jedenfalls erschien in der Ausgabe vom 12. Februar 1927, also zeitlich ziemlich nah an dem weiter oben wiedergegebenen Text aus den Dresdener Neuesten Nachrichten, die folgende Ausarbeitung eines Direktors Heinrich Löffler. Ich bin leider nicht im Bilde, wer dieser Löffler war, die Stoßrichtung des Aufsatzes lässt jedoch vermuten, daß er einen bergmännischen Hintergrund hatte. | |
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